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Praxisforum Total Rewards: Mit Gehaltstransparenz zu mehr Fairness

„Viele Unternehmen machen sich auf den Weg, um über Geld zu reden“, hat Prof. Dr. Claus Vormann von der Fachhochschule Dortmund festgestellt. Dennoch sei es nicht selten, dass in vielen Unternehmen in Deutschland noch eine totale Intransparenz beim Thema Vergütung herrsche, führte er bei seiner Keynote zu Beginn des Praxisforums Total Rewards in Frankfurt aus. Es gebe nach wie vor nur wenige Arbeitgeber, die bei dem Thema „total transparent“ sind. Die Meisten bewegten sich irgendwo dazwischen.

Doch mit der neuen EU-Richtlinie für europaweite Lohntransparenz müssen sich Unternehmen in den kommenden zwei Jahren darauf einstellen, Gehälter offenzulegen. Bislang tun das allerdings längst nicht alle, wie eine Umfrage unter den Teilnehmern des Praxisforums zeigt. Demnach haben erst 2 Prozent der befragten Unternehmen Gehaltstransparenz umgesetzt. Knapp die Hälfte (48 Prozent) arbeitet noch daran. Ein gutes Viertel (27 Prozent) hat noch nicht begonnen, am Thema Entgelttransparenz zu arbeiten, hat dies aber vor. Ebenfalls ein Viertel (23 Prozent) beschäftigt sich noch nicht mit diesem Thema.

Transparenz ist kein Selbstzweck

Transparenz ist kein Selbstzweck: FH-Professor Claus Vormann (2. v.l.) und Christine Abel von Stada (3. v. l.) im Gespräch mit Redakteurin Kirstin Gründel und Herausgeber Erwin Stickling. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)
Transparenz ist kein Selbstzweck: FH-Professor Claus Vormann (2. v.l.) und Christine Abel von Stada (3. v. l.) im Gespräch mit Redakteurin Kirstin Gründel und Herausgeber Erwin Stickling. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)

Dabei ist die Transparenz kein Selbstzweck. Sie soll es nach der Vorstellung des Gesetzgebers vor allem ermöglichen, Gehälter vergleichen und dadurch angleichen zu können. Sie soll also für mehr Fairness und Gerechtigkeit sorgen, vor allem zwischen Männern und Frauen. Nicht zuletzt aus ESG-Gründen, wie Dr. Christine Abel, Vice President Global Rewards and Benefits beim Pharmaunternehmen Stada, ergänzte, als sie zu Claus Vormann auf die Bühne kam. „Gerade für uns als Unternehmen in Private-Equity-Besitz ist das wichtig.“ Schließlich achteten die Geldgeber vermehrt auf solche früher als weich angesehenen Themen.

Pflegende Angehörige unterstützen können Arbeitgeber mit dem Programm Feelcare, das Roland Brüggemann (links) und Miguel Perez vorstellten – bevor sie sich Fragen von Personalwirtschaft-Redakteurin Kirstin Gründel und aus dem Publikum stellten. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)
Pflegende Angehörige unterstützen können Arbeitgeber mit dem Programm Feelcare, das Roland Brüggemann (links) und Miguel Perez vorstellten – bevor sie sich Fragen von Personalwirtschaft-Redakteurin Kirstin Gründel und aus dem Publikum stellten. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)

Auch jenseits des Themas Gehaltstransparenz zog sich das Thema Fairness wie ein roter Faden durch das Programm des Praxisforums, das zum siebten Mal stattfand. So stellten Roland Brüggemann, Leiter des Malteser Service Centers Köln, und Miguel Perez, Direktionsbevollmächtigter bei der Halleschen Krankenversicherung, die gemeinsam entwickelte betrieblichen Pflegeleistung „Feelcare“ vor. Mit diesem Programm können Unternehmen Mitarbeitende, die Angehörige pflegen, organisatorisch und finanziell unterstützen. „Viele, die in diese Situation kommen, wissen erst einmal gar nicht, was sie eigentlich tun sollen“, sagte Brüggemann; mögliche Ansprüche und Möglichkeiten seien oft nicht bekannt. Und im Gegensatz zur Kinderbetreuung werde die Angehörigenpflege von vielen Arbeitgebern gar nicht erst wahrgenommen. „Unternehmenskitas gibt es heutzutage ja häufiger“, ergänzte Perez. „Aber ein Unternehmenspflegeheim gibt es nirgendwo.“ Wenn sich das ändert, und Betroffene ausreichend unterstützt werden, dürfte sich nach Perez´ Einschätzung auch die Vollzeitquote erhöhen – schließlich würden die Mitarbeitenden entlastet, wenn die Zusatzversicherung für zusätzliche Pflegeleistungen bezahlt.

Personalwirtschaft-Redakteurin Kirstin Gründel befragt Christof Quiring zum Thema Financial Wellbeing. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)
Personalwirtschaft-Redakteurin Kirstin Gründel befragt Christof Quiring zum Thema Financial Wellbeing. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)

Einer ähnlichen Logik folgt das Konzept des „Financial Wellbeing“, das Christof Quiring, Head of Workplace Investing bei Fidelity International, vorstellte. Das bedeutet, dass Unternehmen ihren Mitarbeitenden finanzielle Sorgen nehmen, indem sie ihnen beispielsweise ein Notfallbudget bereitstellten oder sie durch ein Tool unterstützen, privat besser hauszuhalten. Einen Use Case gebe es bereits bei der Fluglinie Delta Airlines, während in Deutschland diese Art der Unterstützung bislang nur wenig verbreitet ist. Dabei könnte die Leistungsfähigkeit von Talenten steigen, wenn diese sich weniger finanzielle Sorgen machen müssten, sagte Quiring. Auch wenn Finanzen Privatsache seien und Beschäftigte daher von ihrem Arbeitgeber keine Unterstützung in diesem Bereich erwarten, glaubt Quiring: „Gerade deshalb kann der Arbeitgeber punkten, wenn er die Beschäftigten bei dem Thema unterstützt – mit hilfreichen Informationen, Tools oder sogar mehr.“

Die Rolle von Jobarchitekturen und Karrierewegen

Vor gut gefüllten Stuhlreihen gaben Lisa Bourcarde und Peter Devlin von Deloitte Einblick in ihre Studie zu Jobarchitekturen. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)
Vor gut gefüllten Stuhlreihen gaben Lisa Bourcarde und Peter Devlin von Deloitte Einblick in ihre Studie zu Jobarchitekturen. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)

Auch organisationale Themen kamen beim Praxisforum zur Sprache – weil sie eben auch eine große Rolle bei der Frage spielen, wie Unternehmen für mehr Fairness und damit auf Dauer auch für eine größere Mitarbeiterbindung sorgen können. So war das Publikum stark an der Vorstellung einer Deloitte-Studie zum Thema Jobarchitekturen interessiert. „Gleiche Arbeit sollte auch gleich bezahlt werden“, betonte Lisa Bourcarde, Manager, Workforce Transformation, Benefits & Compensation bei der Unternehmensberatung. Um aber überhaupt eine Grundlage zu haben, um verschiedene Positionen im Unternehmen vergleichen zu können, helfe eine definierte Jobarchitektur. Wie genau die am besten ausgestaltet ist, hänge dabei unter anderem von der Branche ab. Ein reines Dienstleistungsunternehmen zum Beispiel müsse sich um technische Jobfamilien wenig Gedanken machen. Beschäftigen sollte sich aber jedes Unternehmen mit dem Thema. „Denn jedes Unternehmen hat Jobarchitekturen, selbst wenn es nichts von ihnen weiß“, sagte Peter Devlin, der bei Deloitte den Fachbereich Benefits & Compensation leitet und die Studie gemeinsam mit Bourcarde vorstellte.

Lars Hünninghausen erläuterte zum Abschluss des Praxisforums die Vergütungsgestaltung tausender Fach- und Führungskräfte bei der Deutschen Bahn AG. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)
Lars Hünninghausen erläuterte zum Abschluss des Praxisforums die Vergütungsgestaltung tausender Fach- und Führungskräfte bei der Deutschen Bahn AG. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)

Ein immer wichtiger werdender Aspekt beim Thema Jobarchitekturen ist die Frage danach, ob eine erfolgreiche Karriere unbedingt immer einer Führungslaufbahn folgen muss. „Nein“, ist die Antwort von Lars Hünninghausen von der Deutsche Bahn AG. Der Leiter Grundsätze Beschäftigungsbedingungen, Vergütung und Nebenleistungen verantwortet bei dem Staatsunternehmen die Vergütungsstrukturen für mehrere tausend Fach- und Führungskräfte – und berichtete beim Praxisforum davon. Nach rund 180 Jahren hätten sich erst vor relativ kurzer Zeit zu den klassischen Führungskarrieren auch Karrierepfade für reine Fachleute sowie für Projektmanagerinnen und -manager gesellt – wobei alle drei Pfade gleich vergütet werden. „Um Menschen besser bezahlen zu können, mussten wir sie in eine Karriere bringen“, erklärte Hünninghausen. Dabei sei es zweitrangig, ob dazu auch immer mehr Personalverantwortung gehöre oder nicht.

Das Publikum bestand aus Expertinnen und Experten für Compensation- und Benefitsthemen. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)
Das Publikum bestand aus Expertinnen und Experten für Compensation- und Benefitsthemen. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)

Hünninghausen ging in seiner Keynote, mit der das Praxisforum am Nachmittag zu Ende ging, insbesondere auf die variablen Vergütungsbestandteile der außertariflich Beschäftigten bei der Bahn ein. „Es geht nichts ohne Strategie und Purpose“, so Hünninghausen. Das neue Vergütungssystem betont mit 60 Prozent die Relevanz strategischer, nichtfinanzieller Leistungsindikatoren, wie Nachhaltigkeits- und ESG-Kennzahlen. Persönliche Ziele sind nur noch mit 20 Prozent abgebildet. Schließlich handele es sich um eine Erfolgsbeteiligung und nicht um eine persönliche Prämie. „Wenn es nach mir ginge, gäbe es gar keine individuellen Boni“, sagte Hünninghausen. Aber bei dem Thema habe er sich im Unternehmen nicht durchsetzen können – und auch aus dem Publikum bekam er nicht nur Zustimmung für seine Position. Immerhin sei es aber so, dass die persönliche Bonuskomponente mit der ohnehin stattfindenden Bewertung der individuellen Performance im Jahresgespräch synchronisiert ist, was den Prozess ungemein erleichtere.

Konkrete Tipps für die Teilnehmer

Um Chancen und Risiken beim Thema Global Mobility ging es im Themenforum von und mit Regina Dietel und Markus Künzel von ADVANT Beiten. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)
Um Chancen und Risiken beim Thema Global Mobility ging es im Themenforum von und mit Regina Dietel und Markus Künzel von ADVANT Beiten. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)

Das wiederum war nicht der einzige Tipp, den das Publikum zur Erleichterung des eigenen Arbeitsalltags mitnehmen konnte. Auch beim Thema Global Mobility gab es einen solchen Hinweis, und zwar von Rechtsanwalt Markus Künzel von ADVANT Beiten, der gemeinsam mit seiner Kollegin Regina Dietel über das Thema sprach. „Beschränken Sie sich bei Auslandstätigkeiten, wenn es geht, auf einzelne Länder“, sagte Künzel. Schließlich sei die rechtliche Ausgestaltung kompliziert. Unternehmen müssten Vorschriften unter anderem zu Sozial- und Krankenversicherung und zum Steuerrecht beachten, die im Ausland gelten. Nicht einmal innerhalb der EU-Länder seien Vorschriften dazu vereinheitlicht. „Kein Fall ist wie der andere. Sie müssen immer den Einzelfall bewerten“, fasste Regina Dietel zusammen. Gleichzeitig sei das Thema bei Klientenunternehmen gefragt, weil Mitarbeitende immer häufiger wünschen, auch mal aus dem Ausland arbeiten zu können.

Henning Jolmes von der Jolmes Unternehmensgruppe (links) berichtete von der Einführung der Software von Whistle.Law. Ergänzungen zur Funktion der Hinweisgeberschutz-Lösung mit „Kummerkasten“-Funktion lieferte Whistle.Law-Geschäftsführer Johannes Jakob. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)
Henning Jolmes von der Jolmes Unternehmensgruppe (links) berichtete von der Einführung der Software von Whistle.Law. Ergänzungen zur Funktion der Hinweisgeberschutz-Lösung mit „Kummerkasten“-Funktion lieferte Whistle.Law-Geschäftsführer Johannes Jakob. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)

Ganz andere Sorgen haben mutmaßlich die meisten Beschäftigten bei der Jolmes Gruppe. Bei dem ostwestfälischen Familienunternehmen arbeiten nämlich vor allem Gebäudereinigungskräfte sowie Handwerkerinnen und Handwerker. Die Fluktuation sei relativ hoch, erklärte Henning Jolmes aus der Unternehmerfamilie, der derzeit Assistenz der Geschäftsführung ist. Auch deshalb sei man froh, dass in der Lösung Whistle.Law, die das Unternehmen zur Erfüllung der wohl noch in diesem Jahr in Kraft tretenden Pflicht zum Hinweisgeberschutz einsetze, auch eine „Kummerkasten“-Funktion integriert sei. Über diese können Mitarbeitende auch Verbesserungsvorschläge jenseits juristisch relevanter Vergehen des Unternehmens melden. Weil die Unternehmensgruppe (wie bei Softwareprodukten nicht unüblich) noch etwas hinter dem Zeitplan liegt, konnte Jolmes zwar noch keine Zahlen nennen, ob die Fluktuation dadurch wirklich sinkt. Johannes Jakob, Geschäftsführer von Whistle.Law, machte ihm aber Mut. „Diese Funktion wird in den Unternehmen, die das System schon länger nutzen, von den Mitarbeitenden auch genutzt“, verriet er. „Häufiger als die rechtlich geforderte Hinweisfunktion.“

Erst die Fairness, dann die Transparenz

Nicole Peper von Ikea sprach mit Personalwirtschaft-Redaktionsleiter Matthias Schmidt-Stein darüber, wie der Möbelhändler für Mitarbeitende attraktiv bleiben will. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)
Nicole Peper von Ikea sprach mit Personalwirtschaft-Redaktionsleiter Matthias Schmidt-Stein darüber, wie der Möbelhändler für Mitarbeitende attraktiv bleiben will. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)

Ikea sammelt unterdessen auch heute schon fleißig Input aus der Belegschaft dazu, wie der Einzelhändler die Arbeitgeberattraktivität erhöhen kann. Dazu nutze der Konzern etwa Offboardinggespräche und Mitarbeiterbefragungen. Das sei umso wichtiger, weil die Einzelhandelsbranche ein Bereich sei, den die Talente als wenig attraktiv wahrnehmen, wie Nicole Peper, Country People & Culture Manager bei Ikea Deutschland, ausführte. Das Unternehmen sei unter anderem dabei, auch für die Mitarbeitenden, die eben nicht im Homeoffice arbeiten können – also jene, die etwa im Möbelhaus tätig sind – so viel Flexibilität wie möglich anzubieten, bis hin zu einer Vier-Tage-Woche. Auch das Paket an Nebenleistungen stellt Ikea auf den Prüfstand. „Ziel ist es, den Mitarbeitenden pro Jahr eine Summe x zur Verfügung zu stellen“, erläuterte Peper. Mit dieser könnten diese sich flexibel und individuell Leistungen aus einem Benefitsportfolio auswählen. Das sei transparent und fair für alle, weil eben nicht jeder die gleichen Bedürfnisse habe.

Auch für Diskussionen mit und Nachfragen bei den Vortragenden (hier: Lars Hünninghausen) blieb genug Zeit. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)
Auch für Diskussionen mit und Nachfragen bei den Vortragenden (hier: Lars Hünninghausen) blieb genug Zeit. (Foto: Dirk Beichert Businessfoto)

Transparenz, auch darauf hatte Claus Vormann in seiner Eröffnungs-Keynote hingewiesen, kann allerdings auch zu Unzufriedenheit führen. Dann nämlich, wenn sie bestehende Ungerechtigkeiten offenlegt, wie verschiedene Studien zeigen. „Berücksichtigt also die individuelle Vergütungsstruktur in euren Unternehmen und entscheidet dann, ob ihr den Schritt Richtung Entgelttransparenz geht.“ Oder anders ausgedrückt: Manch ein Unternehmen sollte erst einmal für ein wenig mehr Fairness sorgen, bevor es wirklich transparent wird.

Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersversorgung. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das F.A.Z.-Personaljournal. Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.

Matthias Schmidt-Stein koordiniert die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet gemeinsam mit Catrin Behlau die HR-Redaktionen bei F.A.Z. Business Media. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit dem Berufsbild HR und Karrieren in der Personalabteilung sowie mit Personalberatungen. Auch zu Vergütungsthemen schreibt und recherchiert er.