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Ausländische Hilfskräfte sollen saisonale Schwankungen abfedern

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Unternehmen, vor allem im Saisongeschäft, sollen ab März insgesamt 25.000 Arbeitskräfte außerhalb der EU erleichtert rekrutieren und kurzzeitig beschäftigen können. Damit will die Bundesagentur für Arbeit dem Personalmangel im Dienstleistungssektor entgegenwirken. „Die neue kurzzeitige Beschäftigung eröffnet Arbeitgebern, etwa mit Saisongeschäft, eine gute Möglichkeit, ausländische Arbeitskräfte anzuwerben, sozialversicherungspflichtig und nach Tarif einzustellen. Das kann in Spitzenzeiten helfen, wenn es nicht möglich ist, ausreichend inländisches Potenzial zu erschließen“ sagt Vanessa Ahuja, Vorständin der Bundesagentur für Arbeit für das internationale Geschäft. Es handelt sich um kurzzeitige Beschäftigungen für maximal acht Monate, wie die Bundesagentur für Arbeit außerdem mitteilt.  

Die Regelung basiert auf der zweiten Säule des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, die am 1. März in Kraft getreten ist. Staatsbürger und -bürgerinnen aus Drittstaaten können demnach auch gänzlich ohne Berufsausbildung oder Studium zumindest zeitweise in Deutschland arbeiten. Auch wenn vor allem der Dienstleistungssektor mit der Maßnahme angesprochen wird, gilt die Regelung für alle Branchen, „ausgenommen sind jedoch Erntehelfer in der Landwirtschaft, für die es eigene Saisonarbeiterregelung gibt“, wie uns die Behörde auf Anfrage mitteilt. 

Wie läuft die kurzzeitige Beschäftigung ab? 

Die Arbeitskräfte werden von den Unternehmen selbst rekrutiert und angeworben, die Bundesagentur für Arbeit prüft dann, ob bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu zählen: Die besagte Person muss mindestens 30 Stunden pro Woche beschäftigt werden, der Arbeitgeber muss an einen Tarifvertrag gebunden sein und es muss eine Vergütung geben, die sich an den geltenden tariflichen Bestimmungen orientiert. Ist der Arbeitgeber nicht an einen Tarifvertrag gebunden, so muss er unter den Geltungsbereich eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags fallen. Dieser regelt dann, wie die ausländische Arbeitnehmerin oder der ausländische Arbeitnehmer in der angestrebten Tätigkeit entlohnt wird. Außerdem muss der Arbeitgeber die Reisekosten übernehmen. Eine Arbeitserlaubnis oder eine Vorabzustimmung zu einem Aufenthaltstitel können ab März online bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt werden. 

Das Kontingent von 25.000 gilt für das Jahr 2024. Für 2025 wird es ein neues Kontingent geben. Die Beschäftigung könne aber trotzdem ins neue Jahr hineinragen. Also ab August 2024 für acht Monate bis April 2025 beispielsweise. Somit geht es bei der Regelung nicht nur um Sommerspitzen, sondern dürfte auch im Weihnachtsgeschäft bei Engpässen helfen. 

„Die Neuregelung kommt für uns als Flughafen dieses Jahr zu spät“ 

Bereits im Jahr 2022 wurde eine ähnliche Regelung eingeführt. Hintergrund waren die in den Medien als „Flugchaos“ oder „Sommerchaos“ bezeichneten Umstände an deutschen Flughäfen. Denn 2022 stieg der Flugverkehr im Vergleich zu den Coronajahren 2020 und 2021 stark an, was nicht alle Flughäfen personell abbilden konnten. Die Möglichkeit der kurzzeitigen Beschäftigung ausländischer Hilfskräfte wurde 2022 allerdings recht spät eingeführt und beschränkte sich auf Arbeitskräfte aus der Türkei. Von 2.000 möglichen Arbeitserlaubnissen wurden Medienberichten zufolge noch nicht einmal 100 beantragt und erteilt. Zu wenig Vorlauf und eine Befristung der Beschäftigung bis zum November des Jahres machten es den Flughäfen schwer, das Angebot in Anspruch zu nehmen. Manche brauchten das Angebot aber auch gar nicht, teilte uns damals etwa der Frankfurter und Hamburger Flughafen mit. 

Aber wie sieht es dieses Jahr aus, wurde die Regelung so verbessert, dass sie bei den Arbeitgebern auf mehr Anklang stößt? Eine Einschätzung erhielten wir unter anderem vom Stuttgarter Flughafen: „Die aktuelle Neuregelung kommt für uns als Flughafen dieses Jahr zu spät, da die Zeit bis zum Sommer nicht mehr ausreicht, um zu rekrutieren, auszubilden und die notwendigen bürokratischen Anforderungen zu erfüllen“, sagt eine Pressesprecherin. Allerdings konnte man die offenen Stellen für die verkehrsstarken Sommermonate bereits im ausreichenden Maße besetzen, es werde aber Jahr für Jahr schwieriger. Vor allem für die Gewinnung von Arbeitskräften aus dem Ausland sei der bürokratische Aufwand sehr hoch. Für den Flughafen Stuttgart sei die Neuregelung grundsätzlich dahingehend zu begrüßen, dass sie eine belastbare gesetzliche Grundlage geschaffen hat und Planbarkeit für die Zukunft erlaube. „Das Problem, langfristig und nachhaltig den Personalbedarf am Flughafen zu decken, wird leider auch diese Neuregelung nicht lösen“, so die Pressesprecherin weiter. In dieser Hinsicht seien sie davon abhängig, dass bessere Grundlagen zur Rekrutierung von Arbeitskräften auch aus dem Ausland durch die Regierung geschaffen werden. 

Auch der Düsseldorfer Flughafen wird die Regelung wohl nicht in Anspruch nehmen. „Wir selbst sind kaum noch von Engpässen betroffen. Den am Airport tätigen Dienstleistern ist es mit eigenen Rekrutierungsmaßnahmen weitgehend gelungen, ausreichend Personal zu gewinnen“, teilt der Pressesprecher mit. Man begrüße aber weiterhin jede Initiative, die einem Fachkräftemangel entgegenwirkt. Gemeinsam mit der Agentur für Arbeit Düsseldorf habe man im Januar dieses Jahres zum zweiten Mal eine sehr erfolgreiche Jobmesse am Airport veranstaltet.

Wir haben zudem eine Einschätzung aus Frankfurt erhalten: „Fraport sucht überwiegend Beschäftigte, die über einen längeren Zeitraum mit uns zusammenarbeiten. Dies liegt daran, dass viele unserer Berufe eine intensive Einarbeitung vor Arbeitsbeginn erfordern“, teilt eine Unternehmenssprecherin mit. Dennoch würde Fraport in den nächsten Monaten die Möglichkeit eruieren, kurzzeitig Beschäftigte in den Spitzenzeiten einzusetzen. Für diese Art der kurzzeitigen Beschäftigung seien aber neue Schulungs- und Onboarding-Programme erforderlich, die im Vorfeld im Detail aufgesetzt werden müssen.

„Es ist keine nachhaltige Lösung“

Entsprechend der Flughäfen erleben auch die Hotels saisonale Schwankungen. Doch auch von ihnen könnte es eine Absage zum Programm der kurzzeitigen Beschäftigung geben: „Für die Problematik des Fachkräftemangels suchen wir nach langfristigen Perspektiven, deshalb sehen wir in der kurzzeitigen Beschäftigung keine Lösung für uns“, sagt Jan Grossmann, Head of Human Resources Central & Northern Europe bei B&B Hotels. Dies liege maßgeblich an zwei Faktoren: zum einen die Kurzfristigkeit und zum anderen, dass es keine nachhaltige Lösung sei. „Auch wir spüren den Fachkräftemangel jeden Tag intensiver und sind bereit viele Wege zu gehen, beispielsweise über mehr Aktivitäten auf LinkedIn, Messen und weitere Kanäle“, ergänzt Grossmann. Aktuell reiche das jedoch noch nicht aus, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. „Von daher begrüßen wir es ausdrücklich neue Wege zu gehen – diese sollten jedoch bestenfalls langfristige Perspektiven schaffen.“

Info

Dieser Artikel wurde zuerst am 1. März 2024 veröffentlicht und am 11. März 2024 um die Einschätzungen von Fraport und B&B ergänzt.

Gesine Wagner betreut als Chefin vom Dienst Online die digitalen Kanäle der Personalwirtschaft und ist als Redakteurin hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik. Sie ist weiterhin Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem verantwortet sie das CHRO Panel.