Wie Transfergesellschaften beim Personalabbau helfen können

Aktuell gibt es kaum einen Tag ohne eine neue Nachricht zu Personalabbaumaßnahmen: SAP möchte weltweit 8.000 Stellen streichen, Miele 2.700. Der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen will über die nächsten sechs Jahre 12.000 Stellen abbauen, Bayer restrukturiert derweil seine komplette Führungsebene. Eine Studie der Boston Consulting Group sagte jüngst weitere Restrukturierungen voraus – insbesondere in den deutschen Schlüsselbranchen Automotive, Chemie und Immobilien. Mehr zum Thema Bayer & Co.: So gehen Konzerne beim Stellenabbau vor Schwache Konjunktur, Inflation und Digitalisierung: Zahlreiche Unternehmen wollen zukünftig Stellen streichen. Ein Überblick, wie ZF Friedrichshafen, Bayer, Bosch und VW dabei vorgehen wollen. Mehr lesen Die Gründe sind vielfältig, die Konsequenzen für die Mitarbeitenden aber schlussendlich die gleichen: Ihr Arbeitsplatz ist in Gefahr. Und zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung beginnt das Feilschen um eine möglichst sozialverträgliche Lösung. Es geht um Abfindungen, Vorruhestandsregelungen, betriebsbedingte Kündigungen. Eine weitere Option: Eine Transfergesellschaft für die betroffenen Mitarbeitenden, wo diese übergangsweise angestellt und beispielsweise mit einem Bewerbungstraining auf den neuen Job vorbereitet werden. Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen Peter Krebühl von der Kanzlei Krebühl Biere (Foto: Krebühl Biere) Viele Jahre waren es vor allem die Arbeitnehmervertretungen, die das Thema Transfergesellschaften aufs Tableau brachten. „Ich bin ein großer Freund von Transfergesellschaften“, sagt beispielsweise der Frankfurter Betriebsratsanwalt Peter Krebühl von der Kanzlei Krebühl Biere, „denn es ist eine tolle Möglichkeit, soziale Härten bei einem Personalabbau abzufedern.“ Doch das Modell hat nicht nur Vorteile. „Eine Transfergesellschaft ist komplex und muss den betroffenen Mitarbeitenden – im Gegensatz zu einer Abfindung – gut erklärt und kommuniziert werden“, erklärt Dr. Alexander Willemsen, Partner bei Oppenhoff in Köln. „Wir beobachten daher, dass viele Betriebsräte die Transfergesellschaft mittlerweile als Zugeständnis an den Arbeitgeber betrachten.“ erläutert er. Auch sonst profitiert die Arbeitgeberseite von der öffentlich geförderten Maßnahme. Sie schafft sich lästige Kündigungsschutzklagen vom Hals, denn die Mitarbeitenden müssen einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, der Kündigungsschutzklagen ausschließt. Das bedeutet eine bessere Planbarkeit für den Arbeitgeber in Bezug auf den angestrebten Personalabbau. Denn Kündigungsschutzklagen sind langwierig, teuer und haben oft einen ungewissen Ausgang. „Transfergesellschaften sind in der Restrukturierung ein wunderbares Steuerungsinstrument“, sagt Isabel Hexel, Partnerin bei Oppenhoff in Köln. Denn so kann man eine ja sowohl intern wie extern häufig unpopuläre Maßnahme elegant lösen: Ein Freiwilligenprogramm für die Einen, eine Transfergesellschaft für diejenigen, die an ersterem nicht teilnehmen. Isabel Hexel, Partnerin bei Oppenhoff in Köln (Foto: privat) Die Kosten sind ebenfalls überschaubar. Zwar stockt der Arbeitgeber unter anderem die Übergangsgehälter in der Regel auf (um welchen Faktor, ist Verhandlungssache), doch das in vielen Fällen immer noch günstiger als hohe Abfindungen oder teure Gerichtsprozesse. Und: Wird ein Arbeitnehmer über die Transfergesellschaft vermittelt, können sich Arbeitgeber das verbleibende Geld zumindest zum Teil auch von der Transfergesellschaft zurückholen. „So wird eine Transfergesellschaft meist fast kostenneutral“, sagt Dr. Burkard Göpfert, Partner der Arbeitsrechtskanzlei Kliemt in München. Dabei ist jedoch Verhandlungsgeschick geboten: „In den meisten Musterverträgen mit der Transfergesellschaft ist keine Rückzahlung der Gelder vorgesehen“, warnt Isabel Hexel, „da sollten Arbeitgeber sehr genau hinschauen.“ Schlechtes Image und rechtliche Grauzonen Nicht immer hatten Transfergesellschaften den besten Ruf. Nicht zuletzt aufgrund diverser zumindest bemerkenswerter Konstruktionen, bei denen gewerkschaftsnahe Betriebsratsanwälte selbst Besitzer oder Geschäftsführer von Transfergesellschaften waren, die sie dann bei Sozialplanverhandlungen ins Spiel brachten. Die MyPegasus um den umstrittenen Reutlinger Arbeitnehmeranwalt und Gewerkschaftssekretär Peter Hunnekuhl war einer dieser Fälle, etwas weniger skandalbehaftet war die Verbindung der Transfergesellschaft BAQ zum ehemaligen Bochumer Betriebsratsanwalt Horst Welkoborsky. Aktuell scheinen Transfergesellschaften das latente Schmuddelimage allerdings ein bisschen abgelegt zu haben. Ein Grund dafür: Sie sind in vielen schneller und transparenter geworden. Das Aufsetzen einer Gesellschaft dauert mittlerweile nur noch wenige Tage, und dank neuester Software können Kosten, Vermittlungsquote und Bedingungen in kürzester Zeit transparent zur Verfügung stehen. Dr. Burkard Göpfert, Partner der Arbeitsrechtskanzlei Kliemt in München (Foto: Kliemt) Nicht zuletzt liegt das aktuell eher positive Bild aber auch an einem etwas aufmerksameren Blick der zuständigen Arbeitsagenturen, die ja mit der Förderung der Transfergesellschaft einen großen Teil der Finanzierung der Maßnahme übernehmen. Beraterinnen und Berater berichten übereinstimmend, dass die Prüfung durch die Arbeitsagenturen strenger geworden ist, und diese im Zweifel auch die Förderung verweigern. Und dann wird es teuer. „Ohne die Förderung ist eine Transfergesellschaft eigentlich praktisch unbezahlbar”, konstatiert Dr. Burkard Göpfert von Kliemt in München. Der Arbeitsplatz muss tatsächlich bedroht sein Allerdings: „In strukturschwachen Regionen kann bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Förderung vorliegen ein großzügiger Maßstab zur Anwendung kommen “, sagt Peter Krebühl, „weil der Agentur natürlich auch klar ist, dass es mancherorts nicht leicht ist, eine neue Stelle zu bekommen.“ Und: „Zur Wahrheit gehört auch, dass viele Transfergesellschaften eine bessere Vermittlungsquote haben als die meisten Arbeitsagenturen“, so Willemsen von Oppenhoff, „damit verlagern die Arbeitsagenturen natürlich auch einen Teil ihrer eigenen Arbeit auf die Transferberater.“ Dr. Alexander Willemsen, Partner bei Oppenhoff in Köln (Foto: privat) Wichtig beim Aufsetzen einer Transfergesellschaft: Der Arbeitsplatz muss tatsächlich bedroht sein – und das ist bei vielen der aktuellen Abbaumaßnahmen gar nicht so selbstverständlich. Denn wie bedroht kann ein Arbeitsplatz sein, wenn das gleiche Unternehmen in einem Atemzug ankündigt, parallel Tausende neue Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einstellen zu wollen? Da fällt die Argumentation schwer, und sich dann mit Hilfe des Staates auf elegante Weise der nicht mehr benötigten Belegschaft zu entledigen ist zumindest nicht ganz die feine Art – und die Förderungszusage für eine solche Konstruktion alles andere als selbstverständlich. Auch der Einsatz einer Transfergesellschaften als so genannte „Rentenbrücke”, also als ein Baustein zur Überbrückung für ältere Mitarbeitende auf dem Weg in den Ruhestand, kann problematisch sein. Dabei soll durch eine verlängerte Kündigungsfrist, die Überführung in die Transfergesellschaft und schlussendlich ins Arbeitslosengeld I den lebensälteren Mitarbeitenden geholfen werden, einen möglichst abschlagsfreien Ruhestand zu erreichen, erklärt Dr. Alexander Willemsen von Oppenhoff das Konzept. Damit gewinnen auf den ersten Blick unter dem Strich alle. Es ist nur halt nicht das, was Transfergesellschaften eigentlich leisten sollen: nämlich die Vermittlung in ein neues Arbeitsverhältnis. Und der Staat zahlt im Zweifel drauf. Zwar sind Rentenbrücken eine rechtliche Grauzone, doch das kann sich schnell ändern. Und auch in der Betriebsprüfung kann einem ein solches Konstrukt am Ende vor die Füße fallen, wenn Unternehmen Kosten und Nutzen der Transfergesellschaft nicht in Einklang bringen können. „Von reinen Rentenbrücken würde ich meinen Mandanten daher aktuell eher abraten”, sagt Willemsen. Neue Wege gehen Daher schauen viele Unternehmen mittlerweile auch nach Alternativen. Bosch Siemens Hausgeräte (BSH) hat beispielsweise eine eigene Transformationseinheit eingerichtet, die ohne die öffentliche Förderung auskommt. „Es gibt dort keinen dreiseitigen Vertrag wie bei einer Transfergesellschaft, sondern es ist Teil des Arbeitsverhältnisses“, so Göpfert. Ein Karriereberater scannt dabei für den betroffenen Mitarbeitenden zunächst alle freien Stellen im Konzern, gibt es dort keine passende Option, wird das Profil professionell und wertschätzend mit dem freien Arbeitsmarkt gespielt. Ergibt sich dort eine Möglichkeit, kann ein Arbeitsversuch gemacht werden, quasi ohne wirkliches Risiko. Weitere Wege, soziale Härten bei Restrukturierungen abseits der üblichen Transfergesellschaften abzufedern, sucht die „Allianz der Chancen“, ein Zusammenschluss großer und mittelständischer Unternehmen, um – wie es auf der Webseite heißt – „die Veränderungen der Arbeitswelt aktiv mitzugestalten.“ Neben dem Maschinenbauer Trumpf sind beispielsweise auch Cisco, Henkel, Siemens oder die Deutsche Bahn mit an Bord. Ein Projekt dieser namhaften Unternehmens-Allianz: Eine sogenannte Job-Drehscheibe soll helfen, Unternehmen, die Fachkräfte suchen mit denen zusammenzubringen, die Personal abbauen. So zum Beispiel 2020 in Penzberg: Dort hatte das Pharmaunternehmen Roche einen neuen Standort eröffnet und rund 120 Stellen zu besetzen. Gleichzeitig stand ein anderes Unternehmen in der Region vor einem Personalabbau. Und so machte sich Roche daran, Arbeitskräfte aus dem klassischen Maschinenbau auf einen Job in der Pharmabranche umzuschulen. Andere Unternehmen der Allianz der Chancen kümmern sich intensiv um den eigenen internen Arbeitsmarkt, um Fachkräften die Möglichkeit zu geben, sich weiterzuentwickeln – nicht nur, aber auch wenn der bisherige Arbeitsplatz auf der Kippe steht. Wieder andere haben sich das Upskilling ihrer Fachkräfte auf die Fahnen geschrieben: Der Mischkonzern Bosch beispielsweise hat in Kooperation mit dem Graduate Campus der Uni Aalen das Weiterbildungsprogramm „Software Qualification“ entwickelt. Und so sind die Strategien mittlerweile vielfältig – und im Strategiespiel um sozialverträgliche Restrukturierungen ist das Blatt um einige Facetten reicher. Info Die Transfergesellschaft – die wichtigsten Stichpunkte Ziel: Arbeitsvermittlung, berufliche Fort- und Weiterbildung und Abfederung von sozialen HärtenGrundlage: Der Sozialplan, den Betriebsrat und Arbeitgeber zum Personalabbau abschließen und in dem die Konditionen der Transfergesellschaft verhandelt werden.Bezahlung: Die Betroffenen bekommen während der Transfergesellschaft Kurzarbeitergeld (KuG) in Höhe von Arbeitslosengeld I (ALG-I). In der Regel wird im Sozialplan eine Aufstockung festgelegt, die der Arbeitgeber bezahlt.Träger: Treten in der Transfergesellschaft als Arbeitgeber auf und zahlen das Entgelt. Sie übernehmen im Weiteren die Vermittlung und/oder Weiterqualifizierung (zum Beispiel durch Bewerbungstrainings). Es gibt gewerkschaftsnahe und private Transfergesellschaften.Dreiseitiger Vertrag: Wird unterschrieben von Arbeitgeber, Transfergesellschaft und Mitarbeitendem. Mit dem alten Arbeitgeber schließt der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag, der Kündigungsschutzklagen ausschließt. Gleichzeitig gehen die Arbeitnehmer ein befristetes Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft ein.Leistungen in der Transfergesellschaft: regelmäßige Beratungstermine beim Transferberater, die die weiteren Maßnahmen mit dem betroffenen Mitarbeitenden festlegen, zum Beispiel darüber, welche Qualifizierungsmaßnahmen sinnvoll sindFinanzierung: Finanziert wird die Transfergesellschaft von Geldern der Bundesagentur für Arbeit und dem Arbeitgeber.

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