Die Debatte um die Vier-Tage-Woche bleibt weiterhin emotional. Auch deswegen wollte ein Forschungsteam rund um Carsten Meier, Inhaber der Beratungsfirma Intraprenör, und Wirtschaftsprofessorin Julia Backmann von der Universität Münster mit einem großangelegten Pilotprojekt mehr Rationalität reinbringen. Geklappt hat das nur so halb. „Wir bekamen Hassnachrichten und empörte E-Mails“, sagt der Berater gegenüber der ZEIT. Man hätte ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen vorgeworfen, Deutschlands Wirtschaft mit dem Projekt zu zerstören.
Das Team des Vier-Tage-Woche-Pilotprojekts fand in Deutschland 41 Unternehmen, die für ein halbes Jahr die Stundenreduzierung ohne Gehaltseinbußen ausprobierten. Zwischen Februar und Juli 2024 reduzierten die teilnehmenden Organisationen die Anzahl der Arbeitsstunden unterschiedlich stark. Im Durchschnitt entschieden sich die meisten Unternehmen dabei nicht für das klassische Vier-Tage-Wochen-Modell mit einer Stundenreduzierung von 20 Prozent und damit meist acht Stunden pro Woche bei einer Vollzeitstelle. Stattdessen arbeiteten die Beschäftigten in den meisten der teilnehmenden Unternehmen vier Stunden pro Woche weniger als zuvor – was übrigens auch bei der vor rund eineinhalb Jahren veröffentlichten UK-Studie zur Vier-Tage-Woche der Fall war.

Zudem sind bei der deutschen Studie sechs Unternehmen (zusätzlich zu den 41 teilnehmenden) zu Beginn des Tests schnell abgesprungen. Grund dafür seien wirtschaftlich herausfordernde Situationen und Personalknappheit. Manche Unternehmen bezahlen ihre Mitarbeitenden nach Stunden, und das ließe sich mit der Umstellung auf die Vier-Tage-Woche schwer vereinbaren.
Stundenreduzierung fiel sehr unterschiedlich aus
Die Studienverfasserinnen und -verfasser schlussfolgerten daraus: „Nicht jede Organisation kann die Arbeitsstunden um 20 Prozent reduzieren, ohne die Stundenanzahl an den übrig bleibenden vier Tagen zu erhöhen.“ Sie sehen dies aber auch positiv: „Dass die Stundenreduzierung so unterschiedlich ausfiel und so verschiedene Vier-Tage-Modelle getestet wurden, zeigt, dass es keine One-size-fits-all-Lösung gibt.” Stattdessen müssten Organisationen ihre Stundenreduzierung ihren jeweiligen Bedürfnissen und denen ihrer Branche sowie ihrem organisationalen Kontext anpassen.
Um dieselbe Arbeit in weniger Zeit zu vollbringen, haben die teilnehmenden Unternehmen bewusst Ablenkungen reduziert, Prozesse optimiert, die Anzahl der internen Besprechungen verringert und auf neue digitale Tools gesetzt. Doch, mit welchem Ergebnis?
Wohlergehen steigt, Produktivität bleibt gleich
Zu großen Teilen hat sich nichts verändert. Die Performance-Zahlen der Unternehmen sind größtenteils gleich geblieben. Das gilt auch für die Jobzufriedenheit und die Wechselbereitschaft der Mitarbeitenden. Weniger Krankheitstage verzeichneten die Unternehmen ebenfalls nicht. Was sich aber verbessert hat, ist das mentale und physische Wohlergehen der Beschäftigten. Teilweise hat sich das neue Arbeitszeitmodell auch positiv auf Recruitingquoten (mehr eingegangene Bewerbungen und erfolgreiche Neueinstellungen) ausgewirkt. Die Studienverfasserinnen und -verfasser betonen vor allem den gesundheitlichen Nutzen, aber auch eine Produktivitätssteigerung. Von letzterer gehen sie aus, weil die Performance-Zahlen trotz verringerter Arbeitszeit gleichgeblieben sind.
Obwohl die Ergebnisse weitaus weniger positiv ausfallen als beispielsweise beim Pilotprojekt in der UK, wo die Zahl derjenigen Mitarbeitenden, die das Unternehmen verlassen, um 57 Prozent sank und teilweise die Krankheitstage weniger geworden sind, sehen die Studienverfasserinnen und -verfasser mit der Studie dennoch bestätigt: Die Vier-Tage-Woche ist eine sinnvolle, moderne Arbeitsweise.
Die Befürchtungen von Skeptikern und Skeptikerinnen bezüglich der Vier-Tage-Woche bewahrheiteten sich – zumindest im Testzeitraum und für die doch sehr kleine und nicht repräsentative Testgruppe – nicht. Als Befürchtungen identifizierte eine Randstad-ifo-Personalleiterbefragung vom zweiten Quartal 2024 die Sorge, mehr Personal zu benötigen, einen hohen Organisationsaufwand zu haben und einen gesamtgesellschaftlichen Wohlstandsverlust zu verzeichnen. Ob sich der Fachkräftemangel mit der großflächigen Einführung einer Vier-Tage-Woche verschärfen würde– wie es die von Randstad und ifo befragten Personalleiter befürchten –, kann das Pilotprojekt aufgrund des nur für einen bestimmten Zeitraum angelegten Studiendesigns nicht liefern. Es zeigt aber eine Tendenz auf: Wenn mit der Vier-Tage-Woche dieselbe Produktivität wie mit einer Fünf-Tage-Woche erreicht wird, brauchen Arbeitgeber auch nicht mehr Personal.
Arbeitgeber stehen Studie kritisch gegenüber
Die Aussagekraft der Pilotstudie kritisierte Steffen Kampeter, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), gegenüber der F.A.Z.. Die Studie basiere auf einer kleinen Zahl an Unternehmen, die prinzipiell alle der Vier-Tage-Woche offen gegenüberstehen, und ist nicht repräsentativ. Dies war allerdings auch nie Anspruch der Studie. Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, hätten sich bewusst dazu entschieden, nicht am Pilotprojekt teilzunehmen. „Sie wissen, dass es Produktivitätsreserven in diesen Größen nicht gibt“, wird Kampeter zitiert. Die Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt sei zudem einfach nur eine „massive Lohnsteigerung“.
Doch eine Vier-Tage-Woche muss nicht immer mit gleichbleibendem Gehalt einhergehen. Das zeigt die bereits erwähnte Randstad-ifo-Personalleiterbefragung. Demnach gibt es in 11 Prozent der befragten Unternehmen bereits eine Vier-Tage-Woche. Bei rund 50 Prozent von ihnen ist die Stundenreduzierung mit weniger Gehalt verbunden, bei 39 Prozent wurde eine Vollzeitstelle auf vier Tage statt auf fünf aufgeteilt. Nur in zehn Prozent der Fälle kommt es damit zu einer Stundenreduzierung bei gleichbleibendem Gehalt.
Interessant ist auch: Tendenziell führen eher kleine Unternehmen als große eine Vier-Tage-Woche ein. Das zeigt sich auch bei den Teilnehmenden des Pilotprojekts. Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager*innen und Vorständin für Arbeit und Soziales bei BP Europa SE, erklärte sich das bereits vor einem Jahr bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen des Deutschen Personalwirtschaftspreises so: Bei größerer Komplexität und Besonderheiten wie verschiedenen Zeitzonen werde das schwierig, denn „einen Tanker zu manövrieren, dauert auch länger als ein Speedboot“. Außerdem warf sie die Frage auf: „Was könnte an dem fünften Tag, der bei diesem Modell wegfällt, geleistet werden?“ Diese Leistung bräuchten wir in Zukunft.
Jeder Fünfte geht zurück zum alten Arbeitszeitmodell
Wie geht es nach der Pilotphase für die teilnehmenden Unternehmen weiter? 73 Prozent möchten die Vier-Tage-Woche weiterführen (weitaus weniger als die 92 Prozent beim UK-Experiment), 20 Prozent kehren wieder zu ihren alten Arbeitszeitmodellen zurück. Die Entscheidung gegen die Vier-Tage-Woche hat unterschiedliche Gründe: eine höhere Arbeitsdichte und somit mehr Stress, eine gesunkene Motivation von Mitarbeitenden, welche sich schlecht selbst organisieren können, sowie administrative Komplexität oder die Sorge um eine mangelnde Reaktionsgeschwindigkeit auf unvorhersehbare Situationen.
Aus der Studie geht folglich vor allem heraus, dass Unternehmen eine Stundenreduktion individuell und flexibel vornehmen sollten. Dafür plädiert auch Arbeitszeit-Experte Guido Zander. Gegenüber der Tagesschau betont er: „Ich hadere damit, dass eine Arbeitszeitreduktion immer unter dem Begriff Vier-Tage-Woche summiert wird. Die Effekte, die wir bei der Studie sehen, sind auch mit einer flexibilisierten Viereinhalb-Tage-Woche zu finden.“ Unternehmen könnten also breiter denken und für sich individuell eine Lösung finden, die Mitarbeiterwohl, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit vereinbart, ohne dabei offiziell eine Vier-Tage-Woche einzuführen.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.

