Wir haben für Teil 33 unserer Kolumne „So ist’s Arbeitsrecht“ bei Katrin Scheicht, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Kanzlei Pusch Wahlig Workplace Law, nachgefragt, was erlaubt ist und was nicht.
Personalwirtschaft: Welche Informationen dürfen Arbeitgeber über Arbeitnehmer an Dritte herausgeben?
Katrin Scheicht: Ob und welche Informationen ein Arbeitgeber über Arbeitnehmer weitergeben darf, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Mit dem Einverständnis des Arbeitnehmers dürfen alle Informationen weitergegeben werden, die von dem Einverständnis umfasst sind.
Und ohne Einverständnis beziehungsweise ohne Kenntnis des Arbeitnehmers?
Gegen den Willen des betroffenen Arbeitnehmers dürfen nach der Rechtsprechung nur die Informationen geteilt werden, die den Angaben im Arbeitszeugnis entsprechen. Darüber hinaus dürfen allenfalls solche Auskünfte erteilt werden, die Leistung und Verhalten während des Arbeitsverhältnisses betreffen und dies auch nur dann, wenn ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers besteht. Anderenfalls liegt ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers vor.
Wann überwiegt denn das Interesse des künftigen Arbeitgebers die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers?
Einen Katalog von konkreten Fällen gibt es leider nicht. Bislang wurde das überwiegende Interesse Dritter in den meisten Fällen abgelehnt. Insbesondere dann, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine künftige Wiederholung eines Fehlverhaltens existieren und auch kein Schaden eingetreten ist. Ein Indiz für eine rechtmäßige Weitergabe ist, ob das Fehlverhalten eine erhebliche Pflichtverletzung darstellte.
Bei einer Pflichtverletzung wie Arbeitsverweigerung wäre eine Informationsweitergabe also denkbar?
Ja, wenn sie eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt hat, eine Wiederholungsgefahr besteht und/oder ein Schaden eingetreten ist, spricht dies bei einer Interessenabwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers. Wenn es aber lediglich eine Abmahnung begründen würde, wird kein überwiegendes Interesse an der Weitergabe der Informationen angenommen.
In einem aktuellen Urteil des LAG Rheinland-Pfalz ging es um falsche Informationen im Lebenslauf, die dem ehemaligen Arbeitgeber aufgefallen sind. Das sind ja weder Informationen zur Leistung, zum Verhalten oder Angaben im Arbeitszeugnis. Wie verhält es sich da?
Informationen zum Verhalten im Zusammenhang mit der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses – zum Beispiel falsche Angaben im Lebenslauf oder Aussagen in Vorstellungsgesprächen – darf gegen den Willen des Arbeitnehmers nicht weitergegeben werden. Sie wurden vor dem Arbeitsverhältnis gesammelt. Gleiches gilt für Informationen, die den Arbeitsvertrag betreffen; dieser darf ebenso wenig weitergegeben werden wie die Personalakte.
Der Arbeitgeber in dem Urteil begründete die Weitergabe darin, dass er den neuen Arbeitgeber nur warnen wollte. Ändert dieser „gute Wille“ etwas an den Vorgaben?
Nein, und das Gericht urteilte dementsprechend auch, dass der ehemalige Arbeitgeber im Unrecht ist. Es bestehen sehr hohe Anforderungen, wann das Interesse des Arbeitgebers an der Weitergabe die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers überwiegt. Im Zweifel sollten keine Informationen weitergegeben werden.
Ändert die Tatsache, dass der Arbeitnehmer sich rechtswidrig verhalten hat, etwas daran? Darf also eher weitergegeben werden, dass jemand zum Beispiel Zertifikate gefälscht hat?
Die Rechtswidrigkeit kann bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden. Wichtig ist aber auch hier im ersten Schritt, dass das rechtswidrige Verhalten wie zum Beispiel das Fälschen von Zertifikaten ein Verhalten während des Arbeitsverhältnisses gewesen sein muss.
Wie sieht es mit Informationen aus, die öffentlich sind, also zum Beispiel im Internet zu finden sind?
Die Weitergabe von öffentlich zugänglichen Informationen ist unter weniger strengen Voraussetzungen zulässig. Auch in diesem Fall ist allerdings eine Interessenabwägung erforderlich. Dabei ist vor allem relevant, ob der betroffene Arbeitnehmer Kenntnis von der Veröffentlichung hat und für wen die Informationen bestimmt waren.
Was heißt das genau?
Wurden die Informationen der betroffenen Person in deren Unkenntnis oder sogar gegen ihren Willen veröffentlicht, dürfen diese nicht ohne Weiteres weitergegeben werden. Gleiches gilt, wenn diese aus geschützten Netzwerken oder Foren stammen, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind. Sind die Informationen hingegen durch die betroffene Person selbst veröffentlicht und für jeden im Internet zugänglich, spricht dies für eine zulässige Weitergabe.
Darf ein Arbeitgeber an Dritte weitergeben, dass es mit diesem Arbeitnehmer einen Rechtsstreit gibt oder gab?
Ebenso wie im Arbeitszeugnis ein Rechtsstreit nicht erwähnt werden darf, darf die Tatsache, dass es einen Rechtsstreit gab, auch nicht auf andere Weise an Dritte weitergegeben werden. Insbesondere, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem gerichtlichen Vergleich auf ein Zeugnis geeinigt haben, darf der Arbeitgeber nicht Dritten mitteilen, das Zeugnis sei im Rahmen eines Gerichtsverfahrens oder Vergleichs erlangt worden. Diese Auskunft suggeriert, Leistung und Verhalten seien anders zu beurteilen als in dem Zeugnis beschrieben, und dies verstößt gegen den Vergleich.
Was droht, wenn ein Arbeitgeber gegen die Persönlichkeitsrechte verstößt?
Der betroffene Arbeitnehmer kann einen Unterlassungsanspruch geltend machen und gegebenenfalls auch einen Anspruch auf Richtigstellung. Wenn dem Arbeitnehmer ein Schaden entstanden ist, kann er außerdem Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld verlangen. Es besteht allerdings kein Schmerzensgeldanspruch, wenn die Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht zu einem Nachteil für den Arbeitnehmer geführt hat.
Versteckte Botschaften in Arbeitszeugnissen wie „ist sehr gesellig“ als Hinweis auf den übertriebenen Alkoholgenuss sind doch auch Informationen über den Arbeitnehmer und nicht unüblich, oder?
Ja, versteckte Botschaften in Arbeitszeugnissen sind ebenfalls Informationen über den Arbeitnehmer und nicht zulässig. Ob eine versteckte Botschaft vorliegt oder nicht, ist allerdings nicht subjektiv durch den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber zu beurteilen, sondern bestimmt sich danach, wie ein durchschnittlicher Zeugnislesers die Formulierung versteht. Im Streitfall muss das Arbeitsgericht klären, ob eine versteckte Botschaft vorliegt. Ist dies der Fall, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Berichtigung des Zeugnisses.
Gesine Wagner ist hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik und ist Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem schreibt Sie über Recruiting und Employer Branding.