Die Chefin gibt dem Mitarbeiter Ziele vor. Dieser nickt das ab, was bleibt ihm auch anderes übrig? Und wie heißt das Ganze dann? Genau, „Zielvereinbarung“! So, nur etwas weniger überspitzt formuliert, läuft es in vielen Organisationen leider immer noch. Und dann werden Coaches und Trainerinnen wie ich dazu gebeten, ob man nicht etwas machen könne, gegen die Fluktuation, für mehr Motivation, damit die Teammitglieder mehr brennen – für jene Ziele, die ihnen von den Vorgesetzten vorgesetzt wurden.
Die meisten Organisationen haben irgendeine Form von Ziel-System. In den wenigsten Unternehmen ist man zufrieden damit. Dabei können Verantwortliche die am häufigsten gemachten Fehler beim Aufstellen, Kommunizieren, Verfolgen und Erreichen von Zielen vermeiden.
Zu irrelevant
Individuelle Ziele, die nicht in irgendeiner Form bedeutsam sind, die nicht irgendwie auf die Unternehmensstrategie einzahlen, sind in der Regel nur Ablenkungen. Denn je weiter die Ziele von der Arbeitsrealität der einzelnen Mitarbeitenden entfernt sind, je weniger Mitarbeitende die Ziele in Verbindung mit eigenen Werten bringen können, je unklarer die Ziele aus der Unternehmensstrategie abzuleiten sind, desto weniger Energie und Zeit wird das Personal zum Erreichen einsetzen.
Zu viele
Kennen Sie das OKR-System? Maximal drei weiche Richtungsziele („objectives“) und maximal fünf messbarere, konkrete Richtungsanzeiger („key results“) pro Person und Zyklus, das ist die Logik hinter dieser Zielfindungs- und -implementationsmethode, die bei Intel als Weiterentwicklung des „Management by Objectives“ erfunden und bei Google weltbekannt wurde. Je länger die Wäscheliste an Zielen, desto mehr Fragmentierung und desto weniger Fokus.
Zu vage
„Mehr Kundenorientierung“. „Innovativer“. „Neue Märkte“. Ziele dieser Art sind zu vage, bringen keinen Wumms hinter die geplanten Aktivitäten. Es gibt auch das Gegenteil, Organisationen, die besessen sind von Messbarkeit, von KPIs, von Viertelprozenten – aber es gibt eben auch ein zu wenig an Konkretion. Gerade in unruhigen Zeiten, wo einen leicht mal eine unvorhergesehene Krise, eine neue Störung abbringen mag vom geplanten Weg, sind Meilensteine und Etappenziele wichtig. Denn Fortschritt stärkt Motivation, und Fortschritt erleben Mitarbeitende nur, wenn der Elefant in kleine Scheiben geschnitten werden kann.
Zu anspruchsvoll
Wer zu schnell zu viel zu Schwieriges von sich oder anderen fordert, erntet nichts. Die Mitarbeitenden resignieren und sind gelähmt. Die von der Hamburger Psychologin und Motivationsforscherin Gabriele Oettinger entwickelte Woop-Methode etwa, denkt neben dem Ziel („Wish“), dem erwünschten Ergebnis („Outcome“) auch gleich das zu erwartende Hindernis („Obstacle“) und die Maßnahmen zu dessen Überwindung („Plan“) mit. Das ist eine Möglichkeit, um das Erreichen ehrgeiziger Ziele wahrscheinlicher zu machen. Eine andere Option, die in der bereits erwähnten OKR-Praxis üblich ist, ist Zielerreichungsquoten nicht von 100, sondern eher von 70, 80 Prozent anzupeilen.
Zu top-down
Ich Ansage, Du Ausführung: Wer Ziele so vorgibt, ermöglicht keine wirkliche Identifikation. Gute Ziele kommen von innen, sind intrinsisch motiviert. Besprechen Sie als Führungskraft Ziele im Dialog. Sprechen Sie darüber, was der Firma, was Ihnen, was den Teammitgliedern wichtig ist. Dann stehen die Chancen groß, dass daraus eine Zielvereinbarung wird, die den Namen verdient.
Christian Thiele ist Autor und Coach für positive Leadership. Sein Buch „Positiv führen für Dummies“ ist gerade im Wiley-Verlag erschienen, sein Podcast „Positiv Führen“ lässt sich auf allen großen Podcast-Plattformen abrufen.
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