Das Bundesarbeitsgericht hatte am Donnerstag darüber zu entscheiden, ob eine Rückgruppierung mehrerer freigestellter Betriebsräte bei der Volkswagen AG rechtens war. Allerdings wurde kein abschließendes Urteil gefällt. Die Frage, ob die faktische Kürzung der Vergütung zulässig gewesen ist, muss nun stattdessen das Landesarbeitsgericht Niedersachsen klären.
Die Richterinnen und Richter in Erfurt stellten klar, dass es Sache des Arbeitgebers sei, „darzulegen und zu beweisen“, dass eine frühere „Vergütungserhöhung objektiv fehlerhaft war“.
Hintergrund für den Rechtstreit ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2023 (Urteil vom 10. Januar 2023, Az. 6 StR 133/22). Der hatte seinerzeit geurteilt, Manager und Managerinnen könnten sich wegen Untreue strafbar machen, wenn „unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot (§ 78 Satz 2 BetrVG) einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt“ werde. Nachdem VW daraufhin als Reaktion – also um strafbare Handlungen des Vorstands zu verhindern – mehreren freigestellten Arbeitnehmervertretern die Vergütung kürzte und sie in niedrigerer Entgeltgruppen einstufte, klagten diese.
Zuvor hatten sich Konzerne bei der Entgeltbemessung für freigestellte Betriebsräte, die ja ihrem ursprünglichen Job zeitweilig nicht mehr nachgehen, am Konzept der so genannten hypothetischen Karriere orientiert. Das heißt, so steht es auch in § 37 Absatz 4 BetrVG, deren Vergütung darf „nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung“. Zugleich dürfen sie, weil Betriebsratsarbeit per se ein Ehrenamt ist, weder begünstigt noch benachteiligt werden (§ 78 BetrVG).
Konzern reagiert auf BGH-Urteil mit Entgeltkürzung
In einem der insgesamt gut 20 anhängigen VW-Fälle vor dem obersten deutschen Arbeitsgericht ging es um einen Kfz-Mechaniker und Industriemeister, der seit 1984 im Konzern arbeitet und zuletzt 2002 als Anlagenführer tätig war. Vor seiner Wahl in den Betriebsrat wurde der Mann nach Entgeltgruppe (EG) 13 bezahlt. Im Laufe der Zeit erhöhte das Unternehmen den Lohn des mittlerweile freigestellten Betriebsratsmitglieds dann in mehreren Schritten entsprechend der Entwicklung mit ihm vergleichbarer Arbeitnehmer bis auf zuletzt EG 20.
Nach dem BGH-Entscheid prüfte VW dann die Eingruppierungen der freigestellten Arbeitnehmervertreter und gruppierte den Mann nur noch in EG 18 ein. Zudem forderte der Konzern von ihm eine mutmaßliche „Überzahlung“ von insgesamt gut 2.600 Euro brutto für die Monate Oktober 2022 bis Januar 2023.
Vorinstanzen sahen keine Grundlage für Rückstufung
Das Betriebsratsmitglied wiederum verlangte seinerseits diesen Betrag zurück und wollte festgestellt wissen, dass ihm weiterhin eine Bezahlung nach EG 20 zustehe. VW dürfe, so war laut BAG sein Argument mit Verweis auf die hypothetische Karriere, ihn „nicht einseitig zurückstufen“.
Das sahen in der Folge sowohl das Arbeitsgericht Braunschweig als auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen ähnlich. So entschied die Kammer in Hannover, der Vergütungsanspruch des Mannes sei „begründet“, da er „die Voraussetzungen für eine hypothetische Karriereentwicklung dargelegt und VW diese nicht ausreichend bestritten“ habe.
Mit seiner Revision verlangte der Konzern laut Gericht nun erneut „die vollständige Abweisung der Klage“. Zugleich erklärte der Konzern im Vorfeld der Verhandlungen nach Angaben der F.A.Z., man begrüße die „bevorstehende Grundsatzentscheidung“, da der Richterspruch dazu beitrage „für Klarheit zu sorgen“.
Knackpunkt: Beweislast
Dazu ist es nun nicht gekommen. Denn der Siebte Senat wies die Causa an das Landesarbeitsgericht in Niedersachsen zurück. Die Richterinnen und Richter stellten klar, „für das Vorliegen der Voraussetzungen“ einer Gehaltsanpassung in Rahmen einer angenommenen Karriereentwicklung sei zwar „grundsätzlich das Betriebsratsmitglied darlegungs- und beweisbelastet“. Korrigiere ein Unternehmen jedoch – wie im Streitfall – „eine mitgeteilte und gewährte Vergütungserhöhung, die sich für das Betriebsratsmitglied als Anpassung seines Entgelts entsprechend § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darstellen durfte, hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass die Vergütungserhöhung objektiv fehlerhaft war“.
Da das Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung demgegenüber „die Darlegungs- und Beweislast bei dem Kläger gesehen“ habe, konnte das BAG eigenen Worten zufolge „nicht abschließend“ urteilen. Erst wenn VW „die Fehlerhaftigkeit der Vergütungsanpassung darzulegen und ggf. zu beweisen vermag“, könne das LAG über die Ansprüche des Mannes befinden.
Der Senat betonte zudem, § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG enthalte „keine abschließende Regelung über die Höhe des Arbeitsentgelts des Amtsträgers“. Das sei auch durch das BGH-Urteil „nicht in Frage gestellt“.
Reaktionen der Betriebsparteien
Von Seiten der Betriebsparteien gab es am Donnerstag überwiegend positive Reaktionen auf die Urteile: Ein Sprecher des VW-Gesamtbetriebsrates sagte, die „Entscheidungen aus Erfurt werden nun hoffentlich helfen, endlich wieder Rechtssicherheit und Klarheit für alle Betroffenen herzustellen – auch für diejenigen, die den Klageweg noch nicht beschreiten mussten“. Bei der Vergütung von Betriebsräten müsse „es fair zugehen, ansonsten wird die Mitbestimmung zur beruflichen Sackgasse“.
VW selbst ließ mitteilen, „dass durch diese Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ein erster wichtiger Beitrag für die Klärung einer Vielzahl grundsätzlicher, bislang nicht durch das Bundesarbeitsgericht entschiedener Rechtsfragen in diesem komplexen Rechtsgebiet geleistet wird“.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. März 2025, Az.: 7 AZR 46/24 (u.a.)
Vorinstanzen:
- Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 8. Februar 2024, Az. 6 Sa 559/23.
- Arbeitsgericht Braunschweig, Urteil vom 5. Juli 2023, Az. 3 Ca 138/23.
Info
§ 37 Betriebsverfassungsgesetz (Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis) besagt unter anderem:
(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.
(…)
(4) 1 Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. 2 Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers. 3 Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. 4 Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. 5 Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.
Frank Strankmann ist Redakteur und schreibt off- und online. Seine Schwerpunkte sind die Themen Arbeitsrecht, Mitbestimmung sowie Regulatorik. Er betreut zudem verantwortlich weitere Projekte von Medienmarken der F.A.Z. Business Media GmbH.

