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Offen für mobile Arbeit

Anwalt tippt auf virtuelles Paragrafenzeichen
Festangestellte Remote Worker haben die gleichen Rechte und Pflichten wie alle Arbeitnehmer. Foto: © MK-Photo, Adobe Stock

Remote Work ist arbeitsrechtlich nicht geregelt – aber auch nicht verboten. Der Gesetzgeber hat Jahrzehnte gebraucht, um der Welt mit § 611a BGB zu zeigen, was er unter einem Arbeitsvertrag versteht – und diese Vorgaben gelten auch für „Fernarbeit“: „Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann“.

Das Sozialgesetzbuch (SGB) IV legt nach: „Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“ Spätestens jetzt kommt die Frage auf: Wie passt Remote Work ins Arbeitsrecht? Nun, die Antwort ist verblüffend einfach: wie alle anderen Beschäftigungsformen auch. Und was nicht passt, wird passend gemacht.

Arbeitgeber und Personaler können festlegen, welche Arbeitsbereiche und -aufgaben in ihrem Betrieb für Remote Work tauglich sind. Danach müssen die Partner des Arbeitsvertrags sich darüber einig werden, dass der Mitarbeiter von Zuhause, ausgewählten Standorten oder ei-nem beliebigen Ort der Welt seine fremdbestimmte Arbeit leistet. Einseitig anordnen dürfen Arbeitgeber das jedoch nicht. Das LAG Berlin-Brandenburg sagt: „Der Arbeitgeber ist nicht al-lein aufgrund seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts berechtigt, dem Arbeitnehmer Tele-arbeit zuzuweisen“ (Urteil vom 14.11.2018 – 17 Sa 562/18 – Leitsatz).

Ein fairer Remote Work-Arbeitsvertrag muss unter anderem Antworten auf folgende Fragen liefern:

  • Wer trägt die sächlichen Kosten der Fernarbeit?
  • Welche Anforderungen hat der Remote Arbeitsplatz zu erfüllen?
  • Welche Freiräume lässt das Weisungsrecht?
  • Gibt es Tage mit Präsenzpflicht im Betrieb oder bei Kunden?
  • Wie erfolgt der Informationsaustausch zwischen Arbeitgeber/Arbeitnehmer/Kollegen?
  • Welche Sicherheitsstandards gelten für die Datenverarbeitung?
  • Gibt es Tageszeiten, zu denen der Mitarbeiter in jedem Fall online sein muss?
  • Wie dokumentiert der Remote Worker Arbeitszeit und Tätigkeit?
  • Wie ist die – interne/externe – Fortbildung des Remote Workers sichergestellt?
  • Gibt es ein Recht auf Rückkehr in den Arbeitgeberbetrieb ?

Und darüber hinaus? Es empfiehlt sich ein Blick auf § 2 Nachweisgesetz (NachwG). Danach gehören zu den wesentlichen Bedingungen eines (Remote-)Arbeitsvertrags unter anderem:

  • „eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit“
  • „die Zusammensetzung und … Höhe des Arbeitsentgelts“
  • „die vereinbarte Arbeitszeit“
  • „die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs“
  • „die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses“

Soweit es das Arbeitsrecht betrifft: Remote Worker haben die gleichen Rechte und Pflichten wie alle Arbeitnehmer – nur eben keinen festen Arbeitsplatz im Arbeitgeberbetrieb. Sie können in Vollzeit oder Teilzeit remote arbeiten, befristet oder unbefristet eingestellt werden. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) gilt auch für sie. Schwerbehinderte Fernarbeiter ge-nießen den besonderen SGB-IX-Kündigungsschutz. Schwangere Remote Worker sind durch das Mutterschutzgesetz (MuSchG) abgesichert.

Ein besonderes Problem ist das Arbeitszeitrecht. Remote Worker haben ein hohes Maß an Zeitsouveränität und laufen Gefahr, sich gewissermaßen selbst ausnutzen. Sie können – wenn es der Job zulässt – zu Zeiten arbeiten, an denen ihre Inhouse-Kollegen bereits im Bett liegen oder von Rechts wegen gar nicht arbeiten dürfen, zum Beispiel an Sonn- und Feiertagen. Es muss sichergestellt sein, dass die Regeln des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) eingehalten wer-den.


Betriebsverfassungsrechtlich können Ein- und Durchführung von Remote Work Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auslösen.
Eine Betriebsvereinbarung kann sogar eine verlässli-che Rechtsgrundlage für Remote Work sein. Heimarbeiter – und das gilt erst recht für mobile Remote Worker – sind aber nur dann Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG), wenn sie „in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten.“

Zurzeit sind wir noch weit von einer mobilen Online-Arbeitskultur entfernt. Das sollte jedoch nicht dazu verleiten, sich an überkommenen Strukturen festzuklammern. Mit dem vorhande-nen arbeitsrechtlichen Instrumentarium lässt sich Remote Work durchaus kreativ gestalten.

Von: Dr. Heinz J. Meyerhoff, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Sozialrecht, Greven

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