Nachdem im Vorjahr der Euro als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt worden war, gab es 2003 eine ganze Reihe an Neuregungen und Entwicklungen, die für HR von operativer und strategischer Bedeutung waren. Im Zentrum standen dabei in der zweiten Jahreshälfte vor allem politische Weichenstellungen, die in der Gesellschaft noch jahreslang für viele Diskussionen sorgen sollten: Denn im Zuge der so genannten Agenda 2010 beschloss der Bundestag verschiedene „Gesetze für moderne Dienstleistungen und Arbeitsmarkt“.
Für Personalabteilungen waren dabei v.a. eine Reform der Arbeitsvermittlung (Personal Service Agenturen), Änderungen bei Mini-Jobs sowie gelockerte Vorgaben beim Einsatz von Leiharbeit von Interesse. Da die Konjunktur lahmte – 2003 sank das Bruttoinlandsprodukt – sahen sich Unternehmen in vielen Branchen einem erheblichen Kostendruck gegenüber; zugleich wurde elektronische Kommunikation immer wichtiger.
(Fehl?)Investition des Jahres
Gut 17 Milliarden Euro investierte die private gewerbliche Wirtschaft anno 2003 in betriebliche Weiterbildung für die Belegschaft. Ein Schwerpunkt waren dabei Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen und kommunikativen Kompetenz von Mitarbeitenden. Zugleich bemängelten viele Unternehmen, dass ihre Erwartungen in dieser Hinsicht oft nicht erfüllt wurden und – kaufmännisch gesprochen – der gewünschte Return-on-Invest ausblieb. In Bezug auf Verhaltenstrainings machte unsere Gastautorin Prof. Dr. Margret Borchert von der Universität Duisburg(-Essen) dafür v.a. drei Ursachen aus, nämlich
- Der Trainingsbedarf wird nicht strategieabhängig ermittelt.
- Trainingsmaßnahmen halten Führungsdefizite aufrecht, weil sie davon ausgehen, dass die Mitarbeiter die Problemursache sind.
- Trainingscontrolling findet nicht mit prozessbezogenen Erfolgskriterien im Zeitablauf statt.
„Damit Verhaltenstrainings nicht zu Geldvernichtern werden, sondern ihre erhoffte Wirkung entfalten können“, empfahl sie unter anderem „ein problemorientiertes Vorgehen“. Als Handreichung gab es für die Praxis dazu folgende Checkliste, die bis heute nichts an Aktualität verloren hat:

KPI des Jahres
Seit vor allem Großunternehmen auch im Personalwesen begonnen hatten, Online-Präsenzen und digitale Kommunikationskanäle aufzubauen (etwa zum Recruiting), stellte sich zunehmend die Frage, ob diese auch hielten, was sie versprachen. In seiner Studie „Human Resources im Internet“ zog der Fachbereich Medienwirtschaft der Fachhochschule Wiesbaden damals ein gemischtes Fazit: Personalmarketing im Netz sei „endgültig den Kinderschuhen entwachsen und Standards dessen, was sinnvoll und machbar ist, konkretisieren sich“.
Wermutstropfen sei allerdings, dass Externe gleichwohl in vielen Fällen nicht unbedingt auf einen schnelleren Austausch mit möglichen Arbeitgebern hoffen könnten. So seien 29 Prozent der E-Mail-Anfragen eines (fiktiven) ausländischen Hochschulabsolventen zu Bewerbungsvoraussetzungen im Zuge der Untersuchung von HR-Abteilungen unbeantwortet geblieben.

Entsprechend konstatierten die Autoren:
„Es besteht vielfach Nachholbedarf, damit die Qualität der internen Prozesse dem schönen Schein der Frontends gerecht wird“.
Aufreger des Jahres

Make-or-buy-Entscheidungen waren 2003 hierzulande vor allem ein Thema in Produktion und Beschaffung. HR hatte damit zu diesem Zeitpunkt – falls überhaupt – nur im Bereich der Personaleinsatzplanung zu tun (Zeitarbeit). Verständlich also, dass ein Artikel in unserem Magazin seinerzeit besondere Wellen schlug: Denn hier ging es darum, ob das Personalwesen notwendigerweise in jedem Fall in-house angesiedelt sein muss oder man die Abteilung aus Kosten- und Effizienzgründen und zum Generieren von Investitionsmitteln mitunter nicht doch besser nahezu in Gänze, etwa an eine neu gegründete Tochterfirma, outsourcen sollte. Schließlich könne BPO – also Business-Process-Outsourcing – ein „attraktives Geschäftsmodell“ von „strategischer Bedeutung“ sein. Eine Case-Study aus Großbritannien kam in diesem Zusammenhang auf „eine Kostenersparnis von zehn Prozent im ersten Jahr (…) für die Zukunft wird mit 15 Prozent gerechnet“.
Nobrainer des Jahres
„Wohlbefinden stärkt die Arbeitsleistung“ – schlüge heute in unserer Redaktion jemand eine solche Überschrift vor, träte vermutlich peinlich-berührte Stille ein. In dem Beitrag vom Juli vor 21 Jahren ging es jedoch um ein Thema, dass uns auch heute noch beschäftigt und nichts an Aktualität eingebüßt hat: Prävention und Betriebliches Gesundheitsmanagement.
Da sich die Initiativen von Unternehmen in diesem Bereich seinerzeit aber vielerorts vor allem auf Unfallverhütung und Schutz vor Schadstoffen bei der Arbeit beschränkten, bot der Artikel allerlei innovative Impulse. So berichtete eine Bausparkasse davon, bei sich einen Gesundheitszirkel zur Tinnitus-Prophylaxe initiiert zu haben. Auch Coachings und freiwillige Gesundheitschecks wurden angeboten. Vorausschauend war aber vor allem der Appell, BGM und Prävention müssten umfassend verstanden, von Führungskräften mitgetragen und in der Unternehmensorganisation fest verankert werden.
Zeitzeichen des Jahres
Die zunehmend einsetzende Digitalisierung eröffnete im Personalwesen anno 2003 vor allem in einem Bereich ganz praktische neue Anwendungsfelder. Die Rede ist von „Zeit und Zutritt“, so der Name der entsprechenden Rubrik in unserem Magazin seinerzeit. Im März beleuchtete ein Artikel daher, wie sich „mit Chipkarte und Fingerprint Mitarbeiter identifizieren“ lassen.
Darin ging es – neben den auch heute noch vielfach verwendeten Transpondern – auch bereits um biometrische Verfahren wie Hand-/ Fingergeometrie-Screening, sowie Gesicht-, Iris- oder Spracherkennungssysteme.
Das Fazit des Autors: Die Auswahl eines entsprechenden Systems müsse „nach einer Kosten-/Nutzen-Analyse erfolgen und sich nach den Anwenderbedürfnissen richten: Bedienerfreundlichkeit, Benutzerakzeptanz, Zuverlässigkeit, Sicherheit, und Tauglichkeit unter Berücksichtigung der Umgebungsbedingungen (etwa bei Außeninstallationen oder schmutziger Umgebung). Bei den Beschaffungskosten muss zwischen einmaligen Ausgaben beim Kauf (…) und den laufenden Kosten unterschieden werden. Auch der Aufwand für die Systeminstallation, für seine Integration in vorhandene Anlagen und die notwendige Wartung, spielt eine wichtige Rolle“.
Auch aus heutiger Sicht sind all das sicher valide und gewichtige Punkte. Zugleich zeigt der Beitrag im Rückblick jedoch, wie sehr technische Innovation seinerzeit in erster Linie Markt der Möglichkeiten war. Denn ein Wort, das heute in diesem Zusammenhang zentral und nicht wegzudenken ist, taucht im gesamten Beitrag nicht auf: Datenschutz.
Info
Im Jubiläumsjahr der Personalwirtschaft blicken wir jede Woche auf einen Jahrgang des Magazins zurück. Jeden Mittwoch erscheint dazu ein Text auf personalwirtschaft.de.
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Frank Strankmann ist Redakteur und schreibt off- und online. Seine Schwerpunkte sind die Themen Arbeitsrecht, Mitbestimmung sowie Regulatorik. Er betreut zudem verantwortlich weitere Projekte von Medienmarken der F.A.Z. Business Media GmbH.

