„New Learning“ ist ein Buzzword, das die HR Welt bereits einige Zeit umtreibt. Wie so oft nimmt sich die duale Berufsausbildung raus und untersucht nicht, was sie davon für eine bessere Berufsausbildung mitnehmen kann.
Die Standardisierung der Ausbildung durch Ausbildungsordnungen und das gute Bild des dualen Modells im Ausland verhindern das Eingeständnis, dass die Art des Lernens in der Ausbildung wie auch in der Schule mittlerweile überholt ist. Hier bedarf es einer Revolution!
Für deklaratives Wissen werden Ausbildende nur bedingt benötigt
Die Inhalte der Ausbildungsordnungen und Ausbildungsrahmenpläne bieten den Rahmen für die Inhalte, die dann auch in den Betrieben vermittelt werden sollen. Natürlich ist dieses Grundgerüst sinnvoll. Aber häufig wird es entweder nicht gelebt oder die Auszubildenden werden zu wenig auf die Praxis nach der Ausbildung vorbereitet.
Im „Ausbilderschein“ werden Methoden zur Vermittlung der Inhalte vorgestellt, die ihre Berechtigung haben, jedoch auch immer die Ausbildenden in den Vordergrund stellen – und nicht die Auszubildenden. Klar: Ohne Erstere ist die Vermittlung der Inhalte nur begrenzt möglich, jedoch werden insbesondere für die Vermittlung von deklarativem Wissen (Theorie- und Faktenwissen) Ausbildende nur bedingt benötigt.
Die erziehungswissenschaftliche Forschung hat schon vor mehr als 20 Jahren den Konstruktivismus als neue Lerntheorie postuliert. Lernende sollen die eigene Wirklichkeit selbst „konstruieren“. Was sie lernen, hängt sowohl von den Erfahrungen, Einflüssen und Rahmenbedingungen der Lernenden. Lehrende haben weniger die Aufgabe, einzelne Inhalte vorzugeben, als für gute Rahmenbedingungen und Erfahrungen zu sorgen, in denen die Lernenden bestmöglich lernen können.
Innovative Technologien und moderne pädagogische Ansätze
New Learning, also „Neues Lernen“, baut darauf auf und verknüpft innovative Technologien mit eben solchen pädagogischen Ansätzen. Dabei geht es darum, Lernende aktiv einzubeziehen und sie zu eigenständigem Denken und Problemlösen zu ertüchtigen. New Learning setzt dabei auf kollaborative Lernumgebungen, in denen Lernende ihre Kenntnisse und Fähigkeiten gemeinsam mit anderen erweitern können. Diese Lernumgebungen können sowohl virtuell als auch physisch sein, je nach Bedarf und Kontext.
Durch den Einsatz von Lernplattformen, Online-Kursen und virtuellen Simulationsumgebungen können Auszubildende auf eine Vielzahl von Ressourcen zugreifen und ihr Wissen flexibel und individuell erweitern. Sie können Lerninhalte in ihrem eigenen Tempo durchgehen und haben die Möglichkeit, sich auf ihre individuellen Interessen und Stärken zu konzentrieren. Dadurch wird das Lernen nicht nur effektiver, sondern auch motivierender. Durch den Einsatz neuer Technologien wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) können Auszubildende realitätsnahe Simulationen durchführen, komplexe Szenarien erleben und praktische Fähigkeiten entwickeln. Dies ermöglicht ein hohes Maß an Immersion und praktischer Erfahrung, das in bekannten Lernumgebungen oft schwer zu erreichen ist.
Aber New Learning geht über den Einsatz von Technologien hinaus. Es geht auch um neue pädagogische Ansätze, die auf die individuellen Bedürfnisse und Lernstile der Auszubildenden eingehen. Statt reiner Wissensvermittlung liegt der Fokus auf der Entwicklung von Kompetenzen wie kritischem Denken, Problemlösungsfähigkeiten, Teamarbeit und Kommunikation. Die Auszubildenden werden ermutigt, aktiv zu lernen, Fragen zu stellen, Ideen auszutauschen und selbständig Lösungen zu finden. Dadurch werden sie besser auf die Anforderungen der heutigen Arbeitswelt vorbereitet, die von Flexibilität, Kreativität und Innovation geprägt ist.
New Learning bietet eine aufregende Perspektive
Natürlich entsteht hier ein Spannungsfeld zwischen dem, was Auszubildende nach der Ausbildung können sollten, und dem, bei dem sie von sich aus besonders motiviert sind. Ich bin jedoch der Meinung, dass sich dieses Spannungsfeld auflösen lässt – und es geradezu die Aufgabe des Ausbildungspersonals sein sollte, Begeisterung (auch) für die nicht so spannenden, standardisierten Inhalte zu erzeugen. Gleichzeitig kann die Beschäftigung mit Inhalten über die Ausbildungsordnungen hinaus zu Wissen führen, das dem Unternehmen nur zugutekommen kann und Zukunftsfähigkeit schafft.
Die Umsetzung von New Learning in der Ausbildung erfordert eine sorgfältige Planung, Schulungen der Berufsschullehrenden und Ausbildenden sowie die Bereitstellung angemessener technischer Infrastruktur. Nicht alle Auszubildenden haben Zugang zu den erforderlichen Technologien, und es besteht die Gefahr einer weiteren digitalen Kluft. Es ist daher wichtig, dass Bildungsinstitutionen und Unternehmen gemeinsam daran arbeiten, diese Hindernisse zu überwinden und allen Auszubildenden diese Technologien zur Verfügung zu stellen und sie bei Herausforderungen zu unterstützen.
Dann nämlich bietet New Learning auch in der Ausbildung eine aufregende Perspektive. Es ermöglicht eine individuelle und flexible Lernerfahrung, fördert kritisches Denken und Problemlösungsfähigkeiten und bereitet Auszubildende besser auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt vor. Es ist an der Zeit, dass wir das Potenzial dieser Revolution des Lernens nutzen und die Ausbildung auf ein neues Niveau heben!
Info
Claudia Schmitz ist Unternehmerin, Beraterin, Autorin und Speakerin. Für die Personalwirtschaft kommentiert sie jeden Monat Entwicklungen und Verbesserungsbedarfe bei der dualen Berufsausbildung. Ihre Kolumne finden Sie hier.
