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AÜG-Änderung: Gefahr illegaler Leiharbeit im Ausland

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Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat zum 15. Oktober 2024 eine neue Fassung der sogenannten fachlichen Weisungen zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) veröffentlicht. Damit werden die bestehenden Vorschriften zur Arbeitnehmerüberlassung präzisiert und ergänzt. Speziell Unternehmen, die im Rahmen von Employer-of-Record-Modellen Beschäftigte über Vertragspartner im Ausland haben, sollten aufhorchen: Nach Auffassung der BA droht nun auch in Fällen, in denen diese Arbeitnehmer ausschließlich im Ausland tätig sind, die Gefahr einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung.

Bislang galt, dass die Zusammenarbeit beim Employer of Record (EOR) dann nicht dem Anwendungsbereich des AÜG unterfiel, wenn die Arbeitnehmer ausschließlich im Ausland tätig wurden und der Vertragspartner ebenfalls im Ausland saß. Wenn die Mitarbeitenden, die über ein EOR beschäftigt sind, im Ausland arbeiten, aber virtuell zum Beispiel in Meetings für ein in Deutschland ansässiges Unternehmen tätig sind, könnte dies als illegale Arbeitnehmerüberlassung gelten, sofern keine entsprechende Erlaubnis vorliegt.

Es drohen empfindliche Strafen

Arbeitsrechtler warnen bereits vor den Folgen: So rät die renommierte Kanzlei Noerr Unternehmen mit Auslandsbezug, ihre Verträge dringend zu überprüfen. „Erfolgt eine nach deutschem Recht zu beurteilende Arbeitnehmerüberlassung ohne die notwendige Erlaubnis, drohen dem Einsatzunternehmen zum einen ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro je Einzelfall“, schreibt Noerr-Arbeitsrechtler Yannick Bähr in einem Kommentar.

Er hält die Neuregelung zumindest in Teilen für rechtlich fragwürdig: „Eine gesetzliche Grundlage fehlt. Wenn die BA dies mit dem Schutz des Teilarbeitsmarkts Arbeitnehmerüberlassung begründet, lässt dies eher auf die Sorge vor Kontrollverlust schließen als auf einen gesetzlichen Auftrag oder ein praktisches Bedürfnis.“ Wie absurd diese Auffassung der BA sei, zeige sich auch daran, „dass Auftragnehmer außerhalb der EU/EWR nicht einmal eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis beantragen können.”

Kettenverleih und Branchenverbote

Neben der Ausweitung der Anwendbarkeit auf im Ausland tätige Arbeitnehmerinnen und -nehmer enthält die neue Fassung der AÜG-Weisungen noch weitere Änderungen und Klarstellungen, beispielsweise zum sogenannten Kettenverleih. Dieser liegt vor, wenn ein Entleiher die ihm überlassenen Arbeitnehmer an einen Dritten weiterverleiht. Solche Konstellationen sind nach den neuen Weisungen streng untersagt und können ebenfalls empfindliche Strafen nach sich ziehen. Der Kettenverleih führt dazu, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Arbeitnehmer als unwirksam gilt, wenn keine entsprechende Erlaubnis vorliegt.

Besonders strenge Regelungen gelten in der Fleischwirtschaft. Bereits seit 2021 ist es hier grundsätzlich verboten, Leiharbeitnehmer einzusetzen. Bis zum 1. April 2024 galt noch eine Ausnahmeregelung für saisonale Spitzen in der Fleischverarbeitung. Diese Ausnahme läuft jedoch aus, sodass seit April dieses Jahres die Leiharbeit in der gesamten Fleischwirtschaft verboten ist. Dies betrifft vor allem Betriebe, die bisher Leiharbeitnehmer zur Deckung von Auftragsspitzen eingesetzt haben und sich nun nach Alternativen umsehen müssen.

Unterschiede zwischen Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung

In den neuen Weisungen werden auch die Abgrenzungskriterien zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werk- oder Dienstverträgen detailliert dargelegt. Diese Unterscheidung ist insbesondere für Unternehmen wichtig, die Personal über Dienstleister beschäftigen. Bei Werkverträgen ist der Auftragnehmer für das Endergebnis verantwortlich und arbeitet eigenständig. Bei der Arbeitnehmerüberlassung hingegen werden die Mitarbeitenden direkt in den Betrieb des Auftraggebers integriert und folgen dessen Anweisungen.

Um Missbrauch zu verhindern, schreibt die BA vor, dass die Überlassung von Arbeitnehmern als solche klar im Vertrag benannt und die Person des Leiharbeitnehmers konkretisiert werden muss. Dies gilt auch für bestehende Verträge, die nach dem 1. April 2017 fortgeführt werden: Sie müssen rückwirkend angepasst werden, um den neuen Vorgaben zu entsprechen.

Info

Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.