Welche Kompetenzen sind in der Berufsausbildung wichtig und künftig relevant? Das ist die Frage, die sich alle Unternehmen eigentlich stellen sollten. Doch anstatt sich mit den Zukunftskompetenzen zu befassen und zu ermitteln, welche Fähigkeiten die jeweiligen Beschäftigten tatsächlich benötigen, um arbeitsfähig zu sein, wird an der Ausbildungsordnung festgehalten. Die starren Ausbildungspläne werden nur selten – und wenn, dann meist zufällig – verändert.
Ein starres System
Die Ausbildung steckt in der Krise. Schuld daran ist ein grundsätzliches Problem: Kompetenzvermittlung wird in der dualen Berufsausbildung häufig als das Abbilden des Ausbildungsrahmenplans für das jeweilige Berufsbild in der betrieblichen Ausbildung verstanden. Dieser hilft zwar dabei, verschiedene Berufe miteinander zu vergleichen. Doch diese Struktur fokussiert – trotz vermeintlich stetiger Modernisierungen – fast ausschließlich die Vermittlung der notwendigen fachlichen Kenntnisse, die der Job erfordert, und weniger das Ziel, Auszubildende zu mitdenkenden, lösungsorientierten Mitarbeitenden zu entwickeln. Diese Skills werden zukünftig die wichtigsten Fähigkeiten von Mitarbeitenden sein, um Neues lernen zu können.
Ein weiterer Fehler, den HR häufig macht, ist Azubis nicht in den Fachbereichen im Unternehmen auszubilden, in denen sie nach der Ausbildung arbeiten sollen. So müssen viele Ausgebildete erst noch am neuen Einsatzort eingearbeitet werden.
Diese Skills braucht es
Doch welche Fähigkeiten werden eigentlich in Zukunft wichtig? Laut dem „Future Skill Framework 2021“ des Stifterverbandes und McKinsey sind es insbesondere 21 Kompetenzen, die Mitarbeitende die Herausforderungen der Digitalisierung, Klimawandel und auch Pandemie bewältigen lassen. Dazu gehören beispielsweise die Kompetenzen Digital Literacy, Digital Learning, Agiles Arbeiten, Lösungsfähigkeit, Resilienz, Veränderungskompetenz und Dialog- und Konfliktfähigkeit.
Neue Anforderungen an das Kompetenzprofil von zukünftigen Nachwuchskräften werden damit notwendig – und damit eine Anpassung des beschriebenen starren Ausbildungssystems.
Fachliche Kenntnisse aus den einzelnen Ausbildungsberufen werden in dieser Kolumne weniger betrachtet. Denn es wird in Zukunft mehr darauf ankommen, berufsbildübergreifende Fähigkeiten zu vermitteln, die es dann zulassen, nach der Ausbildung verschiedene Tätigkeiten zu übernehmen und mit dem schnellen Wandel der Arbeitswelt mithalten zu können.
So ist es beispielsweise für Elektroniker relevant, virtuell kommunizieren zu können, um Fehler, Informationen et cetera schnell und genau weiterzugeben. Das hilft dabei, Störungen schnell beheben zu können. Ebenso ist es für kaufmännische Auszubildende wichtig, wahrheitsgetreue Informationen von Falschinformationen bei ihrer Online-Recherche zu erkennen. Darüber hinaus treten in den aktuellen und zukünftigen Tätigkeitsfeldern neue Probleme auf, für die es komplexe Lösungsansätze braucht. Die Fähigkeit, diese Lösungen zu finden und gegebenenfalls in Abstimmung mit anderen Disziplinen und Berufsgruppen zu entwickeln, macht zukunftsfähige Mitarbeitende aus.
Ausbildende als Coaches
In diesem Zuge wird es für Unternehmen immer wichtiger, Personal zu finden und zu beschäftigen, das selbstständig arbeiten kann. Potenziellen Auszubildenden fehlt jedoch häufig genau diese Kompetenz „Selbstständigkeit“, die ihnen in der Schule nicht beigebracht wird. Diese ist auch nicht durch kurze Workshops erlernbar, sondern erfordert eine langfristige Förderung. Das verändert die Anforderungen an die Rolle der Ausbildenden: Weg vom „Erklärbär“ – hin zum Coach und Lern-Architekten – jemand der die Lerninhalte mit passgenauen, individuellen Lernpfade und Lernformate für die Lernenden zusammensetzt.
Die Bereitschaft für lebenslanges Lernen ist in diesem Zuge ebenfalls eine wichtige Anforderung an Auszubildende und Ausbildende. Lernen und Kompetenzerwerb sind nicht nach der Ausbildung abgeschlossen. HR muss deshalb über die kontinuierliche Talententwicklung nachdenken, bei der die Entwicklung von Auszubildende als Nachwuchskräfte nicht mit dem Ende der Ausbildung beendet ist.
Es braucht neue Lernformate und Lernorte
Die Vermittlung dieser Kompetenzen erfordert nicht nur eine Rollenerweiterung der Ausbildenden, sondern auch neue Lernformate und Lernorte wie zum Beispiel das Home Office und VR-Räume. Viele der Future Skills sind durch projektbasiertes Arbeiten erlernbar. Einige Ausbildungsbetriebe führen daher bereits eine Reihe von internen Projekten mit Auszubildenden durch. Dazu zählen beispielsweise Kreativworkshops, Präsentationen, Selbstlernzeiten, Planspiele und Juniorfirmen.
Diese neuen Lernformate und Lernorte erfordern wiederum neue Arbeits- und Hilfsmittel. So können etwa Sicherheitstrainings für Baustellen, Fabrikbereiche und Chemielabore mittels VR-Brillen absolviert werden. Theoretische Lerninhalte können auch via Lernplattformen oder Videokonferenztools von zu Hause oder auch aus Selbstlernräumen in Unternehmen von Auszubildenden eigenständig erarbeitet werden.
Zukunftskompetenzen in die Ausbildung integrieren
Um das Thema anzugehen, sollten Unternehmen drei Schritte befolgen:
- Analysieren Sie, welche der Zukunftskompetenzen für Ihren Ausbildungsbetrieb relevant sind. Fragen Sie sich, was es branchenspezifisch an technologischen Kompetenzen zu vermitteln gilt.
- Machen Sie sich im zweiten Schritt darüber Gedanken, was geeignete Formate und Lerninhalte sind, um die geforderten Kompetenzen zu vermitteln.
- Denken Sie im dritten Schritt darüber nach, welche Lernorte und Lernmittel den Kompetenzerwerb unterstützen können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, Zukunftskompetenzen müssen bereits in der Berufsausbildung vermittelt werden. Für jeden Ausbildungsbetrieb gilt es nun zu überprüfen, wie die Vermittlung dieser Kompetenzen in die Ausbildung integriert werden kann. Die betriebliche Ausbildung sollte einmal gründlich mit Blick auf Anpassungsbedarfe untersucht und gegebenenfalls neu aufgestellt werden.
In meinem Podcast „Ausbilder 4.0“ gehe ich noch einmal detaillierter auf die Skills ein, die zukünftig vom Ausbildungspersonal erwartet werden. „Future Skills von Ausbildenden“ erschien am 22. März 2023.
Autor
Claudia Schmitz ist Unternehmerin, Beraterin, Autorin und Speakerin. Für die Personalwirtschaft kommentiert sie jeden Monat Entwicklungen und Verbesserungsbedarfe bei der dualen Berufsausbildung.