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Studie: Berufen narzisstische CEOs eher Narzissten in den Vorstand?

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Narzisstische CEOs berufen eher Narzisstinnen und Narzissten in den Vorstand als solche Geschäftsführer, die selbst nicht narzisstisch veranlagt sind. Das geht aus einer Analyse von mehr als 11.000 LinkedIn-Profilen US-amerikanischer Top-Managerinnen und -Managern hervor. Das Forschungsteam der Technischen Universität Dortmund und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg untersuchte dafür die Anzahl der Bilder der Führungskraft, die Länge des Textes in der Info-Box der Profile, die die CEOs selbst schreiben, sowie die gelisteten Kenntnisse, Zertifikate und beruflichen Stationen.

Diese Kennzahlen bringen die Forschenden direkt mit Attributen zusammen, welche die Forschung Narzisstinnen und Narzissten zuschreibt. So steht für das Forschungsteam die Anzahl der geposteten Bilder von sich selbst für die Attribute „Ich stehe gern im Mittelpunkt“ sowie für „Ich mag es, mich selbst im Spiegel anzusehen“, die mit Narzissmus in Verbindung gebracht werden. Lange Info-Texte in den Profilen werden etwa den Attributen „Ich bin ein außergewöhnlicher Mensch“ oder „Jeder mag es, meine Geschichten zu hören“ zugeordnet.

Zuverlässige Indikatoren für Narzissmus

Lorenz Graf-Vlachy, Professor für Unternehmensführung an der TU Dortmund. (Foto: Aliona Kardash-TU Dortmund)

Wir haben die Studienersteller und -erstellerinnen gefragt, ob das zuverlässige Indikatoren für Narzissmus sind oder ob dieses Verhalten nicht mit der Nutzung der Plattform einhergeht. Posten nicht die meisten Menschen auf LinkedIn Bilder von sich und sprechen über Dinge, die sie bewegen und sich im Berufskontext ergeben oder sich auf den Beruf beziehen lassen, um die eigene Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt zu steigern? Prof. Lorenz Graf-Vlachy von der TU Dortmund hat uns darauf geantwortet: „Natürlich kann es verschiedene Motivationen geben, viele Bilder von sich selbst zu posten. Daher wäre ich auch vorsichtig, ‚Einzeldiagnosen‘ über einzelne Manager abzugeben. Aber im Durchschnitt funktioniert unser Maß sehr gut.“

Dieser Durchschnitt sei alles, was das Forschungsteam für die statistischen Auswertungen brauche. „Wir haben es gegen verschiedene andere, etablierte Maße validiert. Neben der Anzahl der Bilder berücksichtigen wir zusätzlich die Anzahl der Wörter in der ‚About‘-Sektion, die Anzahl der gelisteten Erfahrungen, Skills und Auszeichnungen. Auch die Tatsache, dass alle fünf Indikatoren positiv miteinander korrelieren, ist ein Hinweis darauf, dass das Maß valide ist“, erklärt er weiter.

Warum sind Narzissten in Führungspositionen problematisch?

Die Studienverfasserinnen und -verfasser haben eigenen Aussagen nach auch beobachtet, dass die Fluktuation in Unternehmen mit narzisstischen CEOs höher ist als in Unternehmen mit einer Geschäftsführung ohne narzisstische Veranlagung. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum Topmanager, die ihren Narzissmus ausleben, eine Gefahr für Unternehmen und Stakeholder sein können. In der März-Ausgabe der Personalwirtschaft aus dem Jahr 2021 haben wir weitere Probleme am Beispiel Wirecard und dem des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump in den USA herausgearbeitet.

Narzisstisch getriebene Entscheidungsträger oder Entscheidungsträgerinnen streben nicht nach vorbildlicher Führung im Sinne von Compliance-Vorgaben und eines aufgeklärten Menschenbildes, schrieben wir in diesem Beitrag. Stattdessen achten sie nur auf sich und wollen sich meist selbst bereichern – egal welche Konsequenzen das für den Rest der Belegschaft und ihr Team mit sich zieht. Sie setzen auf Hierarchien und halten nichts von New Work oder Diversity.

Zwar besitzt jeder Mensch gewisse Anteile dieses Egozentrismus und wer ein Unternehmen führen will, kommt nicht ohne sie aus (siehe auch „Standpunkt“ Aber sind diese Anteile dominant oder gar pathologisch groß, agieren solche Menschen oft besonders risikofreudig und können dem Unternehmen so schaden. Kritische Stimmen werden dann nicht mehr gehört oder gar formuliert, weil charismatische Narzissten und Narzisstinnen leicht Menschen gewinnen, die sich ihnen zu- und unterordnen. Unternehmen könnten daraus laut Graf-Vlachy aber auch Vorteile in Transformationsprozessen ziehen, weil Innovationen so tendenziell schneller vorangetrieben werden können.

Was können Unternehmen tun?

Um dem entgegenzuwirken, helfen Kontrollgremien wie Aufsichtsräte, die potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten für das C-Level genau unter die Lupe nehmen sollten. Auf Ebene der Führungskräfte kann HR direkt aktiv werden, zum Beispiel, indem es im Talent Management, der Führungskräfteentwicklung und bei der Nachfolgeplanung Verantwortung trägt und Narzisstinnen und Narzissten auf problematisches Verhalten hinweist oder diese ausschließt.

Unternehmen sollten bei Einstellungs- und Beförderungsprozessen darauf achten, dass Entscheidungen möglichst objektiv getroffen werden und nicht auf Basis persönlicher Intuition der Vorgesetzten, meint Lorenz Graf-Vlachy. Auch Managerinnen, Manager und CEOs müssten selbstkritischer agieren. „Problematisch ist, dass Spitzenführungskräfte sich ihrer eigenen Tendenzen bei Einstellungen oder Beförderungen möglicherweise nicht bewusst sind oder zumindest die Konsequenzen nicht absehen können“, kommentiert Lorenz Graf-Vlachy. „Wenn allen von vornherein klar wäre, dass Vorstandsgremien mit sehr narzisstischen Mitgliedern zu Konflikten führen, dann würde man sie vielleicht nicht so zusammenstellen.“

Tim Stakenborg war bis Sommer 2024 Redakteur bei der Personalwirtschaft.