Die IG Metall streicht ihre Forderung nach einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Der Bild-Zeitung sagte Christiane Benner, Vorsitzende der Gewerkschaft, dass die Vier-Tage-Woche aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage nicht mehr auf der Forderungsliste der IG Metall stehen würde.
Das dürfte wohl Wasser auf die Mühlen der Kritiker des in den vergangenen Jahren viel diskutierten Modells sein. So wurden in letzter Zeit immer wieder Stimmen laut, dass in Deutschland wieder mehr geleistet werden müsse. Diese kamen vor allem aus politisch konservativer Richtung. „Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand unseres Landes nicht erhalten werden können“, sagte etwa der neue Bundeskanzler Friedrich Merz dem CDU-Wirtschaftstag einen Tag vor seiner ersten Regierungserklärung.
Auch der Arbeitsrechtler Dr. Alexander Bissels schlägt nach der Ankündigung der Gewerkschaft auf Linkedin einen ähnlichen Tenor ein. „Eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich kommt für die deutsche Wirtschaft zur Unzeit“, schreibt er dort. Zwar könne er verstehen, dass eine entsprechende Forderung im Sinne der von den Gewerkschaften vertretenen Arbeitnehmenden sein dürfte, aber im gesamtwirtschaftlichen Kontext nicht das Mittel der Wahl sei, um die Wirtschaft nach vorne zu bringen. Ist das also das Ende der Vier-Tage-Woche? Nein, sagt Bissels. Er vermutet, dass, sobald die Wirtschaft wieder anzieht, auch die Forderung nach einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich schnell wieder auf dem Tisch liegen wird.
Emotionale Diskussionen
In den vergangenen Jahren wurde das Arbeitszeitmodell immer wieder heiß diskutiert. So etwa in einer Paneldiskussion auf dem Deutschen Personalwirtschaftspreis 2023. Inga Dransfeld-Haase zweifelte damals schon die Umsetzung des Modells für größere Unternehmen an. In kleineren Unternehmen sei das oft einfacher umzusetzen, denn „einen Tanker zu manövrieren, dauert auch länger als ein Speedboot“, merkte sie an. Martin Gaedt, Autor eines Buchs zum Thema, hielt jedoch damals dagegen und rückte die Vorteile für die Gesundheit der Mitarbeitenden in den Fokus.
In einem Pilotprojekt, an dem 41 Unternehmen in Deutschland teilnahmen, dass im Oktober 2024 endete, hatte sich diese Effekte auf die Gesundheit der Mitarbeitenden gezeigt. Allerdings nur schwach. Entsprechend viel das Fazit der teilnehmenden Unternehmen eher gemischt aus. Bei Pilotprojekten in Groß-Britannien oder Island fiel das Fazit hingegen positiver aus. Dort werden bereits seit 2015 Pilotprojekte und Studien zur Vier-Tage-Woche durchgeführt. Mittlerweile arbeiten dort laut euronews rund 90 Prozent der Erwerbstätigen mit reduzierten Arbeitszeiten oder andere Anpassungen.
Markus Schlimbach, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Sachsen, findet die Debatte um die Vier-Tage-Woche künstlich aufgeladen, wie er gegenüber dem MDR sagt. „Es gibt Bereiche, wo die Tarifverträge und auch die Arbeitszeiten etwas länger geregelt sind und in anderen etwas kürzer. Insofern sind Tarifverträge und auch Tarifforderungen immer der Branche angepasst. Von daher ist das jetzt überhaupt nichts Besonderes“, führt er weiter aus. Außerdem sei die Diskussion seiner Meinung nach Populismus und guckt dabei auf die CDU. Ähnlich äußerte sich kürzlich auch Unternehmer und Investor Carsten Maschmeyer. „Wir brauchen nicht mehr Arbeit, sondern produktivere Arbeit! Ein schlechtes Fußballspiel wird auch nicht besser, wenn es 180 statt 90 Minuten dauert“, sagte er in einem Interview gegenüber der Frankfurter Rundschau.
Skepsis bei Personalverantwortlichen
Wie aber sehen es Personalerinnen und Personaler, die ja in den vergangenen Jahren medial kaum an dem Thema vorbeikamen? Viele stehen der Vier-Tage-Woche trotz vermuteter positiver Effekte wie erhöhter Arbeitgeberattraktivität oder Mitarbeiterzufriedenheit eher skeptisch gegenüber. Das zeigt eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft, die Anfang März 2025 erschienen ist. Dort stimmten 71 Prozent der 832 befragten Unternehmensvertreter der Aussage zu, dass bei einer flächendeckenden Vier-Tage-Woche das Arbeitsvolumen der gesamten Wirtschaft nicht mehr bewältigt werden könnte. Auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit würde der Ansicht der Befragten nach darunter leiden (69 Prozent Zustimmung) und die Flexibilität der deutschen Wirtschaft sich verringern (62 Prozent Zustimmung).
Generell lehnt ein Großteil der Befragten die Einführung einer Vier-Tage-Woche nicht nur für das eigene Unternehmen ab, sondern schätzt auch die Umsetzungsmöglichkeiten für andere Unternehmen der eigenen Branche insgesamt zurückhaltend ein. „Die flächendeckende und undifferenzierte Einführung einer Vier-Tage-Woche könnte in den meisten Unternehmen und damit auch in der deutschen Gesamtwirtschaft erheblichen Schaden anrichten“, sagt Studienautor Thomas Schleiermacher. Weit verbreitet scheint das Modell auch noch nicht zu sein. 82 Prozent der befragten Unternehmen haben es bislang nicht einmal getestet.
Eine flächendeckende Einführung der Vier-Tage-Woche wird jedoch ohnehin von vielen Experten als nicht realistisch eingeschätzt. So sagte etwa der Arbeitsmarktexperte Guido Zander gegenüber NTV, dass er es nicht für sinnvoll halte, ein starres Fünftage-Modell durch ein starres Viertage-Modell zu ersetzen. Er plädiert eher dafür, dass Arbeitnehmende vielmehr ihre Arbeitszeit selbst festlegen sollten und die Politik dafür die Hürden aus dem Weg räumen solle. Vorstöße in eine ähnliche Richtung kamen aus der Union. Die Regierungspartei möchte das Arbeitszeitgesetz reformieren und eine maximale Wochenarbeitszeit einführen, anstatt eines täglichen Arbeitszeitlimits.
Frederic Haupt war Volontär der Personalwirtschaft.

