Derzeit informieren viele Arbeitgeber ihre Angestellten darüber, dass sie bitte bis zum Jahresende (beziehungsweise in einigen Fällen bis Ende März 2025) noch offenen Resturlaub nehmen sollen, da dieser sonst verfällt. Es gibt zwar keine festgelegte Frist für diese Erinnerung, aber die meisten Unternehmen weisen ihre Mitarbeitenden jetzt im Herbst auf den möglichen Verfall von Urlaubsansprüchen hin. Noch ist genug Zeit, dass der Urlaub vor Jahresende überhaupt noch genommen werden kann.
Für diese Nachricht an die Mitarbeitenden gibt es gute Gründe: In einem Urteil vom 20. Dezember 2022 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) ausdrücklich festgelegt, dass ein solcher Hinweis erfolgen muss. Falls die Unternehmen sich nicht daran halten, verfällt der Urlaub eben nicht am 1. April des Folgejahres, geschweige denn am Jahresanfang.
Die Entscheidung basiert auf dem Fall einer Steuerfachangestellten, die über Jahre hinweg aufgrund hoher Arbeitsbelastung 101 Urlaubstage angesammelt hatte. Ihr Arbeitgeber war der Meinung, dass diese verfallen und verjährt seien. Die Frau klagte dagegen – und erhielt vor dem BAG Recht (BAG – 9 AZR 266/20).
Vorherige Entscheidung des EuGH
Das BAG folgte mit diesem Urteil einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dort ging es um den Mitarbeiter der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der dort befristet beschäftigt war. Die MPG hatte den Mann gebeten, seinen Urlaub vor Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen, ohne ihn jedoch zu verpflichten, dies zu einem von ihr festgelegten Termin zu tun.
Nachdem der Mitarbeiter vergeblich die MPG nach Ende seiner Beschäftigung aufgefordert hatte, 11.979 Euro für nicht genommene Urlaubstage zu zahlen (der Mann hatte über 50 angesammelt), erhob er Klage, die letztendlich vom EuGH (C-684/16) zugunsten des Mitarbeiters entschieden wurde. Nach diesem EuGH-Urteil sah sich auch die deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit gezwungen, ihre bisherige Rechtsprechung anzupassen und Unternehmen zu verpflichten, ihre Mitarbeiter ausdrücklich auf den Verfall von Resturlaub hinzuweisen.
Es gibt Ausnahmen von der Regel
Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass Beschäftigte bei Langzeiterkrankungen ihren Urlaubsanspruch verlieren, selbst wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungs- und Hinweispflicht nicht erfüllt und die betroffene Person auf eine mögliche Verfallsfrist hingewiesen hat.
Der Urlaub verfällt dann, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. Denn dann hätte auch eine ordnungsgemäße Belehrung durch den Arbeitgeber nichts zur Inanspruchnahme des Urlaubs beitragen können. Auch in der Elternzeit gibt es Ausnahmen, allerdings zugunsten der Arbeitnehmer: Hier gilt, dass der vor Mutterschutz und Elternzeit bestehende Urlaub nicht verfällt. Der Resturlaub kann nach der Rückkehr genommen werden.
Es kommt auch auf die Form an
Bei der Wahl der Mittel sind die Unternehmen relativ frei: Der Hinweis an die Mitarbeitenden sollte idealerweise schriftlich erfolgen, die Papierform ist allerdings nicht nötig. E-Mail, SMS oder Whatsapp sind ausreichend. Wichtig ist, dass der Mitarbeitende ausdrücklich aufgefordert wird, den Urlaub noch bis zum Jahresende oder spätestens bis zum 31. März 2025 zu nehmen. Ausnahmen: Wenn der Urlaub aus betrieblichen oder personenbedingten Gründen nicht mehr bis zum Ende des laufenden Jahres genommen werden kann oder den Mitarbeitern eine Übertragung auf das Folgejahr bereits zugesagt wurde, ist eine Erinnerung nicht nötig.
Eine allgemeine E-Mail der Personalabteilung reicht übrigens nicht aus, erklärt Rechtsanwältin und Notarin Michaela Maria Bahlmann: „Der Chef oder die Chefin muss jeder und jedem Beschäftigten individuell seine offenen Urlaubstage erläutern. Der Arbeitgeber kann sich auch nicht auf die Verjährung nach drei Jahren aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch berufen, noch auf den Verfall des Urlaubs spätestens zum 31. März des Folgejahres, der sich aus dem Bundesurlaubsgesetz ergibt.“ Es reicht also nicht, nur im Arbeitsvertrag oder im Intranet auf die Verfallfrist hinzuweisen.
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.

