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KI & HR: „A fool with a tool is still a fool“

Systeme mit Künstlicher Intelligenz (KI) sind auch im Personalwesen auf dem Vormarsch – nicht erst seit ChatGPT: seien es Chatbots zur Beantwortung von wiederkehrenden Fragen aus der Bestandsbelegschaft, Lebenslauf-Parser im Recruiting oder sogenannte Predictive- Analytics-Systeme für Prognosen und strategische Planung. Zugleich ist der Einsatz KI-basierter Tools aus Sicht vieler Unternehmen mit Unsicherheiten behaftet. Auf der Fachmesse Zukunft Personal Süd diskutierten Expertinnen und Experten in Stuttgart daher Chancen und Risiken Algorithmus-flankierter HR-Arbeit.

Use-Case prüfen, Domainwissen aufbauen

Für Dr. Vanessa Just, CEO der JUSTECH AG, bietet der Einsatz von KI in der Personalabteilung vom Grundsatz her „auf jeden Fall Chancen“. Firmen sollten jedoch vor einer bewussten Implementierung zunächst einmal abwägen, „ob es einen Use-Case und ein Business-Modell dafür“ in der Organisation gibt. Nötig seien zudem Domainwissen und technisches Know-how.

Aus der Sicht von Michael H. Kramarsch, Initiator des Ethikbeirates HR-Tech und Managing Partner der HKP Group, ist dabei auch dringend geboten, Anwendungen „zu kontrollieren und zu regulieren“. Denn KI verbreite sich „mit Macht“.

Kramarsch weiter: „Sie können mit einem Hammer einen Nagel in die Wand hauen und die Mona Lisa daran aufhängen oder Sie können Ihren Nachbarn damit erschlagen.“ Es mache insofern „wenig Sinn, über die Natur des Hammers zu sprechen. Es kommt darauf an, was man damit macht.“ Daher sei es wichtig, dass Analytics und Digitalisierung integraler Bestandteil der Ausbildung von Personalerinnen und Personalern werde.

Umgang mit KI in Ausbildung verankern

Zuspruch erhielt er von Wolfgang Brickwedde, Leiter des Institute for Competitive Recruiting (ICR) in Hamburg, der auch auf die Frage einging, wie KI Berufsbilder und Anforderungsprofile im Bereich HR verändern könnte. Seine Prognose: „Recruiter werden durch Recruiter ersetzt, die mit KI umgehen können.“ Das könne unter Umständen auch zu einer erhöhten Attraktivität des Jobprofils führen, denn „nicht die besonders kreativen Aufgaben werden ersetzt, sondern die besonders repetitiven“.

Eine weitere Dimension brachte Thomas Belker, HR-Manager und Mitglied im Ethikbeirat HR-Tech, in die Debatte – nämlich Verantwortung und Verantwortlichkeit. Schließlich gehe es in der Personalarbeit immer auch um den Umgang mit Menschen, deren Daten und Persönlichkeitsrechten. Um passgenaue KI-Instrumente zu entwickeln, die auch rechtlichen und ethischen Standards genügen, plädiert er unter anderem dafür, „geschützte Räume und Räume der Freiwilligkeit zu etablieren“.

„Black-Box-Effekte“ vermeiden

Einig waren sich die Fachleute in der Einschätzung, dass Unternehmen gut daran tun, sich dem Thema mit „kritischer Neugier“ zu nähern und ein Verständnis für Funktionsweisen und Defizite entsprechender Systeme zu entwickeln. Unverzichtbar sei zudem der Aufbau von Anwendungskompetenz in HR. Das vermeide nicht nur „Black-Box-Effekte“, sondern trage auch zu mehr Akzeptanz in der Belegschaft bei und erleichtere – dort wo geboten – den Dialog mit Arbeitnehmervertretern und -vertreterinnen. Keinesfalls jedoch solle KI als Selbstzweck angewendet werden. Denn wer das „Spielfeld betritt“, müsse auch „die Regeln kennen“. Oder wie ein Sprecher auf dem Podium es auf den Punkt brachte: „A fool with a tool is still a fool.“

Die Zukunft Personal Süd geht am Mittwoch, 10. Mai 2023, weiter. Am zweiten Tag der Messe stehen dann, flankiert von einem Ausstellerbereich und kleineren Veranstaltungsformaten, unter anderem Keynotes zu Gesundheitsförderung in Zeiten von New Work, Mystery Shopping zur Qualitätsverbesserung im Recruiting oder den Erwartungen der Generation Z an potenzielle Arbeitgeber im Fokus.

Frank Strankmann ist Redakteur und schreibt off- und online. Seine Schwerpunkte sind die Themen Arbeitsrecht, Mitbestimmung sowie Regulatorik. Er betreut zudem BetriebsratsPraxis24.de, unser Portal für Mitbestimmung.