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Niedrige Geburtenrate verschärft demografische Krise 

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Laut Berechnungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung in Kooperation mit der Universität Stockholm wurden 2021 in Deutschland durchschnittlich 1,57 Kinder pro Frau geboren, im Herbst 2023 waren es nur noch 1,36. 

Dabei war während der Pandemie die Geburtenrate noch stabil, zwischenzeitlich sogar leicht erhöht: Etwa neun Monate nach den Lockerungen des ersten Lockdowns kamen im März und April laut Destatis 2021 795 000 Kinder zur Welt, ein Höchstwert seit 1997. Danach sank die Kurve, auf 738 000 Geburten im Jahr 2022. Bis November 2023 wurden in Deutschland nur noch 631 000 Babys geboren. (Mehr dazu lesen Sie in der kommenden Ausgabe der „Personalwirtschaft“, die nächste Woche erscheint).  

Die Gründe dafür sind so vielfältig wie uneindeutig. Professor Dr. Enzo Weber, Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt und Beschäftigung: „Bei kurzfristigen Ausschlägen kann man da nur vermuten. Der Rückgang war auch in anderen Ländern zu sehen. Das legt nahe, dass es übergreifende Gründe gibt.“ Für ihn kommen die schwierige wirtschaftliche Situation in Folge der Energiekrise und der Schock des Kriegsbeginns in der Ukraine als Faktoren in Frage.  

Fehlende Arbeitskräfte von morgen 

Dies verschärft den demografischen Wandel noch zusätzlich, denn mit ausgedünnten Generationen fehlt es in der Zukunft an Arbeitskräften. Enzo Weber prognostizierte bereits 2022, dass die Menge an erwerbstätigen Personen von derzeit 45,7 auf 40,4 Millionen Personen im Jahr 2060 schrumpfen wird. Neben anderen unverzichtbaren Faktoren, wie beispielsweise eine wachsende Zuwanderung, gehört für ihn auch eine steigende Geburtenrate zu den Gegenmaßnahmen. Hier sieht Weber Unternehmen und Politik am Zug, die familienfreundlichere Arbeitsbedingungen schaffen müssten. 

Flexible Arbeitszeiten, die Kinderbetreuung vereinfachen, Unterstützung beim Spagat zwischen Beruf und Familie – alles so wirksame wie hinlänglich bekannte Maßnahmen. Woran liegt es, dass es derzeit offensichtlich weniger Anreize als früher gibt, eine Familie zu gründen? Tun Unternehmen zu wenig? Weber zeigt sich optimistisch: „Es ist ja nicht so, dass es bisher nur Stillstand gab. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist stark gestiegen, die Kinderbetreuung wurde deutlich ausgebaut. Erwerbstätigkeit ist heute der Standard für Frauen, was an sich aber natürlich auch die Zeitbudgets für Familie einengt“, meint der Experte.  
 
Wie können Unternehmen reagieren? „Wir brauchen Erwerbstätigkeit und mehr Geburten. Und zumindest mehr Geburten helfen dem einzelnen Unternehmen nicht, da gibt es also keinen unmittelbaren Anreiz“, sagt Weber. Er meint: Der Fokus der Gesellschaft lag auf der großen Bewegung hin zu mehr Erwerbsbeteiligung von Frauen, nicht auf Steigerung der Geburten. Dafür wiederum bräuchte es eine weiter große gesellschaftliche Veränderung hin zur echten Vereinbarkeit, unterstützt von der Politik, Anstrengungen der Unternehmen und Wertewandel. „Anderenfalls werden wir der demografischen Schrumpfung ewig hinterherlaufen.“ 

Angela Heider-Willms verantwortet die Berichterstattung zu den Themen Transformation, Change Management und Leadership. Zudem beschäftigt sie sich mit dem Thema Diversity.