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Wie können Arbeitgeber Expertenkarrieren fördern?

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„Karrieremanagement erlebt eine Renaissance“, sagt Bettina Faude. Als Director Work and Reward bei WTW in Frankfurt berät sie Unternehmen unter anderem im Bereich Performance- und Karriere- Management. „Momentan haben wir sehr viele Projekte mit Unternehmen, die das Thema Karriere breit denken und Karriere erlebbar machen wollen“, sagt sie. Und dazu gehört nicht mehr nur der klassische Aufstieg in die Führungsebenen – auch Expertinnen und Experten wollen und sollen Karriere machen können. Gemeinsam mit Bettina Faude klären wir die wichtigsten Fragen und die größten Fallstricke bei der Implementierung von dezidierten Expertenkarrieren.

Wieso sollten Unternehmen ihren Mitarbeitenden neben der klassischen Entwicklung zur Führungskraft auch andere Karrierepfade wie eine Expertenlaufbahn anbieten?

Traditionell wurde, wer Karriere machen wollte, irgendwann Führungskraft. Doch das führt nicht selten zu einer Lose-Lose-Situation, wie Bettina Faude beobachtet hat. Denn nicht jeder hat die Ambitionen oder die Fähigkeiten, ein Team zu führen. „Man verliert dann im Zweifelsfall einen guten Experten und bekommt eine schlechte Führungskraft“, sagt die Beraterin. Zudem fühle sich die neue Führungskraft meist nicht wohl in ihrer Rolle. Daher plädiert Faude dafür, auch alternative Karrieremöglichen wie zum Beispiel Expertenkarrieren anzubieten. Damit sind solche Laufbahnen gemeint, in denen Beschäftigte aufsteigen und „Karriere machen“ können, ohne dabei zwingend Personalverantwortung übernehmen zu müssen.

Wie lässt sich das realisieren?

Der erste Schritt ist laut Faude wie so oft, das Bewusstsein im Unternehmen zu schaffen und klar zu kommunizieren: Es gibt mehr als eine Führungskarriere. „Insbesondere Hightech-Unternehmen haben das schon vor Jahren erkannt“, hat sie beobachtet. „In vielen Unternehmen musste die Erkenntnis aber noch reifen.“ Ist es soweit, müssen Strukturen und Prozesse geschaffen werden, die aber in jedem Unternehmen individuell seien. „Es geht darum, herauszufinden, wo die Mitarbeitenden hinwollen, und wie sich das realisieren lässt“, sagt Faude. Dazu müsse man sehr intensiv mit ihnen kommunizieren und immer wieder nachfragen. Wichtig sei es, dass am Ende konkrete Entwicklungswege stehen. „Man darf den Menschen nicht nur ein Versprechen geben, dass sie Karriere machen können“, sagt Faude. „Man muss ihnen auch aufzeigen, wie sie das erreichen können.“ Viele Unternehmen machen laut Faude zudem den Fehler, dass sie aufhören, wenn sie die Strukturen geschaffen haben – und sich dann wundern, dass die Fachkarriere nur wenig angenommen wird.

Bettina Faude ist Director Work and Reward bei WTW in Frankfurt. (Foto: WTW)
Bettina Faude ist Director Work and Reward bei WTW in Frankfurt. (Foto: WTW)

Wie können Unternehmen dafür sorgen, dass Fachkarrieren besser angenommen werden?

Faude nennt hier das Stichwort „Career Experience“. Das beinhalte zum einen, dass HR kontinuierlich dabeibleibt, immer wieder kommuniziert und die Karrieremöglichkeiten bekannt macht. Auch das Thema Community Building sei für Expertinnen und Experten ein wichtiges Thema. „Sie wollen sich mit Leuten austauschen, die sie inhaltlich und fachlich weiterbringen“, hat Faude beobachtet. „Wenn ihnen das geboten wird, sagen sie im besten Fall: Das ist cool, da will ich weitermachen.“ Allerdings gelte das Thema „Experience“ in vielen Unternehmen als weiches Thema, weil es eben nicht so greifbar ist wie Strukturen und Prozesse. Wenn man aber das Angebot nicht bekannt und erlebbar macht, kann das auch dazu führen, dass sich die Beschäftigten in Mitarbeiterbefragungen über ein Fehlen von Entwicklungsmöglichkeiten beschweren. Dabei gibt es diese sehr wohl, sie sind nur nicht bekannt.

Welche Rolle spielen die Führungskräfte?

Eine essenzielle. Laut Bettina Faude sind sie es, die ihre Teammitglieder anleiten und motivieren, ihnen Freiräume und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bieten müssen. „Da müssen Unternehmen auch schauen, welche neuen Kompetenzen die Führungskräfte benötigen“, sagt die Beraterin. Sie müssten lernen, zu empowern, zu ermutigen und die nötigen Freiräume zu geben. Auch Entscheidungskompetenzen müssen klar geregelt werden. „Oft kommt es im Unternehmensalltag allerdings noch vor, dass vom Experten eine Entscheidung erwartet wird, er aber von seiner Führungskraft nicht den nötigen Freiraum zugestanden bekommt, um diese zu treffen.“

Welche Abteilung im Unternehmen sollte verantwortlich für das Thema sein?

Ohne Ownership lässt sich auch das Karrieremanagement nicht neu aufsetzen. Es brauche klare Verantwortlichkeiten, sagt  Bettina Faude – wobei die nicht immer bei HR liegen müssen. „Auf jeden Fall sollte man im Business selbst auch Sponsoren und andere Unterstützer in der Führungsmannschaft gewinnen“, sagt sie. „Denn so bekommt man die Aufmerksamkeit, die man braucht. Und die Motivation  der Entscheider ist essentiell.“ Überhaupt funktioniere alles nur in Zusammenarbeit von HR und Business. „Sie brauchen ja das Wissen über Jobs, Anforderungen und Perspektiven“, sagt Faude.

Zwar ist die ideale Ausgestaltung von Expertenlaufbahnen in allen Unternehmen unterschiedlich. Welche Aspekte sind denn überall wichtig?

Der zentrale Punkt ist laut Bettina Faude die Anerkennung und Wertschätzung der Experten. „Dazu gehört das Thema Sichtbarkeit im Unternehmen genauso wie ganz profane Themen wie der Titel, die Benefits und auch das Gehalt“, sagt die Beraterin.

Matthias Schmidt-Stein koordiniert die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet gemeinsam mit Catrin Behlau die HR-Redaktionen bei F.A.Z. Business Media. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit den Themen Recruiting und Employer Branding.