Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

„Die Entwicklung geht klar in Richtung mehr Transparenz“

Herr Vormann, seit einem guten Jahr sind Sie Professor an der Fachhochschule Dortmund. Als Teil des öffentlichen Dienstes wussten Sie schon sehr früh im Besetzungsverfahren, was Sie verdienen würden. Schließlich werden Professuren entsprechend ausgeschrieben, die einschlägigen Tarifverträge sind öffentlich.

In der Tat. Und für mich war die Transparenz auch wichtig bei der Entscheidung, an die Hochschule zu wechseln. Ich wusste, worauf ich mich einlasse, und musste nicht großartig verhandeln. Klar: Ich musste mich auch drauf einlassen – aber insgesamt habe ich das eher als Entlastung wahrgenommen.

Sind Sie da eher ein Einzelfall, oder ist die Transparenz auch sonst ein Grund für Viele, im öffentlichen Dienst arbeiten zu wollen?

Das ist schwer zu sagen. Ich glaube aber nicht, dass das bei sehr vielen Menschen der stärkste Motivator ist, um im öffentlichen Dienst zu arbeiten. Überhaupt eine Rolle dürfte die Transparenz bei vielleicht 10 bis 20 Prozent der Mitarbeitenden dort spielen. Was ich mir aber vorstellen kann: Indirekt führt die Transparenz dazu, dass viele denken, dass es im öffentlichen Dienst ein Stück fairer zugeht, was die Gehälter angeht. So geht es dort weniger darum, wer gut oder schlecht verhandelt hat.

Es gibt mittlerweile auch einige Unternehmen in der freien Wirtschaft, die sehr transparent sind, was die Gehälter angeht und Gehaltsbänder in ihren Jobanzeigen angeben. Was versprechen sie sich davon, außer, als besonders transparenter und vielleicht fairer Arbeitgeber zu gelten?

Aus meiner Sicht spricht auch für die Angabe von Gehältern in Jobanzeigen, dass der Kandidat oder die Kandidatin direkt filtern kann, ob ein Job wegen der Vergütung für ihn oder sie in Frage kommt. Für den Arbeitgeber ist das natürlich auch besser. So kann es nicht passieren, dass der Kandidat oder die Kandidatin am Ende des Verfahrens noch absagt, weil die Vergütung zu niedrig ist. Dass Arbeitgeber und Talente nicht dieselben Vorstellungen des Gehalts haben, ist völlig legitim. Als ich noch in Unternehmen rekrutiert habe, habe ich bei bestimmten Gehaltsforderungen der Kandidatinnen und Kandidaten gesagt: Das kann und will ich nicht bezahlen. Da wäre es für beide Seiten schön gewesen, früh Transparenz zu haben.

In den Unternehmen, in denen Sie gearbeitet haben, wurden also die Gehälter nicht in den Anzeigen angegeben?

Nein, wurden sie zumindest damals nicht.

Was sprach oder spricht denn aus Unternehmenssicht überhaupt dagegen?

Ich glaube, da gibt es vier Gründe. Grund eins ist: Das haben wir schon immer so gemacht, wo kämen wir denn hin, wenn wir das jetzt machen? Man darf die Beharrungskräfte in Personalabteilungen nicht unterschätzen. Grund zwei, und ich glaube, dass das der Wichtigste ist: Die Angst, dass alle Kandidatinnen und Kandidaten dann das Maximum fordern.

Also etwas Verhandlungstaktisches …

Genau. Man versucht ja auch, wenn man zum Beispiel ein Auto kauft, sich nicht in die Karten schauen zu lassen, um die besseren Verhandlungsposition zu haben und den Preis noch zu drücken.

Info

Was ist der dritte Grund?

Macht. Darin, dass in der Anzeige kein Gehalt angegeben ist, aber Bewerberinnen und Bewerber ein Wunschgehalt angeben sollen, ist der Arbeitgeber in einer besseren Position, weil er über mehr Wissen verfügt. Das spiegelt ein Rollenbild wieder, das sich allerdings langsam auflöst. Im Zuge des Fachkräftemangels kehrt sich dieses Machtverhältnis um.

Und Nummer vier?

Bisherige Mitarbeitende sehen, was in den Stellenanzeigen steht. Sie vergleichen sie mit dem eigenen Gehalt und können so eine Erhöhung einfordern. Das zwingt Unternehmen dazu, sich die internen Vergütungsstrukturen anzuschauen und gegebenenfalls anzupassen. Das geht aber oft nicht über Nacht und kann teuer werden. Aber grundsätzlich sage ich Unternehmen immer: Seid ihr fair, dann müsst ihr keine Angst vor Gehaltstransparenz haben. Seid ihr es nicht, dann schon. Denn dann führt sie unter Umständen zu Demotivation der Mitarbeitenden aber auch der Talente, um sich zu bewerben.

Nun ist es ja jetzt schon nicht verboten, sich mit den Kolleginnen und Kollegen über das Gehalt auszutauschen.

Das stimmt, aber meiner Erfahrung nach passiert das nur ganz selten. selbst in HR-Abteilungen, die ja mit dem Thema von Berufs wegen zu tun haben. Wo die Transparenz nicht forciert wird, da bleibt es meist schwammig.

Ändert sich das denn?

Ja, es gibt allgemein eine größere Offenheit als früher, über Geld zu sprechen. Vielleicht ein Stück weit forciert durch Jüngere, die diesbezüglich weniger Hemmungen haben. Aber auch durch rechtliche Entwicklungen wie das BAG-Urteil zur Lohntransparenz kürzlich oder die EU-Richtlinie, die entsprechendes vorsieht. Die Entwicklung geht also klar in Richtung mehr Transparenz.

Matthias Schmidt-Stein koordiniert die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet gemeinsam mit Catrin Behlau die HR-Redaktionen bei F.A.Z. Business Media. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit dem Berufsbild HR und Karrieren in der Personalabteilung sowie mit Personalberatungen. Auch zu Vergütungsthemen schreibt und recherchiert er.