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EuGH-Urteil zur Massenentlassungsanzeige

Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten, die innerhalb eines Monats eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitenden entlassen wollen, sind gemäß Paragraf 17 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zu einer sogenannten Massenentlassungsanzeige verpflichtet. Das bedeutet: Der Arbeitgeber muss im Vorfeld der Kündigungen der zuständigen Arbeitsagentur verschiedene Informationen zukommen lassen, unter anderem zur Anzahl der von der Kündigung betroffenen Mitarbeiter und zu den Gründen für die geplanten Entlassungen. Auch der Betriebsrat ist vorab entsprechend zu informieren. Fehler in diesem vorgeschriebenen Verfahren konnten bisher dazu führen, dass die beabsichtigten Kündigungen unwirksam waren. Ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs stellt diese Rechtsfolge nun infrage.

EuGH: Massenentlassungsanzeige gewährt Arbeitnehmern keinen Individualschutz

Der EuGH entschied: Die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Behörden in einem frühen Stadium beabsichtigter Massenentlassungen Informationen darüber mitzuteilen, habe nicht den Zweck, den Arbeitnehmern Individualschutz zu gewähren. Diese Mitteilung erfolge nur zu Informations- und Vorbereitungszwecken und ermögliche es der zuständigen Behörde lediglich, sich einen Überblick über die Gründe sowie die Folgen der geplanten Entlassungen zu verschaffen. Das heißt: Nach EuGH-Ansicht macht ein Fehler bei der Massenentlassungsanzeige die Kündigungen nicht zwangsläufig unwirksam.


Der EuGH argumentierte unter anderem damit, dass der zuständigen Behörde im Verfahren der Konsultation der Arbeitnehmervertreter keine aktive Rolle zugewiesen werde. Die Arbeitsagentur sei nur die Adressatin einer Abschrift bestimmter Bestandteile der fraglichen Mitteilung, im Gegensatz zu ihrer aktiven Rolle in späteren Abschnitten des Verfahrens. Die fragliche Übermittlung setze weder eine vom Arbeitgeber einzuhaltende Frist in Gang noch schaffe sie eine Verpflichtung für die zuständige Behörde. Daher erfolge, so der EuGH, die Übermittlung nur zu Informations- und Vorbereitungszwecken, damit die zuständige Behörde gegebenenfalls ihre weiteren Befugnisse wirksam ausüben kann.

BAG fragte beim EuGH an

Anlass für die EuGH-Entscheidung war eine Anfrage des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Ein Arbeitnehmer, dem im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt werden sollte, hatte einen Formfehler geltend gemacht. Der zuständigen Arbeitsagentur sei keine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat übermittelt worden, obwohl dies eine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Entlassung darstelle, so der Kläger.

Eine solche Abschrift der Arbeitsagentur zukommen zu lassen, ist für Arbeitgeber gemäß Paragraf 17 Abs. 3 KSchG verpflichtend. Da jedoch keine ausdrückliche Sanktion für einen solchen Verstoß vorgesehen ist, hegte das BAG Zweifel, ob der Verstoß zwangsläufig zur Nichtigkeit einer Kündigung führt.

Folgen für die Praxis

Zu den möglichen Auswirkungen des EuGH-Urteils erklärt Dr. Boris Alles, Rechtsanwalt und Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland, es sei zu erwarten, dass das BAG jetzt seine Rechtsprechung ändert. „Während das BAG bei Fehlern im Konsultations- oder Anzeigeverfahren bislang die Unwirksamkeit von Kündigungen angenommen hat, wurde durch die Entscheidung des EuGH nun klargestellt, dass jedenfalls die Pflicht des Arbeitgebers zur Zuleitung des Konsultationsschreibens an die Agentur für Arbeit keinen Individualschutz gewährt“, so Alles. Seiner Meinung nach bringt die neue Entscheidung aus Luxemburg eine längst überfällige Erleichterung für die Arbeitgeber.

Info

ist freier Journalist aus Biberach/Baden und schreibt regelmäßig News und Artikel aus dem Bereich Arbeitsrecht.

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