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Generationenkonflikte: Ein Medienboom und seine Folgen

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Dass die jungen Menschen faul und verwöhnt sind, ist kein ganz neuer Vorwurf. Schon der griechische Philosoph Aristoteles soll sich vor rund 5.000 Jahren darüber beschwert haben. Heute ist es die sogenannte Generation Z – also jene Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind –, die angeblich viel zu viel Geld will für viel zu wenig Arbeit und viel zu viel Freizeit. Zumindest liest man das immer wieder in den sozialen Netzwerken. Heraufbeschworen wird hier immer wieder ein Generationenkonflikt.

Dass es den allerdings in der Praxis nur sehr bedingt gibt, zeigt eine aktuelle Studie des Charta der Vielfalt. „Der Generationenkonflikt fällt geringer aus, als es die mediale Berichterstattung vermuten lässt“, heißt es im Fazit der Untersuchung. Zwischen 2018 und 2023 wurden 691 Menschen zum Thema Generationenkonflikt und Diversity befragt. Die Ergebnisse haben die Studienbetreuenden Inga Giest und Muriel Ritter mit Erkenntnissen aus bestehender Forschung sowie aus der „Diversity Challenge“ der Charta der Vielfalt verglichen, an der rund 1.890 junge Talente im Alter von 16 bis 27 Jahren teilgenommen haben.

Wie steht es wirklich um den Generationenkonflikt?

Demnach glauben zwar viele junge Beschäftigte, dass es generell in der Arbeitswelt einen Generationenkonflikt gibt (77 Prozent). In ihrem eigenen Unternehmen vermuten allerdings nur 33 Prozent einen Konflikt, und selbst erlebt haben ihn sogar nur 22 Prozent. „Hier zeigt sich die Macht medialer Stereotype: Sie beeinflussen die Wahrnehmung, ohne dass sich dies zwangsläufig in der Realität widerspiegelt“, sagt Inga Giest. Diese Vorurteile steigen laut den Studienergebnissen, je weniger direkten Kontakt Generationen miteinander haben. Besonders in großen Organisationen (ab 2.000 Beschäftigten) nehmen die jungen Talente einen Generationenkonflikt wahr (42 Prozent gegenüber 11 Prozent in kleinen und mittelständischen Unternehmen).

Was können Unternehmen nun aber gegen die leicht ausgeprägten Generationskonflikte tun? „Es ist wichtig, solche Spannungen nicht als unüberwindbare Konflikte zu betrachten, sondern als Herausforderungen, die durch bessere Kommunikation und gegenseitiges Verständnis gelöst werden können“, sagt Giest. Kommunikation scheint ein wichtiger Aspekt zu sein. Denn in vielen Unternehmen gibt es Maßnahmen für jüngere Mitarbeitende und den Generationenaustausch, von dem die jungen Talente in einigen Fällen nichts wissen. Bei der Frage „Was wird in Ihrem Unternehmen speziell für jüngere Beschäftigte unternommen?“ haben weitaus mehr Führungskräfte die auswählbaren Antworten bejaht als jüngere Beschäftigte. So gaben nur 23 Prozent der jungen Mitarbeitenden an, dass es für sie persönliches Mentoring oder Coaching gibt, während 43 Prozent der Führungskräfte zustimmten, dass ein solches angeboten wird.

Mentoring ist auch ein Stichwort für einen weiteren Lösungsansatz, um Generationenkonflikte zu verringern. Giest und ihr Team empfehlen hier vor allem das Reverse Mentoring. Dabei teilen jüngere Mitarbeitende ihr Wissen mit älteren und andersherum. So werde laut Giest der Kreislauf gebrochen, dass Wissenstransfer nur von Alt zu Jung stattfinde. „Während Erfahrungswissen eine wertvolle Ressource ist, sollte gleichzeitig ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass auch ältere Mitarbeitende von neuen Impulsen profitieren können“, sagt Giest.

Beklagen über Altersdiskriminierung

Ganz erfunden ist die Altersdiskriminierung dann aber doch nicht. So berichten 22 Prozent der jungen Beschäftigten davon, dass sie schon einmal aufgrund ihres Alters diskriminiert wurden. Besonders interessant: Widerstände gegen junge Mitarbeitende stammen in deren Wahrnehmung eher von Kolleginnen und Kollegen mittleren Alters, da sie sich in direkter Konkurrenz zu jüngeren Talenten sehen.

In der Studie der Charta der Vielfalt werden auch Ansätze von anderen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zitiert. So auch der von Ulrike Fasbender und Fabiola Gerpott. Laut den Expertinnen wird ein Wissenstransfer zwischen den Generationen vor allem durch altersdiverse Teams in Projekten, Mentoring, Anti-Bias-Trainings und den Fokus auf Lebenssituationen statt Generationen gefördert.

Was ist dran an den Klischees?

Dass sich HR eher auf die Lebenssituationen der Mitarbeitenden statt auf ihre Generation fokussieren sollte, betont auch das Team rund um Giest: „Nicht das Alter selbst ist ausschlaggebend, sondern die unterschiedlichen Lebensphasen und Erfahrungen, die Mitarbeitende in ihre Arbeit einbringen.“ Gängige Generationsmodelle würden dahingegen häufig starre Stereotype verstärken.

Das Zusammenbringen und der Dialog von unterschiedlichen Altersklassen wird von Diversity-Expertinnen und -Experten losgelöst von der Generationenkonfliktfrage als wünschenswert betrachtet. So schreibt Ayse Semiz-Ewald, Vice President Culture & Inclusion bei der Deutschen Telekom, auf Linkedin zur Studie: „Wenn wir an Diversität denken, fallen uns oft Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit oder Religion ein. Doch Altersvielfalt wird häufig übersehen, obwohl sie enorme Chancen für Unternehmen bietet.“ Im Generationendialog liege ein unterschätztes Potenzial, das Unternehmen nutzen sollten, um Innovation, Teamgeist und Verständnis zu fördern.

Bleibt die Frage, wie viel an den Klischees über die jungen Menschen am Ende dran ist. Auch hierauf liefert die Studie eine Antwort. Demnach legen jüngere Mitarbeitende zwar größeren Wert auf eine gute Work-Life-Balance und Selbstverwirklichung als Ältere: Auf einer Skala mit Zustimmungswerten von 1 bis 10 bewerten Jüngere die Aussage „Arbeit bedeutet mir viel“ mit 6,9 Punkten, während (meist ältere) Führungskräfte höhere Werte – zwischen 7,6 und 8,4 – angeben. Dies zeigt, dass Führungskräfte möglicherweise andere Erwartungen an die Bedeutung von Arbeit haben als die jungen Mitarbeitenden selbst. „Das kann aber keineswegs mit einem Mangel an Arbeitsmoral gleichgesetzt werden“, sagt Giest. Das Vorurteil der ‚faulen Jugend‘ weist sie von sich.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.