Arbeitszeugnisse sind nach wie vor wichtig. Das sagen die Autorinnen und Autoren eines Studienpapiers von Haufe HR Services. Der Dienstleister hat im Herbst 2023 in Kooperation mit dem Unternehmen RIM Marktforschung eine branchenübergreifende Online-Umfrage in deutschen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden erhoben. Insgesamt wurden 410 Personen nach dem Ablauf und der Zufriedenheit mit dem Prozess der Zeugniserstellung in ihrem Unternehmen gefragt. 25 Prozent der Befragten waren HR-Verantwortliche, 25 Prozent Führungskräfte und 50 Prozent Mitarbeitende. Demnach wurden zum Erhebungszeitraum durchschnittlich 41 Arbeitszeugnisse im Monat erstellt. Zum Vergleich: Etwas höher lag dieser Wert im Jahr 2015. Hier wurden laut Haufe im Schnitt 38 Zeugnisse im Monat erstellt.

„Insgesamt nehme ich wahr, dass Arbeitszeugnisse an Bedeutung verlieren“, sagt hingegen Phillip Vojinovic, Leiter Talent Acquisition bei Thalia, der noch dieses Frühjahr eine neue Position beim Aluminiumhersteller Speira antritt. „In vielen Fällen ist die Aussagekraft von Arbeitszeugnissen gering und die Beurteilung ist häufig subjektiv. Und es fehlt ein wesentlicher Punkt: die Passgenauigkeit der Person für die zukünftige Stelle.“ Vojinovic und sein Team achten daher nur bei wenigen Positionen auf Arbeitszeugnisse – etwa für Bewerberinnen und Bewerber im Vertrieb. Etwa wenn der Lebenslauf viele Fragen aufwerfe, verzeichnet er zum Beispiel viele Wechsel in kurzer Zeit oder keine abschließende Auflistung der vergangenen Tätigkeiten, werde ein Blick in die Arbeitszeugnisse geworfen, um die Fragen aufzulösen oder weitere Infos zum Profil zu erhalten.
Was sagt das Arbeitszeugnis noch aus?
Gerade in sehr knappen Kandidatenmärkten erübrige sich seiner Meinung nach hingegen die Frage nach Zeugnissen, da zum einen für die Kandidatinnen und Kandidaten Bewerbungsprozesse so einfach wie möglich gehalten werden sollten und zum anderen der fachliche und kulturelle Fit im Vordergrund stünde, der in Gesprächen geprüft würde, sagt der Personaler. Lediglich einige Fachbereiche fragen laut Vojinovic noch vereinzelt nach Zeugnissen, „weil sie den Führungskräften einen Überblick über die Tätigkeitsfelder geben, die die Kandidatinnen und Kandidaten zuvor bearbeitet haben.“
Über die Leistung dabei sagten die Zeugnisse – auch aus juristischen Gründen – wenig aus. „Der Großteil der Zeugnisse bewegt sich ohnehin rund um die Note Zwei“, sagt der Personaler, weshalb diese Bewertung ein wenig differenziertes Bild zuließe. „Arbeitszeugnisse sollten die Einstellungsentscheidung nicht zu stark beeinflussen. Es besteht immer die Gefahr, dass durch eine falsche Lesart des Zeugnisses ein Bias entsteht, der einer objektiveren Beurteilung, ob die Person zum Unternehmen passt, im Wege steht.“
Das ist eines der Hauptargumente derer, die nicht müde werden, etwa in den sozialen Netzwerken den vermeintlich nahen Tod des Arbeitszeugnisses herbeizuschreiben. Gar zum „Witzwisch“ degradiert etwa der CEO einer Kommunikationsagentur das Dokument auf Linkedin.
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Arbeitszeugniserstellung oft nicht digitalisiert
Noch lassen sich offenbar viele Mitarbeitende spätestens am Ende ihrer Beschäftigung ein Arbeitszeugnis aushändigen – sicher ist sicher. Dieses wird unabhängig von der Unternehmensgröße laut Haufe-Studie in 70 Prozent der Fälle mit Textverarbeitungs- oder Tabellenkalkulationsprogrammen erstellt. Im Jahr 2015 betrug dieser Wert noch 85 Prozent. Verdoppelt hat sich seitdem der Anteil der Unternehmen, die Zeugnismanagementprogramme verwenden. Lag er 2015 noch bei 15 Prozent, nutzen zum Erhebungszeitraum 30 Prozent der Unternehmen solche für die Zeugniserstellung. Nach dem Einsatz von KI-Anwendungen fragt die Studie nicht.
Auch Thalia nutzt ein solches digitales Tool. „Der Prozess ist einfach, jedoch nimmt die individuelle Anpassung einige Zeit unserer Führungskräfte in Anspruch“, sagt Vojinovic. Etwa um die genaue Tätigkeitsbeschreibung, die Beschreibung von Sonderprojekten und außergewöhnliche Leistungen zu ergänzen. Danach werde es mit dem Tool in eine Zeugnisform gebracht, unterschrieben und versendet.
Die Zeugniserstellung geht in den meisten Fällen zügig von statten. Laut Studie benötigen die bis zu drei involvierten Personen (HR-Fachkraft, Führungskraft und Mitarbeiterin beziehungsweise Mitarbeiter) in 75 Prozent der Fälle maximal zwei Wochen, um das Zeugnis zu erstellen.
Tim Stakenborg war bis Sommer 2024 Redakteur bei der Personalwirtschaft.

