Jede und jeder soll einen Anspruch auf Homeoffice und flexible Arbeitszeiten haben! Das zumindest möchte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) einführen. Im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichts der Bundesregierung, die dem Handelsblatt vorliegt, plädiert er dafür, einen Rechtsanspruch auf flexibles Arbeiten prüfen zu lassen.
Der Vorschlag ist Teil eines Maßnahmenkatalogs, den das Wirtschaftsministerium erstellt hat, um „Bürger angesichts des demografischen Wandels zu mehr Arbeit zu motivieren“. Durch den Anspruch auf flexibles Arbeiten wolle man vor allem mehr Mütter in den Arbeitsmarkt integrieren.
Erörterungsanspruch steht bereits im Koalitionsvertrag
Der Vorschlag klingt nicht neu, gingen doch Anfang 2022 Entwürfe des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD) durch die Presse. Er setze sich ebenfalls für einen Anspruch auf Homeoffice ein, titelten zahlreiche Medien damals. Wie eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) gegenüber unserer Redaktion sagte, habe er aber nur noch einmal für einen Erörterungsanspruch plädiert, nicht aber für ein Recht auf Homeoffice. Der Erörterungsanspruch war 2021 bereits von allen Koalitionspartnern im Koalitionsvertrag festgehalten worden.
„Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten erhalten einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice“, heißt es darin. Und weiter: „Arbeitgeber können dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen, wenn betriebliche Belange entgegenstehen. Das heißt, dass eine Ablehnung nicht sachfremd oder willkürlich sein darf.“
FDP und CDU/CSU betonten damals: Es soll bei einem Erörterungsanspruch bleiben und nicht in ein Recht auf Homeoffice umschlagen. „Die Ampel sollte die Details der betrieblichen Ausgestaltung von Homeoffice sozialpartnerschaftlichen Regelungen, etwa Betriebsvereinbarungen, überlassen“, sagte Axel Knoerig, Chef der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Es ist wahrscheinlich, dass besagte Parteien sich auch rund zwei Jahre später erneut gegen den Anspruch auf Homeoffice stellen werden.
Für die Arbeitgeber ist klar: Solch eine Regelung braucht es nicht
Derweil wundern sich viele Arbeitgeber darüber, dass Habeck erneut die Debatte um einen Homeoffice-Anspruch ausrollt. „Habecks Forderung ist völlig aus der Zeit gefallen“, sagt Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Sogenannte Werkstattgespräche unter Federführung des Bundesarbeitsministeriums hätten bereits gezeigt, dass ein gesetzlicher Anspruch auf mobile Arbeit die Wirklichkeit in den Betrieben nicht nötig ist.
Das sagt auch das BMAS: Das Ministerium habe mit zahlreichen Stakeholdern, insbesondere mit Vertretern der Sozialpartner, mögliche Anpassungen des Rechtsrahmens für mobile Arbeit im Rahmen des Dialogprozesses Politikwerkstatt „Mobile Arbeit“ umfassend diskutiert. „Neben rechtlichen Aspekten wurden auch technische, organisatorische, soziale und unternehmenskulturelle Fragestellungen diskutiert“, sagt eine BMAS-Sprecherin gegenüber unserer Redaktion. „Diese Erkenntnisse fließen in die weitere Umsetzung des Koalitionsvertrages ein. Dabei soll Raum bleiben für die unterschiedlichen tarifvertraglichen und betrieblichen Regelungen, die in der Praxis vielfach erfolgreich implementiert wurden.“
Das BMAS und die Arbeitgeber scheinen hier auf einer Wellenlänge zu sein: „Mobile Arbeit gehört für viele Beschäftigte seit Jahren zum Arbeitsalltag. In der Regel wird diese Frage im guten Einvernehmen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geregelt“, sagt Kampeter. „Gesetzliche Zwangsregelungen gefährden die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten – und bringen nur noch mehr Bürokratie.“
Wie weit ist das Homeoffice verbreitet?
Doch wie steht es wirklich um die Akzeptanz von Homeoffice in Deutschland? Wie viele Unternehmen genau ihren Mitarbeitenden aktuell das Arbeiten von zu Hause verweigern, obwohl es mit den Anforderungen an den jeweiligen Job vereinbar wäre, ist unklar. Laut dem ifo Institut sind im Herbst 2023 rund 25 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihrer Tätigkeit teilweise aus dem Homeoffice nachgegangen. Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der Königsteiner Gruppe zeigen zudem: Einige Beschäftigte arbeiten seltener im Homeoffice als im Jahr 2022 (31 Prozent). 29 Prozent hätten die Anweisung von ihrem Arbeitgeber erhalten, ihre Zeit im Homeoffice zu reduzieren. Bei 14 Prozent der Befragten wurde die Möglichkeit zum Homeoffice gestrichen.
Zustimmung für seinen Plan könnte Habeck, wenn man einer anderen Befragung glaubt, auch von großen Teilen der Bevölkerung erhalten. Laut der „State of Hybrid Work“-Studie aus dem Jahr 2023 von Owl Labs, einem US-amerikanischen Anbieter von Videokonferenztechnologie, sprechen sich 61 Prozent der Vollzeitbeschäftigten für einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice aus. Was aber, wenn wider Erwarten doch ein Recht auf Homeoffice eingeführt wird? Wir haben bei Volker Serth, Leiter der Arbeitsrechtspraxis der Kanzlei FPS, nachgefragt.
Personalwirtschaft: Herr Serth, welche arbeitsrechtlichen Auswirkungen hätte ein Recht auf Homeoffice?
Volker Serth: Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Homeoffice hätte arbeitsrechtlich insbesondere Auswirkungen auf arbeitsschutzrechtliche und datenschutzrechtliche Aspekte. Zum einen ist es dem Arbeitgeber nur in Ausnahmefällen oder mit Zustimmung des Arbeitnehmers möglich, den Arbeitsplatz im Homeoffice auf eventuell gegebene Gefahrenquellen hin zu kontrollieren und entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus bedarf es bezüglich des Datenschutzes besonderer technischer Vorkehrungen, um die bereits bestehenden rechtlichen Regelungen im Umgang mit sensiblen Daten einzuhalten. In der Folge wäre jeder Arbeitgeber dazu verpflichtet, die entsprechenden Maßnahmen zum Schutz seiner Mitarbeiter vorzunehmen.
Müsste der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin im Falle eines Rechts auf Homeoffice Arbeitsnachweise erbringen?
Nach ständiger Rechtsprechung gilt folgendes: Wenn der Arbeitgeber daran zweifelt, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht erfüllt, muss er die Nichterfüllung dessen Arbeit beweisen. Diese Beweislastregelung bezieht sich allerdings lediglich auf eine Arbeit im Betrieb des Arbeitgebers. Überträgt man diese Maßstäbe auch auf eine Tätigkeit im Homeoffice, stellt sich für den Arbeitgeber das Problem, dass eine vollumfängliche Abbildung des Arbeitstages seiner Arbeitnehmer im Homeoffice wohl kaum möglich sein dürfte. Eine Zeiterfassung der gearbeiteten Stunden im Homeoffice erfolgt immer auf Vertrauensbasis und auch eine Beurteilung anhand übersandter Arbeitsergebnisse lässt kaum einen Schluss auf die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit zu. Der Arbeitnehmer ist nicht dazu verpflichtet, Arbeitsnachweise vorzulegen – bisher auch nicht im Homeoffice.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.