Für viele Berufstätige steigt in diesen Tagen die Vorfreude auf den anstehenden Sommerurlaub. Doch um wirklich in Ferienstimmung zu kommen und den Stress des (Berufs-)Alltags hinter sich zu lassen, dauert es mitunter eine ganze Weile. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung, welche die Meinungsforschungsinstitute Yougov und Statista Anfang Juni unter mehr als 2.000 Menschen ab 18 Jahren durchgeführt haben. Damit die Entspannung schneller eintritt, können im einen oder anderen Fall auch Arbeitgeber unterstützen.
Laut der Untersuchung braucht es zur Erholung bei jeder vierten Person (25 Prozent) mindestens eine freie Woche. 42 Prozent können den Angaben zufolge sogar erst bei zwei Wochen Urlaub richtig abschalten. Weitere 17 Prozent benötigen drei Wochen. Arbeitgeber könnten demnach ihren Mitarbeitenden empfehlen, mindestens einmal im Jahr einen etwas längeren Urlaub einzuplanen.
Nicht selten nach Ferienende gestresster
Neigt sich die freie Zeit dann ihrem Ende zu, ist es laut den Ergebnissen, die „repräsentativ für die Wohnbevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren“ sein sollen, gar nicht so selten, dass sich Menschen gestresster fühlen als beim Urlaubsantritt. Entsprechende Erfahrungen haben 25 Prozent der Befragten eigener Wahrnehmung nach in den vergangenen drei Jahren zumindest „schon mindestens einmal“ gemacht. Unterschiede zeigen sich dabei in den verschiedenen Altersgruppen: So bestätigen 41 Prozent der 18- bis 24-Jährigen derlei Selbstwahrnehmung, bei Menschen zwischen 25 bis 34 Jahren 40 Prozent. Ältere „ließen sich hingegen nicht so leicht im Urlaub stressen“, so die Studienautorinnen und -autoren.
Von der Tendenz her deckt sich das mit Befunden anderer Studien. So hatte die Krankenkasse Pronova BKK 2024 ermittelt, dass 43 Prozent der Berufstätigen „schlecht bis mittelmäßig erholt“ aus dem Urlaub zurückkommen. Bei mehr als einem Viertel der Beschäftigten halte überdies „die Erholung nach dem Urlaub noch nicht einmal drei Tage an“.
Zudem sei zu beobachten, dass der „abrupte Wechsel von erhöhtem Aktivierungszustand auf Erholung und Entspannung unter Umständen sogar zur sogenannten „Leisure Sickness“ (Freizeitkrankheit) führen“ könne.
Ursachenforschung
Zu den Ursachen für mangelnde Erholung oder gar ein erhöhtes Stresslevel gaben in der Yougov-Umfrage 36 Prozent, denen das in den vergangenen 36 Monaten schon einmal widerfahren ist, an, „dass sie nicht von der Arbeit und dem Alltag abschalten konnten“. Gut einem Drittel (34 Prozent) war ihr Urlaub „zu kurz“. Als weitere Faktoren wurden eher private Aspekte wie Krankheit im Urlaub, schlechtes Wetter, Streit mit Mitreisenden, Logistik- und Freizeitstress („zu viele Aktivitäten“) oder „der eigene Erwartungsdruck“ genannt.
Die Pronova-Daten vom Vorjahr verweisen zudem darauf, dass für viele Berufstätige der Stress schon vor dem Urlaub beginne: 6 von 10 Beschäftigten empfinden demnach vor ihrem Urlaub „eine starke Mehrbelastung“, die mit zusätzlichen Arbeitsstunden einhergehe. Und auch nach der Rückkehr steht bei vielen erstmal Mehrarbeit an. „Auch unmittelbar nach ihrer Rückkehr leisten Berufstätige im Schnitt knapp acht Überstunden, um urlaubsbedingte Rückstände aufzuarbeiten“, so die Krankenkasse. Organisationen könnten überlegen, wie sie diese Mehrarbeit vermeiden können.
Verhindert fehlendes Abschalten das Abschalten?
Ein weiterer Faktor, der Experten und Expertinnen zufolge den Erholungswert von Urlaub beeinflussen kann, ist eine (mangelnde) technische Auszeit vom Job. So berichtete der Branchenverband Bitkom für 2024 davon, dass 66 Prozent der Berufstätigen, die einen Sommerurlaub geplant hatten, „währenddessen auch beruflich erreichbar“ gewesen sind. Lediglich 31 Prozent gaben seinerzeit an, „nicht auf dienstliche Anfragen reagieren“ zu wollen.
Hauptgrund dafür, auch im Urlaub über Messenger oder E-Mail in Kontakt mit der Arbeit zu bleiben, sind dabei laut der Bitkom-Untersuchung „tatsächliche oder vermutete Erwartungen anderer“ – etwa Vorgesetzter, Kollegen und Kolleginnen oder Geschäftspartner sowie Geschäftspartnerinnen.
Die Pronova BKK verweist in diesem Kontext auf den Zusammenhang zwischen Abschalten und Abschalten: „Um den Urlaub wirklich genießen und richtig abschalten zu können, ist eine gedankliche Distanz zur Arbeit das A und O.“
Hohe rechtliche Hürden für Kontakte mit Urlaubern
Ob und wie Beschäftigte und Vorgesetzte in Urlaubszeiten tatsächlich im Dialog bleiben, ist das eine. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind hingegen eindeutig geregelt. Der Erholungsurlaub dient allein der Regeneration und der Wiederherstellung der Arbeitskraft. Das heißt: Wer frei hat, darf den Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) so verbringen, wie er oder sie es möchte.
Entsprechend gibt es – zumindest juristisch – auch hohe Hürden für Vorgesetzte und Arbeitgeber, was die Kontaktaufnahme im Urlaub angeht. Rechtsanwalt Dirk Lenzing sagt dazu: „Alle Beschäftigten haben einen Anspruch darauf, Urlaub und Freizeit selbstbestimmt nutzen zu können – was aber nicht gewährleistet ist, wenn Arbeitnehmer ständig damit rechnen müssen, zur Arbeit abgerufen zu werden. Deshalb ist auch kein Arbeitnehmer verpflichtet, in seinen Ferien für die Firma erreichbar zu sein.“
Umgekehrt bestehe für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch keine Verpflichtung, das Dienst-Handy mitzunehmen oder während des Urlaubs das betriebliche E-Mail-Postfach abzurufen. Ausnahmen oder gar ein Urlaubswiderruf gelten laut Rechtsprechung nur in eng begrenzten und echten Notfällen.
Frank Strankmann ist Redakteur und schreibt off- und online. Seine Schwerpunkte sind die Themen Arbeitsrecht, Mitbestimmung sowie Regulatorik. Er betreut zudem verantwortlich weitere Projekte von Medienmarken der F.A.Z. Business Media GmbH.

