Faultiere sind süß anzusehen, spielen in der deutschen Medienlandschaft aber eine eher untergeordnete Rolle. Es sei denn, es geht um das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Ob Stern, Tagesspiegel oder ARD – nur drei von zahlreichen Redaktionen, die sich das possierliche Tierchen als Bildaufmacher für ihre Berichte zum Thema ausgesucht haben.
Auch vom Schlaraffenland ist immer wieder die Rede. Denn tatsächlich ist dies die größte Sorge vieler Kritiker des BGE: Wenn niemand mehr arbeiten muss, um seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können – wer arbeitet dann überhaupt noch?
Auf ins Schlaraffenland
Schon > Teil 1 unserer Serie zeigte: Die Meinungen über das BGE gehen deutlich auseinander – je nach Menschenbild. Für dm-Gründer und BGE-Befürworter Götz Werner etwa verwirklicht sich mit der Automatisierung und Digitalisierung am Arbeitsmarkt nur eine Vision, die er gern in einen starken Satz packt:
Die Wirtschaft hat die Aufgabe, die Menschen von der Arbeit zu befreien.
Den von der Arbeit Befreiten bleibe mit dem BGE mehr Zeit für die Dinge, die ihnen am Herzen liegen.
Die Chancen hierfür scheinen nicht schlecht zu stehen. Im Vorfeld der Schweizer Abstimmung am kommenden Sonntag (5. Juni) ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Demoscope unter 1.076 Stimmberechtigten, dass sich 54 Prozent weiterbilden wollen würden, 53 Prozent nähmen sich mehr Zeit für die Familie, 22 Prozent würden sich selbstständig machen. Interessant ist aber der Unterschied in der Eigen- und Fremdeinschätzung: In anderen, ähnlich gelagerten Umfragen gaben nur zwei Prozent der Befragten an, dass sie mit einem BGE „bestimmt aufhören wollen zu arbeiten“ – aber rund ein Drittel ging davon aus, dass andere die Arbeit niederlegen würden.
Das tun auch viele Arbeitgeber und Wirtschaftslobbyisten. Bei der staatlichen Risikoabsicherung müsse mit Augenmaß vorgegangen werden, finden etwa Professor Dr. Michael Eilfort und Professor Dr. Bernd Raffelhüschen, Vorstände der Stiftung Marktwirtschaft: „Zu schnell wird aus einem sinnvollen sozialen Auffangnetz eine bequeme, letztlich aber lähmende ‚soziale Hängematte‘“, schreiben sie in dem > Dossier „Das bedingungslose Grundeinkommen – ein unhaltbares Versprechen“. Über kurz oder lang wären negative Auswirkungen auf die Arbeitsmoral unvermeidlich, ergänzt Guido Raddatz von der Stiftung an anderer Stelle. Es müsse bezweifelt werden, dass alle Menschen die notwendige Selbstdisziplin und Selbstkontrolle aufbringen, den kurzfristigen „Verlockungen des Augenblicks“ zu widerstehen, und produktiv tätig werden.
Positive Effekte könnten überwiegen
„Ich persönlich denke, dass ein BGE mehr positive als negative Effekte auf die Mitarbeitermotivation haben könnte“, sagt Christian Vetter, Präsidiumsmitglied des Bundesverbands der Personalmanager und Leiter Arbeits- und Sozialrecht bei Dow Deutschland Inc. Stress, Mobbing und Konkurrenzdenken könnten in gewissem Maße zurückgehen. Auf der anderen Seite könnten die individuelle Risikobereitschaft und Flexibilität steigen – Elternzeit zu beantragen beispielsweise dürfte dann vermutlich vielen leichter fallen. Die Motivation, sich einen besseren Lebensstandard zu erarbeiten, bliebe aus seiner Sicht zumindest bei einem niedrig angesetzten BGE, einer Art „Rettungsschirm“, erhalten.
Vetter sieht aber auch die Risiken einer „Versorgungsmentalität“ – die Bereitschaft, gar nichts zu tun, würde steigen. So negativ wie einige Kritiker des BGE sieht er das jedoch gar nicht. „Letztlich muss man sehen, wie sich die Zukunft in Bezug auf Arbeitsplätze entwickelt.“ Führe die zunehmende Automatisierung dazu, dass eine immer größere Anzahl von Menschen gar nicht mehr beschäftigt werden könne, sei das BGE ein Beitrag zu einer „staatlichen Befriedung“.
Geld allein macht nicht glücklich
Und die Sache mit der Motivation? Professor Dr. Sandra Ohly, Leiterin des Fachgebiets Wirtschaftspsychologie an der Universität Kassel, glaubt weder an die allgemeine Faulheit noch an die große Kreativexplosion. Die Forschung habe gezeigt, dass kreative Leistungen bei der Arbeit dadurch vorhergesagt werden können, dass eine Person das Gefühl hat, Kreativität werde von ihr erwartet: „Kreative Problemlösungen kann man also dadurch anregen, dass die Unternehmensleitung die Erwartung deutlich macht, dass alle Mitarbeiter Probleme identifizieren und kreativ lösen.“ Monetäre Belohnungen seien dabei aus ihrer Sicht gar nicht unbedingt notwendig.
Die Wissenschaftlerin erwartet durch das BGE zunächst keine gravierenden Effekte auf die Mitarbeitermotivation:
Die Forschung belegt, dass Menschen nicht nur durch Geld zu motivieren sind, sondern auch durch eine sinnvolle Tätigkeit und Anerkennung von anderen.
Dass sie recht haben könnte, zeigt eine > Studie aus Belgien: Von 84 Lottogewinnern aus verschiedensten Bevölkerungsschichten, die lebenslang monatlich 1.000 Euro erhielten, gaben nur zwei ihre Arbeit auf, vier weitere reduzierten ihre Stunden. „Allerdings erwachte auch nicht der Unternehmergeist, den sich Verfechter eines Grundeinkommens erhoffen“, heißt es dort weiter. Die Studienautoren Axel Marx und Hans Peeters bekamen keine weiteren Mittel, um die Untersuchung fortzuführen – obwohl mehrere Befragte von einem neuen Gefühl bei der Arbeit berichteten.
Was hätte ein BGE für Unternehmen zu bedeuten? Wie wären Personalführung, Mitarbeiterbindung und Employer Branding betroffen? Lesen Sie morgen, welche Folgen das BGE für Arbeitgeber, ihre Kultur und ihre Rekrutierungsstrategien haben könnte.
Autor:
David Schahinian, freier Journalist
> Hier lesen Sie Teil I unserer Serie: Bedingungsloses Grundeinkommen – Was wäre, wenn?
> Und hier Teil III: Bedingungsloses Grundeinkommen – Eine Herausforderung für Personaler