Welchen Einfluss hat der Shutdown auf die Regeln, seinen Resturlaub mit ins neue Jahr zu nehmen?
Der pandemiebedingte Shutdown hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Regeln zur Übertragung von Urlaub ins Folgejahr. Ein „Recht auf Übertragung“ des Urlaubs besteht, wenn der Urlaub aus „dringenden betrieblichen Gründen“ oder aus solchen „in der Person des Arbeitnehmers“ (zum Beispiel Krankheit) nicht genommen werden konnte; dann erfolgt die Übertragung automatisch bis zum 31. März 2021, sonst verfällt er zum Ende des Jahres 2020.
Der Shutdown kann aber bei manchen Arbeitgebern genau dazu führen, dass solche „dringenden betrieblichen Gründe“ vorliegen, wenn zum Beispiel der Arbeitsbedarf aufgrund der Pandemie höher ist als sonst oder etwa durch infektionsbedingte Krankheiten Personalengpässe entstehen. Kurzarbeit an sich ist dagegen kein solcher Grund zur Übertragung von Resturlaub, denn auch der Arbeitnehmer in Kurzarbeit kann bezahlten Urlaub nehmen – auch wenn dies aufgrund der Reisebeschränkungen manchem unattraktiv erscheint.
Dürfen Eltern Resturlaub mit ins neue Jahr nehmen, um bei einem möglichen neuen Lockdown die Betreuung ihrer Kinder gewährleisten zu können?
Mit dieser Begründung ist eine Übertragung von Urlaub durch den Arbeitnehmer ohne Zustimmung des Arbeitgebers nicht möglich. Aber nicht wenige Arbeitgeber handeln hier mit Augenmaß und vereinbaren, dass der Urlaub nicht bereits bis zum Jahresende, sondern erst im kommenden Jahr genommen werden muss, sprich erst später (zum Beispiel bis zum 31. März des Folgejahres) verfällt. Eine solche Abweichung vom Bundesurlaubsgesetz zugunsten des Arbeitnehmers ist zulässig.
Jedoch könnten Eltern zumindest bis zum Ende der Wintermonate (31. März 2021) im Falle behördlich angeordneter Kita-/Schulschließungen beziehungsweise Verhängung von Quarantäne für einzelne Klassen einen Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz haben. Voraussetzung ist, dass sie wegen der erforderlich werdenden Betreuung ihres unter zwölfjährigen Kindes von der Arbeit fernbleiben müssen und dadurch einen Verdienstausfall erleiden. Diese gesetzliche Verlängerung über den 31. Dezember 2020 hinaus ist bereits in Kraft. Daher sollten Arbeitgeber prüfen, ob sie einer Verschiebung des Verfalls von Urlaub über das Jahresende zustimmen.
Viele Unternehmen werden wohl auch in 2021 weiter Kurzarbeit anmelden. Müssen dafür Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr 2020 genommen werden?
Voraussetzung für Kurzarbeitergeld ist nach § 96 Abs. 1 und 4 SGB III, dass der Arbeitsausfall „nicht vermeidbar“ ist, etwa durch die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub (soweit vorrangige Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen). Zwar hat die Bundesagentur für Arbeit wissen lassen, in Corona-Zeiten werde bis 31. Dezember 2020 darauf verzichtet, dass vor Kurzarbeit sämtliche Urlaubstage aus 2020 vorrangig einzubringen sind. Damit sollte insbesondere Eltern ermöglicht werden, flexibel auf Kita-/Schulschließungen zu reagieren und die Betreuung ihrer Kinder sicherzustellen. Nur Resturlaubsansprüche aus 2019 waren zu nehmen.
Derzeit ist unklar, wie dies von der Bundesagentur für Arbeit in 2021 gehandhabt werden wird. Immerhin hat der Gesetzgeber in der Zwischenzeit den Verdienstausfall für betreuende Eltern (zumindest bis 31. März 2021) geregelt und ist die Situation heute eine andere als im Frühjahr 2020. Da es sich bei solchen Äußerungen der Bundesagentur für Arbeit zudem um bloße Leitlinien handelt, der Gesetzgeber hier aber bisher keine expliziten Regelungen geschaffen hat, raten wir dazu, dass Urlaub für 2020 möglichst abgebaut wird, wenn im Jahr 2021 Kurzarbeit genutzt werden soll.
Im Zusammenspiel von Kurzarbeit und Urlaub bleibt daher auch an dieser Stelle vieles ungeklärt, wie etwa auch die Frage zur Kürzung von Urlaubsansprüchen bei lang andauernder Kurzarbeit Null.
Gilt der Verfall von Urlaub zum Jahresende, beziehungsweise wenn dieser nicht genommen werden konnte, zum 31. März 2021 denn in jedem Fall?
Arbeitgeber können mit Arbeitnehmern längere Übertragungszeiträume vereinbaren. Wichtig ist aber vor allem, dass sich der Arbeitgeber aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auf den Verfall des gesetzlichen Urlaubs nicht immer berufen kann. Dieser verfällt nämlich nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret und rechtzeitig auf die Anzahl der ihm zustehenden Urlaubstage, den möglichen Verfall und die Erforderlichkeit der Urlaubnahme im laufenden Kalenderjahr hingewiesen hat. Das haben auch im Jahr 2020 viele Arbeitgeber nicht getan. Die Arbeitnehmer können dann diesen Anteil des Urlaubs noch im Jahr 2021 fordern.
Falls der Urlaub nicht genommen werden kann – beispielsweise aus dringenden betrieblichen Gründen – welche Möglichkeiten der Abgeltung gibt es?
Im laufenden Arbeitsverhältnis kann gesetzlicher Urlaub nicht wirksam abgegolten werden, denn der Urlaub soll zur Erholung tatsächlich genommen werden. Eine Abgeltung ist gesetzlich nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen, wenn der Urlaub wegen der Beendigung nicht mehr gewährt werden kann. Dagegen können Arbeitgeber vereinbaren, vertraglichen Mehrurlaub auch im bestehenden Arbeitsverhältnis abzugelten (sofern Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge dem nicht entgegenstehen). Einseitig verlangen können eine Abgeltung weder Arbeitgeber von ihren Arbeitnehmern noch können Arbeitnehmer eine solche Zahlung statt Urlaub fordern.
Die Fragen beantworteten Dr. Martin Lüderitz und Dr. Elisabeth Sechtem, beide Arbeitsrechtler bei der Kanzlei Addleshaw Goddard (Germany) LLP, Hamburg.
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.