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Langzeiterkrankung: Urlaubsanspruch auch über 15-Monate-Frist hinaus?

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Wer über einen längeren Zeitraum erkrankt ist, hat länger einen Urlaubsanspruch als andere Mitarbeitende. Ob eine arbeitsvertragliche Regelung, wonach der Urlaub von Langzeitkranken gar nicht mehr verfällt, die gesetzliche Regelung ersetzt, hat jüngst das Bundesarbeitsgericht entscheiden müssen. Das Urteil: Der Urlaub einer langzeitkranken Mitarbeiterin ist nicht nach 15 Monaten verfallen. Die vom EuGH festgelegte Urlaubsverfallsfrist bei Langzeiterkrankung wurde durch die Klausel ausgehebelt.

Grundsätzlich müssen Beschäftigte ihren Urlaub im jeweiligen Urlaubsjahr nehmen. Im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist geregelt, dass eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur erlaubt ist, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin liegende Gründe dies rechtfertigen. Gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG muss der Urlaub dann in den ersten drei Monaten des Folgejahres gewährt und genommen werden.

Für den Fall, dass eine Langzeiterkrankung vorliegt und der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin deshalb den Urlaub auch im Übertragungszeitraum im Folgejahr nicht nehmen kann, gilt grundsätzlich eine 15-monatige Frist. Das heißt: Der Urlaub, der sich während einer Langzeiterkrankung ansammelt, verfällt in der Regel zum 31. März des übernächsten Jahres.

Was stand im Arbeitsvertrag?

Das neue Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zeigt allerdings, dass eine Klausel im Arbeitsvertrag den Urlaubsverfall bei einer Langzeiterkrankung verhindern kann – mit der Folge, dass der Urlaubsanspruch auch nach Ablauf von 15 Monaten fortbesteht (BAG, Urteil vom 15. Juli 2025, Az. 9 AZR 198/24). Dies hatte der Arbeitgeber aber eigentlich gar nicht beabsichtigt und wollte gegen den Urlaubsanspruch vorgehen. Konkret ging es in dem Fall um die Regelung im Arbeitsvertrag einer Mitarbeiterin im Pflegebereich:

„Ist die Mitarbeiterin infolge einer ärztlich nachgewiesenen, krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit daran gehindert, den übertragenen Urlaub bis zum 30. April des Folgejahres zu nehmen, besteht der Urlaubsanspruch auch über den Übertragungszeitraum hinaus fort, allerdings maximal bis zur Höhe des noch bestehenden gesetzlichen Urlaubsanspruchs.“

BAG bejaht Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs

Nachdem die Pflegekraft über Jahre hinweg arbeitsunfähig krank war, endete das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2023. Daraufhin verlangte sie vom Arbeitgeber die Abgeltung ihres Resturlaubs und berief sich dabei auf die Klausel im Arbeitsvertrag zur Urlaubsübertragung über den vereinbarten Übertragungszeitraum hinaus.

Das BAG gab der Arbeitnehmerin recht. Demnach wurde die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG in seiner unionsrechtskonformen Auslegung durch die arbeitsvertragliche Vereinbarung zum Fortbestehen des Urlaubsanspruchs verdrängt. Nach BAG-Ansicht wurde durch die Vertragsklausel ein Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs bei einer Langzeiterkrankung zugunsten der Mitarbeiterin ausgeschlossen. Die Forderung der Klägerin nach einer Abgeltung ihres Resturlaubs war somit berechtigt. Da sie sechs Jahre lang arbeitsunfähig war, muss der Arbeitgeber nun 144 Urlaubstage nachgewähren und 16.908,92 Euro brutto zahlen.

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ist freier Journalist aus Biberach/Baden und schreibt regelmäßig News und Artikel aus dem Bereich Arbeitsrecht.