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Mobbing am Arbeitsplatz weiterhin weit verbreitet

Die Zahl der von Mobbing betroffenen Mitarbeitenden will nicht sinken. Wie eine aktuelle Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) zeigt, wurden rund 30 Prozent aller Arbeitnehmenden schon einmal im Job gemobbt. So viele waren es auch 2021, wie eine damalige Umfrage von Yougov und Statista darlegt. Schenken Unternehmen dem Thema zu wenig Beachtung oder ist es einfach schwer, die Schikane innerhalb der Belegschaft zu unterbinden?

„Wenn im Schnitt fast jede und jeder dritte Angestellte schon einmal gemobbt wurde, müssen bei den Arbeitgebern die Alarmglocken schrillen und umgehend Maßnahmen ergriffen werden, um einen wirklichen Kulturwandel im Unternehmen voranzutreiben, der alle Mitarbeitenden miteinbezieht“, sagt Eva Bangemann, Managing Director von EY.

Dafür braucht es vielerorts allerdings zunächst ein geteiltes Verständnis darüber, was Mobbing überhaupt ist. Einzelne negative Aktionen oder ein Konflikt, der zwischen zwei Menschen aufkommt, ist noch kein Mobbing. Als solches bezeichnet man es vielmehr, wenn eine Person oder eine Gruppe wiederholt und über einen längeren Zeitraum die Würde eines anderen Menschen verletzt wird, heißt es vonseiten der „Fachstelle Mobbing und Belästigung” in der Schweiz. Meist ist Mobbing damit keine einzelne Handlung, sondern eine Anreihung und könne sich durch folgende Verhaltensweisen äußern: Bloßstellen, Anschreien oder lautes Schimpfen, Ignorieren, Kontaktverweigerung, Vorenthalten von Informationen, abschätzige Blicke oder Gesten und oder das Verbreiten von Gerüchten.

Dieses negative Verhalten richtet sich laut der EY- und Yougov-Studie tendenziell eher gegen Frauen als gegen Männer. Letztere werden laut beiden Studien etwa 6 Prozent weniger häufig gemobbt als ihre Kolleginnen. Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit die soziale Erwünschtheit einen Einfluss auf dieses Ergebnis hat. Aufgrund der Sozialisierung könnte es Männern eher unangenehm sein, zuzugeben, dass sie schon einmal Opfer von Mobbing waren. Sich selbst als Mobber identifizieren sich wenig überraschend deutlich weniger Menschen. Laut Yougov-Studie geben nur vier Prozent der Befragten zu, schon einmal eine Kollegin oder einen Kollegen schikaniert zu haben. Wenn es zu Mobbing kommt, dann meist in der direkten sozialen Interaktion (81 Prozent der Fälle) und weniger häufig in der virtuellen Welt.

Viele Fälle, wenig Aussprache

Mit ihrem Arbeitgeber sprechen dabei bei weitem nicht alle Opfer. Gerade einmal knapp die Hälfte (49 Prozent) aller von Mobbing oder Diskriminierung betroffenen Arbeitnehmenden haben die Vorfälle gegenüber ihrem Vorgesetzen gemeldet – so die aktuelle EY-Studie. Wer jetzt denkt, dass die Betroffenen die Sache eben unter sich ausmachen, sollte laut Samira Charkaoui, Managing Director beim ESG Institut, zweimal überlegen. Auf Linkedin schreibt sie, dass Mobbing ein Thema sei, dass HR auf dem Schirm haben sollte. Schließlich schädigten Mobber am Arbeitsplatz die Moral der Belegschaft sowie den Ruf und die Aussichten des Unternehmens. Es entstehe eine toxische Umgebung, die es den Mitarbeitenden erschwert, miteinander zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten.

Ihrer Beobachtung nach tun Managerinnen und Manager zu wenig gegen aufkommende Mobbing-Fälle. Vielmehr seien sie oft überfordert mit dem Umgang solcher Vorkommnisse oder hätten Angst davor, einen Mitarbeiter beziehungsweise eine Mitarbeiterin zu verlieren oder den Ruf des Unternehmens zu schädigen, wenn sie das Mobbing ansprechen. Hier brauche es Aufklärungsarbeit und Unterstützung vonseiten HR. Auch weil in vielen Fällen Menschen im Unternehmen gemobbt werden, die der Arbeitgeber eigentlich halten möchte. Mobberinnen und Mobber „können Menschen ins Visier nehmen, die sie als Bedrohung ihrer Vorherrschaft empfinden, zum Beispiel solche, die qualifizierter, erfahrener oder bei den Kollegen beliebter sind oder einer Minderheit angehören“, so Charkaoui.

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So leiden die Betroffenen

Wer als Arbeitgeber Mobbing am Arbeitsplatz erlaubt, kommt seiner Fürsorgepflicht nicht nach. Denn das Schikanieren kann bei dem oder der Betroffenen Angstzustände, Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder chronische Schmerzen verursachen, weiß Wirtschaftspsychologin Nina Riedel. Der gemobbte Mitarbeiter oder die entsprechende Mitarbeiterin kann ein Stück weit ihr Selbstbewusstsein verlieren und teilweise sogar an ähnlichen Symptomen wie bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden.

„Betroffene besitzen eine geringe Leistungsfähigkeit, sind häufig demotiviert und überfordert, sagt Riedel gegenüber der Personalwirtschaft. All das kann dazu führen, dass die gemobbten Arbeitnehmenden nicht mehr in der Lage sind, ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. „Häufig werden sie auch gekündigt, zur Kündigung gezwungen oder versetzt“, so Riedel. Das wiederum bedeutet Zusatzkosten für das Unternehmen und einen möglichen Imageschaden.

Eine Frage der Unternehmenskultur

Was kann HR nun aber gegen Mobbing tun? Das Etablieren der richtigen Unternehmenskultur spielt laut Riedel eine entscheidende Rolle. „Besonders in starren Strukturen und unter großem Druck, kommt es zu Mobbing“, sagt die Gesundheitsexpertin. „Weiter kann es zu Mobbing kommen, wenn es ungelöste Konflikte gibt oder das Unternehmen sich in einem Veränderungsprozess befindet.“ Im Umkehrschluss bedeutet das: flexible Strukturen, eine gute Fehlerkultur, die Druck aus Veränderungsprozessen nimmt, sowie die offene Ansprache von Konflikten oder Unstimmigkeiten kann Mobbing auf der Arbeit verhindern.

Was aber, wenn dies nichts bringt oder es unter Umständen schon zu spät ist, und eine Mitarbeiterin einen Kollegen mobbt? Birgitt Bernhard, Bereichsleiterin Weiterbildung und Produktmanagement bei der WEKA, zieht dafür eine Checkliste heran, die sie auf Linkedin vor Kurzem geteilt hat. Sie besteht aus folgenden Schritten:

  • Nimm die Mobbingvorwürfe ernst und gehe ihnen nach
  • Ziehe keine voreiligen Schlüsse oder mache Anschuldigungen
  • Suche ein vermittelndes Gespräch zwischen möglichem Täter und Opfer
  • Versuche an Beweise zu gelangen
  • Ziehe bei Bedarf eine externe Fachstelle hinzu

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Die arbeitsrechtliche Perspektive

In besonders schweren Fällen können auch arbeitsrechtliche Schritte eingeleitet werden. Generell hat der oder die vom Mobbing Betroffene einen Anspruch gegen den Arbeitgeber, das Mobbing zu unterbinden, schreibt Rechtsanwalt Ulrich Hallermann in einem Blogpost. Tut der Arbeitgeber dies nicht, könne dem Betroffenem im Einzelfall ein Zurückbehaltungsrecht seiner Arbeitsleistung zustehen, um sich nicht weiter den Anfeindungen aussetzen zu müssen. Sprich: Er oder sie muss nicht zur Arbeit erscheinen. Des Weiteren kann der betroffene Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin den Arbeitsvertrag unter Umständen fristlos kündigen. Zuvor müsse allerdings ausführlich und mehrmals mit dem Arbeitgeber und dem Mobber über das Problem gesprochen worden sein. In Einzelfällen kann die betroffene Person ein Recht auf eine Geldentschädigung aufgrund der negativen Folgen des Mobbings haben, oder kann sich möglicherweise auftretende Behandlungskosten aufgrund von durch die Schikane verursachten gesundheitlichen Probleme erstatten lassen. All dies zeigt: Mobbing ist ein nicht zu unterschätzendes Problem für Unternehmen.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.