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Diversity Summit: Wo stehen wir mit DEI in Deutschland?

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„Der Business Case von Diversity-Förderung ist da. Da muss ich kein Mathegenie sein“, sagte Kadim Tas, CEO von Joblinge beim dritten Corporate Diversity-Summit in Frankfurt am Main. Er meint damit, dass die Stärkung von Vielfalt beim Bewerkstelligen des Fachkräftemangels hilft, Innovation fördert und den wirtschaftlichen Umsatz steigert. Deswegen ging es beim Event für DEI-Expertinnen und Experten aus Unternehmen, Beratung und Wissenschaft auch nicht um die Basics des Diversity-Managements, sondern um konkrete Learnings, erfolgreiche Projekte und Unsicherheiten, die selbst bei den Professionals bisher geblieben sind.

Die mehr als 200 Teilnehmenden sprachen unter anderem über eine lebensphasenorientierte Arbeitszeit, die Arbeit in Diversity Councils, Eckpfeiler einer inklusiven Unternehmenskultur, Menschen mit Behinderung in Führung, den Einfluss von Alter und sozialer Herkunft und die Power von KPIs und Sprache bei der DEI-Förderung. „Wir könnten uns noch Stunden über diese Themen austauschen“, sagte eine Teilnehmerin. Der Redebedarf und Tatendrang sei da. Ein Learning, das sich durch die Konferenz gezogen hat, war: DEI muss sowohl breit als auch in Schwerpunkten wie beispielsweise Gender, Eltern oder ethnische Herkunft gedacht werden. „Nur wenn jeder sich angesprochen fühlt, gibt es eine intrinsische Motivation, etwas zu ändern“, sagte Panel-Teilnehmerin Ilana Rolef-Heberling, Head of Brand-Transformation, Communication & DEI bei PwC Deutschland. Sprich: Diversity-Verantwortliche müssten so vielen Menschen wie möglich im Unternehmen verdeutlichen, dass auch sie von einer Förderung von Vielfalt und Inklusion profitieren. „Diversity ist keine HR-Aufgabe, das gesamte Unternehmen ist gefragt“, so Rolef-Herbling.

Ein Diversity Council kann effektiv sein

Die Union Investment scheint diesen Ansatz für ihre DEI-Bemühungen ebenfalls gewählt zu haben. Christina Heidemann, Referentin Konzern Personal für Diversity and Culture Management, erzählte in ihrer Keynote wie der Diversity Council bei der Fondsgesellschaft geschaffen wurde und seitdem arbeitet. Dabei fokussieren sich die Mitglieder, welche aus jedem Segment des Unternehmens stammen, darauf, die aktuelle DEI-Situation im Unternehmen zu analysieren und den Handlungsbedarf festzuhalten. Darauf basierend wollen sie eine Wahrnehmung für die aktuellen DEI-Herausforderungen schaffen und dann mit gezielten Maßnahmen für mehr Vielfalt und Inklusion in den problematischen Feldern sorgen.

Das bisherige Ergebnis: Netzwerke wurden ins Leben gerufen, Stellenanzeigen angepasst, Leitfäden für eine gendergerechte Sprache und ein inklusives Recruiting erstellt, Workshops gegen den Unconscious Bias angeboten, Shared Leadership verstärkt eingeführt und eine Diversity-&-Inclusion-Mitarbeiterbefragung erstellt. Heidemanns Learning: „Man braucht konkrete KPIs und Ziele, um sich die Arbeit im Diversity Council immer wieder zu hinterfragen.“

Das unterstützten auch die Panel-Teilnehmenden rund um Barbara Lutz, Geschäftsführerin von FKi Global Consulting. Kennzahlen würden eine Power in die DEI-Förderung bringen, genauso aber auch Gesetze wie die zwei Führungspositionengesetze und die ESG-Vorgaben. „Das sind die Leitplanken, die alles verändern können“, sagte Lutz.

Kleine Dinge, die einen großen Unterschied machen

Neben diesen groben Rahmenbedingungen hängt eine inklusive Kultur auch viel von scheinbaren Kleinigkeiten ab, sagte Detlev Blenk, Equality, Diversity & Inclusion Manager bei IKEA Deutschland, bei einer Panel-Diskussion. So könnte es sich lohnen, dafür zu sorgen, dass die Süßigkeiten-Sorten in einem Automaten immer an derselben Stelle eingefüllt werden, sonst würden sehbehinderte Menschen Probleme haben, ihre Lieblingssorte zu finden. IKEA habe sich bei seinen DEI-Strategien auch auf alleinerziehende Eltern und geflüchtete Frauen fokussiert – das seien innerhalb der Belegschaft relevante Zielgruppen, die Unterstützung bräuchten, so Blenk. Erfahren würde man von den Herausforderungen, in dem man innerhalb der Belegschaft nachfrage und gut zuhöre.

Seine Diskussionspartnerin Martina Gieg, Group HR Officer bei Haraeus, erzählte, dass sich der Technologiekonzern je nach Geschäftseinheit unterschiedliche Diversity-Schwerpunkte gesetzt hat. In vielen Einheiten spiele kognitive Diversität eine große Rolle, aber auch klassisch Gender Diversity. Sprich: Die Belegschaft sollte vorgeben, welche Schwerpunkte im DEI-Management gelegt werden. Was allerdings als Leitplanken im DEI-Management von Haraeus unbeeinflusst von den Schwerpunkten immer gelte, sei die Aufklärung und Begleitung der Führungskräfte. Hier sei die Auseinandersetzung mit dem eigenen Bias, aber auch psychologische Sicherheit essenziell.

Was steht Flexibilität im Weg?

Ein Highlight der Veranstaltung war auch die Diskussion rund um flexible Arbeitszeit. Alexander Insam, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Kanzlei Görg, sprach sich für eine lebensphasenorientierte Arbeitszeit aus. „Wir sollten nicht mehr fragen, wie viel wir arbeiten, sondern ob wir arbeiten“, sagte Insam. Seine Diskussionspartnerin Viktoria Holland-Cunz, Leiterin der globalen Personalstrategie und Diversity, Equity, Inclusion bei Henkel, hatte jüngst unter großem gesellschaftlichem Zuspruch die achtwöchige, vollvergütete Elternzeit eingeführt. Sie gab zu: „Es ist verdammt schwer, das in allen Ländern umzusetzen. Es gibt zahlreiche verschiedene gesetzliche Gegebenheiten, die es mit der Richtlinie zu koordinieren gilt.“ Das sollte allerdings kein Grund sein, um die Bemühungen zu stoppen. „Vielfalt bedeutet Komplexität und Komplexität ist gut“, sagte Insam. „Das zu glauben, ist ein Mindshift, schließlich geht es bisher immer darum, alles effizienter zu machen.“

Die Unternehmensbeispiele sowie die Expertinnen- und Expertenrunden zeigten: Die DEI-Förderung in Deutschland hat in den vergangenen Jahren einen Sprung gemacht. Am Ziel ist man aber noch lange nicht – falls es überhaupt eines gibt. In den Worten der Keynote-Speakerin Heather Cairns-Lee, Professorin für Führungsthemen am IMD: „Inklusion ist nicht die Abwesenheit von Vorurteilen, sondern das aktive und bewusste Managen von Bias.“ Und das Managen von neuen Gegebenheiten hört nie auf.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.