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ChatGPT: „Unwahrscheinlich, dass Personaler komplett ersetzt werden“

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ChatGPT erlebt ja gerade einen echten Boom. Über 100 Millionen Nutzer hatte der Dienst schon nach zwei Monaten – darunter wohl auch viele Personalerinnen und Personaler. Aber gibt es auch schon Beispiele, wo das Business durch die generative KI sinnvoll bereichert wird?
Es gibt schon einige Beispiele, in denen ChatGPT im HR-Bereich sinnvoll eingesetzt wird. Zum Beispiel, um mit Chatbots Bewerberfragen im Recruitingprozess zu beantworten. Auch bei der Automatisierung von Personalprozessen – zum Beispiel beim Erstellen von Listen oder beim Zusammenfassen von Texten –, der Erstellung von Social Media Content und sogar Stellenanzeigen kann ChatGPT eine Rolle spielen. Erst gestern hat mir ein Kollege erzählt, dass er mit ChatGPT eine Stellenausschreibung im bayerischen Dialekt erstellt hat. Auch von ChatGPT wirklich sehr gut erstellte Onboardingdokumente habe ich bereits gesehen. Du siehst also, bereits heute kann ChatGPT entlang des kompletten Hiring Funnels eingesetzt werden.

Noch wird ja viel ausprobiert. Lässt sich schon abschätzen, wo die Technologie ein Gamechanger ist und wo nur ein Nice-to-have?
Die Technologie ist einfach in Bezug auf Effizienzgewinnung in verschiedensten Bereichen der Kommunikation heute schon ein Gamechanger. Ich finde es kommt natürlich immer darauf an, in welchem Bereich ich arbeite und wo ich es täglich einsetzen kann. Da ist Effizienzgewinnung für jeden Menschen etwas anderes. Im Familienkreis werden bereits heute von ChatGPT verfasste Glückwunsch-Nachrichten, Gedichte oder Reden verwendet. Für den einen ist das ein Gamechanger, weil er vielleicht nicht der kreativste ist. Für den anderen ein nice-to-have, weil er am Ende aus den Impulsen dann doch wieder sein eigenes Gedicht verfasst und vielleicht auch an den Text einen anderen Anspruch hat. In meinem eigenen Team konnte ich durch den Einsatz der Extension ChatGPT for Sheets wöchentlich 8 Stunden manueller Daten-Überprüfungsarbeit einsparen. Wieder andere nutzen die YouTube Summary Extension, um Videos schnell zusammenfassen und inhaltlich kurz und prägnant zu erfassen. Egal wo ich auch hinschaue, insbesondere löst es heute schon das “Blank Paper” Problem. Also da wo ich gerade einfach ein Brett vorm Kopf habe und keine Idee wo ich ansetzen kann, kann ich natürlich ChatGPT mit ein paar Fragen um Impulse und Hilfe bitten. 

Gibt es weitere Bereiche?
Auch bei der Personalentwicklung kann die Technologie in Zukunft eine Rolle spielen, indem es zum Beispiel personalisierte Schulungsmaterialien erstellt. Insgesamt geht es im HR-Bereich also in Richtung Automatisierung und Personalisierung. Allerdings ist auch die menschliche Expertise weiterhin von großer Bedeutung. Die Reise geht also in Richtung einer effizienten Zusammenarbeit von Mensch und Maschine.

Heißt das, dass sich Personalerinnen und Personaler jetzt Sorgen um ihren Job machen müssen?
Nein, es ist sehr unwahrscheinlich, dass Personalerinnen und Personaler komplett durch ChatGPT oder andere KI-Systeme ersetzt werden. Solche Tools können HR-Prozesse unterstützen, jedoch nicht vollständig ersetzen. KI kann plausible und richtig klingende, aber falsche Tatsachen schaffen. Das kann vorkommen, da solche Modelle mit historischen Daten trainiert werden und nicht in der Lage sind, die Wahrheit hinter den Informationen zu erkennen. Die Antworten basieren auf Wahrscheinlichkeiten und leider somit auch teilweise auf Falschinformationen. Als simples Beispiel hier kann ich ChatGPT Fragen, was 2+2 sind. Das System sagt dann 4. Wenn ich ChatGPT sage, dass es falsch ist und eigentlich 5 sind, korrigiert es seine Antwort und entschuldigt sich. Faktenüberprüfung ist daher von entscheidender Bedeutung und das geht nur mit menschlicher Kompetenz. Außerdem kann ChatGPT auch soziale, kulturelle, politische oder geschlechtsspezifische Vorurteile enthalten. Auch hier ist Vorsicht geboten.

Welche Kenntnisse und Kompetenzen sollten Personalerinnen und Personaler noch stärken, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein?
Sie sollten sich auf die Zusammenarbeit mit KI-Systemen einstellen, Prompting lernen und ihr Fachwissen in HR-Kompetenzen wie Empathie, Kreativität und Problemlösungsfähigkeit weiter ausbauen. So können sie die Vorteile von KI nutzen und gleichzeitig ihre menschlichen Kompetenzen einbringen. Das Verständnis von Technologien ist eine Kompetenz, die in Zukunft immer wichtiger wird. Im Grunde ist es doch toll: Personalabteilungen können sich auf ihre Aufgaben konzentrieren, die menschliche Fachkompetenzen erfordern und wo möglich repetitive Tasks an ChatGPT und Co. outsourcen.

Aber wo fängt man an, wenn man noch neu im Thema KI ist?
Personalerinnen und Personaler können hier mittlerweile unterschiedlichste Ressourcen nutzen. Es gibt viel Content zu ChatGPT und dem Thema Prompting auf Tiktok und Youtube, wenn man dort den richtigen Kanal abonniert kann man allein beim Durchscrollen schon viel lernen und mitnehmen. Auch einige On-Demand Kurse mit Zertifikat zum Thema Prompting habe ich schon gesehen. Natürlich können auch Podcasts zum entsprechenden Thema spannend sein – hier empfehle ich den „Zielgruppengerecht Tech-Talk“ und den „HR-Tec-Talk“ von und mit Robindro Ullah – oder Fachliteratur lesen. Auch der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, die bereits Erfahrungen mit ChatGPT und anderen KI-Systemen im HR-Bereich gesammelt haben, kann hilfreich sein. Und wie bei so vielen Dingen im Leben: Am besten fängt man einfach mal an und probiert sich aus. Nur so lernt man am besten, wie ChatGPT einen im Alltag unterstützen kann.

Was sollte man dabei beachten?

Man sollte unternehmensintern unbedingt die rechtliche Seite der Anwendung von ChatGPT klären. Denn HR arbeitet viel mit personenbezogenen Daten, deren Schutz zu jeder Zeit gewährleistet werden sollte.

Info

Matthias Schmidt-Stein koordiniert die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet gemeinsam mit Catrin Behlau die HR-Redaktionen bei F.A.Z. Business Media. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit den Themen Recruiting und Employer Branding.