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Fiege: „Die Digitalisierung fordert unsere Abteilungsstruktur heraus“ 

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Herr Mangelmans, Sie sind seit über 20 Jahren bei Fiege tätig, aber von Haus aus kein HRler. Nun leiten Sie seit Anfang des Jahres den Bereich People & Culture des Unternehmens. Wie war der Umstieg? 
Christoph Mangelmans: Tatsächlich habe ich in meiner Zeit in den operativen Einheiten immer sehr viel mit Menschen zu tun gehabt und Leute geführt. Das prägt natürlich. Insofern war die Umstellung gar nicht so groß. Aus meiner Sicht ist es sogar ein Vorteil, keine reine HR-Karriere gemacht zu haben, besonders in unserer Branche. 

Wie meinen Sie das? 
Wir sind ein Logistikunternehmen und das bedeutet, dass 80 Prozent unserer Mitarbeitenden nicht im Büro arbeiten. Die Kolleginnen und Kollegen in unseren Lägern bilden den Hauptteil unserer Personalarbeit – und da braucht es jemanden, der versteht, wie diese 80 Prozent arbeiten und was sie brauchen. 

Dann verlief der Start also reibungslos? 
Im Großen und Ganzen ja. Nur den “People & Culture-Sprech“ hatte ich am Anfang noch nicht so drauf. Bis ich beispielsweise verstanden habe, dass Talent Akquisition eigentlich nichts anderes ist als Recruiting, sind tatsächlich ein paar Tage vergangen. Und da muss sich HR dann vielleicht auch die Frage gefallen lassen, ob man immer eine verständliche Sprache spricht und zu jeder Zeit den richtigen Ton trifft. 

Sie meinen, die Ansprache von Personalabteilungen muss hemdsärmeliger werden? 
HR muss, bildlich gesprochen, bei uns im Lager ankommen – das ist das Wichtigste. Darauf muss unser Fokus liegen, auch in der Art und Weise, wie wir die Dinge, die wir tun, benennen und kommunizieren. 

Fiege hat fast 140 Standorte in 14 Ländern. Wie organisiert man die Personalarbeit über so viele Standorte hinweg? 
Wir haben einige zentrale HR-Funktionen an unseren Bürostandorten in Greven und Münster. Dazu gehört zum Beispiel die Payroll. Darüber hinaus ist die HR-Arbeit nach Regionen organisiert, und diese wiederum in regionalen Clustern, die einzelne Standorte zusammenfassen. Dort haben wir dann jeweils HR-Verantwortliche. Diesen geben wir vor Ort viele Freiheiten, zum Beispiel für das Recruiting ‚on premise’. Erst ab einem gewissen Level wird dieses von der Zentrale aus gesteuert. 

Diese HR-ler vor Ort sind also die Business Partner? 
Genau, sie sind die zentrale Schnittstelle in die operativen Funktionen. Das bedeutet, jedes Mal, wenn wir eine größere HR-Initiative wie beispielsweise den Roll-out unseres Code of Conduct oder von Kampagnen planen, binden wir unsere operativen HR-Kräfte mit ein, um zu schauen, ob unsere Ideen überhaupt mit den Bedürfnissen vor Ort zusammenpassen. Umgekehrt haben die Kolleginnen und Kollegen an unseren Standorten das Ohr ganz nah an den operativen Einheiten und bringen entsprechend auch eigene Initiativen ein. Es ist also eine sehr intensive und wertvolle Wechselbeziehung. 

Eine häufige Herausforderung für HR in Branchen wie Logistik oder Produktion ist, die Menschen, die nicht den ganzen Tag am Bildschirm sitzen, zu erreichen. 
Das stimmt, und vor allem müssen die Kolleginnen und Kollegen auch uns erreichen können. Natürlich haben wir dafür die gängigen Angebote im Intranet und unsere Ansprechpersonen vor Ort. Seit einiger Zeit haben wir aber zusätzlich auch unser so genanntes „Lead-O-Meter“. Das ist ein Tool, mit dem Mitarbeitende ihre Führungskraft bewerten können. Diese Bewertung findet in der Regel drei Mal im Jahr statt und gibt uns einen guten Überblick über die Stimmung auf der Fläche. 

Sie legen also ein besonderes Augenmerk auf die Führungskräfte vor Ort. 
Ja, denn sie sind der Schlüssel. Zwei der zentralen Werte in unserem Familienunternehmen sind „Verbundenheit und Vertrauen“ – und unser Anspruch lautet: Jede und jeder bei Fiege hat das Recht auf gute Führung. Gute Führungskräfte machen den Unterschied aus, ob man ein guter, oder der beste Arbeitgeber vor Ort ist. Ist man der beste, kommen die Leute automatisch. Wir haben daher in unserer hauseigenen Academy ein spezielles Programm für alle Führungskräfte entwickelt, das jede Führungskraft durchlaufen muss. Und das bedeutet für sie in erster Linie: viel Arbeit an sich selbst. 

Das heißt, Fachkräftemangel ist kein Thema, obwohl Fiege in den letzten Jahren stark gewachsen ist? 
Wenn wir beispielsweise ein neues Lager eröffnen, stehen wir zuerst einmal vor der Frage, wie werden wir überhaupt als Arbeitgeber bekannt? Und da ergreifen wir ganz pragmatische Maßnahmen. Wir haben zum Beispiel schonmal die Pizzakartons der örtlichen Pizzeria gesponsort, um sichtbar zu werden. Darüber hinaus betreiben wir klassisches Hochschulmarketing und sind im Bereich Sportsponsoring aktiv, zum Beispiel als Hauptsponsor von Preußen Münster [Anm. d. Red. – ein Fußballverein der zweiten Bundesliga]. Am Ende ist es aber vor allem die Mund-zu-Mund-Propaganda, die uns hilft – und da schließt sich der Kreis: Wenn man vor Ort der beste Arbeitgeber ist, kommen die Menschen gern zu uns, und vor allem bleiben sie dann auch. 

Die Logistikbranche verändert sich durch die Digitalisierung aktuell rasant. Was heißt das für Ihre Personalentwicklung? 
Das ist ein superzentrales Thema für uns. Die Logistikbranche automatisiert sich immer stärker. Das heißt, wir müssen einen Fokus darauf legen, unsere Kolleginnen und Kollegen zu befähigen, diese Systeme zu implementieren und zu bedienen. Dafür müssen wir auch unser eigenes Wissen stärker teilen und werden das mit einem sogenannten Automation Master begleiten. 

Was steckt dahinter? 
Das Prinzip ist, dass diejenigen, die ein solches System bei sich am Standort bereits eingeführt haben, dieses Wissen auch in die anderen Standorte bringen und die Kolleginnen und Kollegen vor Ort schulen. Es ist aber nicht nur die reine Implementierung einer Technologie, sondern es geht auch darum, dass Sorgen und Ängste der Mitarbeitenden adressiert werden. Die Automatisierung unserer Logistik bedeutet für uns, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und damit schlussendlich Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern – es geht ums Entlasten der Kolleginnen und Kollegen, nicht ums Ersetzen. 

Die Digitalisierung ist auch für die HR-Abteilung selbst ein großes Thema. 
Das stimmt. Dinge wie Vertrags- und Datenmanagement oder Personalplanung werden zunehmend digitalisiert. Die Frage, die wir uns also stellen müssen, ist: Wofür braucht es HR überhaupt noch? Die allgemeine Debatte, ob es nicht reicht, HR-Prozesse zu automatisieren und alles Weitere in die Hände der operativen Einheiten zu legen, gibt es ja durchaus schon. Das fordert natürlich auch unsere Abteilungsstruktur stark heraus.  

Was ist die Antwort drauf bei Fiege? 
Wir haben ein eigenes Digitalisierungsteam im Bereich People & Culture gegründet, das genau diese Frage für uns beantworten soll. Das Anforderungsprofil an unsere Personalverantwortlichen verändert sich stark – weg von Sachbearbeiterpositionen. Stattdessen braucht es in HR einerseits Menschen, die – ähnlich wie bei uns auf der Fläche – Automatisierung entwickeln, implementieren und bedienen können. Andererseits brauchen die Kolleginnen und Kollegen auch eine hohe zwischenmenschliche Kompetenz. Denn eins ist ja klar: Natürlich wird am Ende niemand eingestellt, ohne dass vorher jemand mit ihm persönlich spricht und ihn kennenlernt. Menschen sind und bleiben entscheidend für unsere Unternehmenskultur. Denn es geht nicht nur darum, was jemand auf dem Papier vorzuweisen hat, sondern in erster Linie immer auch darum, dass dieser jemand zu uns als Unternehmen und in unser Team passt. 

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Catrin Behlau koordiniert die Magazinproduktion der Personalwirtschaft organisatorisch und thematisch. Sie leitet gemeinsam mit Matthias Schmidt-Stein die Redaktionen der HR-Medien von F.A.Z. Business Media. Ihre thematischen Schwerpunkte liegen im Berufsbild HR.