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Trotz umfassender Stellenausschreibungen, langwieriger Auswahlverfahren, umfangreicher Assessment Center und intensiver Einarbeitung kommt das Ende des Arbeitsverhältnisses oftmals früher als gewünscht: Fachleute schätzen, dass 20 bis 25 Prozent aller neuen Mitarbeiter bereits während der Probezeit ihr Unternehmen wieder verlassen – mal gewollt, mal ungewollt.
Das verwundert insofern, da gerade die Eingliederung neuer Mitarbeiter zu den wichtigsten Aufgaben des Personalmanagements zählt. Entsprechend viel Geld geben die Unternehmen aus, um die besten Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Zu den Kosten der Stellenausschreibung und -vermarktung kommt ein stetig steigender Aufwand für die Einarbeitung hinzu.
Immerhin: In den vergangenen Jahren ist das Bewusstsein der Unternehmen, ihren neuen Mitarbeitern den Einstieg zu erleichtern, deutlich gestiegen. Denn sie wissen: Die ersten Wochen und Monate sind entscheidend – schließlich gilt für beide Seiten: Der erste Eindruck zählt.
Mitarbeiterorientierte Arbeitgeber setzen daher längst auf das Onboarding, das über die einfache Einarbeitung hinausgeht. Es zielt vielmehr darauf ab, die neuen Kollegen möglichst reibungslos zu integrieren. Sie sollen sich wohl fühlen an ihrem Arbeitsplatz und schnell persönlichen Anschluss finden. Die Identifikation mit den Zielen und Werten des Unternehmens steht dabei im Vordergrund. Ist diese Grundlage erst einmal gelegt, fällt die Vermittlung des notwendigen Fachwissens leichter.
Digitales Onboarding mit vielen Vorteilen
Immer mehr Unternehmen nutzen hierfür auch digitale Arbeitgeberportale. Zum Standard gehören Software-Anwendungen, die den neuen Kollegen die wichtigsten Checklisten, Leitfäden und Termine bereitstellen. Darüber hinaus bieten die Portale aber noch eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten – in der Folge einige interessante Praxisbeispiele. Sie stammen allesamt aus einer HR-Studie des Top Employers Institute zum Onboarding. Hierzu befragten wir 600 als Top Employer zertifizierte Unternehmen mit jeweils mehr als 3.000 Mitarbeitern in 102 Ländern.
Ein Business-Dienstleister bietet beispielsweise ein webbasiertes Trainingsprogramm an. Mit ihm vermittelt er seinen neuen Mitarbeitern detaillierte Informationen über das Unternehmen, seine Tradition, Märkte und Kompetenzen. Für alle Neuankömmlinge ist der Kurs Pflicht. Sie müssen ihn in den ersten 30 Tagen absolvieren.
Ein anderes Beispiel: Ein pharmazeutisches Unternehmen entwickelte für das Onboarding eine eigene Microsite, auf der sich die neuen Mitarbeiter die wichtigsten Informationen in kreativen Videoclips anschauen können. So wie hier Youtube als Vorbild dient, geht der Trend beim Onboarding dahin, den Look & Feel der sozialen Medien für die firmeneigenen Mitarbeiterportale zu nutzen.
Entsprechend gestaltet ein weltweit operierender IT-Dienstleister sein internes Networking-Tool nach dem Vorbild von Facebook. Jeder Mitarbeiter kann sich ein persönliches Profil anlegen, anderen Kollegen folgen, fremde Inhalte „liken“ und teilen und eigenen Content online stellen. Die Idee dahinter ist einfach, aber wirkungsvoll: Junge Berufseinsteiger kennen die virtuelle Interaktion aus Social Media. Von dort ist es oft nur ein kleiner Schritt zum Mitmachen auf der interaktiven Plattform des neuen Arbeitgebers, insbesondere wenn er dazu eine attraktive und nutzerfreundliche Bedienungsoberfläche anbietet.
Das elektronische Onboarding spart nicht nur Zeit und Aufwand. Viele Personaler berichten auch von einer geringeren Fehlerquote, denn der Einarbeitungsprozess kann leichter standardisiert und laufend geprüft werden. Einige Unternehmen schalten ihr Portal sogar vor dem ersten offiziellen Arbeitstag frei, so dass die neuen Mitarbeiter Formalitäten schon vor ihrem eigentlichen Jobstart erledigen können.
Erfolgsmessung hinkt hinterher
Zwar setzen sich digitale Arbeitgeberportale beim Onboarding immer mehr durch, doch welchen Beitrag sie genau liefern – etwa wenn es darum geht, neue Mitarbeiter effizient in die Unternehmensabläufe zu integrieren – bleibt meistens im Verborgenen. Angesichts der hohen Investitionen in die Rekrutierung neuer Mitarbeiter, erscheint es fahrlässig, dass nur wenige HR-Profis ihre Onboarding-Maßnahmen im Nachgang messen.
Dabei gibt es bereits eine Vielzahl an aussagekräftigen Kennzahlen, mit denen sie eine objektive Erfolgsmessung von Recruiting-Prozessen durchführen könnten. Doch selbst Unternehmen, die ansonsten höchste HR-Standards erfüllen, arbeiten noch längst nicht mit entsprechenden Key-Performance-Indikatoren (KPI). Und wenn KPI verwendet werden, handelt es sich meistens um relativ einfache Kennzahlen – wie etwa der prozentuale Anteil der Mitarbeiter, die das Einführungstraining in der vorgegebenen Zeit absolviert haben. Oder es wird die Rate der Neueinstellungen ermittelt, die nach der Einarbeitung im Unternehmen verbleiben oder die als High Potentials eingestuft werden.
Inwieweit der Lernfortschritt und die Leistungen neuer Mitarbeiter zum allgemeinen Unternehmenserfolg beitragen, wird jedoch noch nicht systematisch untersucht. Die gute Nachricht: Immerhin geht der Trend in die richtige Richtung: Onboarding entwickelt sich von einem einmaligen Event hin zu einem längerfristigen Prozess. So prüfen einige Unternehmen die Lern- und Integrationsfortschritte neuer Mitarbeiter regelmäßig im Abstand von drei Monaten. Andere sehen ein Vier-Augen-Gespräch zwischen der Führungskraft und dem neuen Kollegen nach dem ersten Tag, der ersten Woche, dem ersten Monat und dem ersten Quartal vor. Auf diese Weise können auftretende Probleme und abweichende Erwartungen frühzeitig erkannt und korrigiert werden.
Richtiges Onboarding ist keine Frage der Unternehmensgröße
Während große Unternehmen über die personellen und finanziellen Mittel verfügen, um Programme wie das digitale Onboarding zu entwickeln, sucht man vergleichbare Möglichkeiten bei kleinen und mittleren Unternehmen häufig vergeblich. Dabei können Mittelständler auch mit relativ einfachen Maßnahmen einiges für die Einarbeitung und Integration neuer Mitarbeiter tun. Damit ein neues Teammitglied von Anfang das Gefühl vermittelt bekommt, dass seine Mitwirkung zählt, sollte er vom direkten Vorgesetzten oder besser gleich vom Firmenchef persönlich begrüßt und dem Kollegenkreis vorgestellt werden. Kleine Gesten, wie eine Begrüßungskarte oder ein Blumenstrauß auf dem Schreibtisch, machen den feinen Unterschied. Um die Orientierung zu erleichtern kann dem neuen Mitarbeiter ein Kollege aus der Abteilung an die Seite gestellt werden. Das „Buddy“-Modell hat sich bewährt, denn es sorgt dafür, dass Berührungsängste schnell abgebaut werden.
Neben diesen Maßnahmen gehören auch organisatorische und arbeitsrechtliche Inhalte zur Eingewöhnungsphase. Informationen zu den Arbeitszeiten, den wichtigsten Meetings und anderen Gepflogenheiten können dem neuen Mitarbeiter in einer Mappe überreicht werden. Kleinere Firmen scheuen häufig den Aufwand, der mit Einarbeitungsprogrammen verbunden ist. Die Zeiten, in denen man Neuankömmlinge einfach ins kalte Wasser werfen konnte, sind jedoch vorbei. Wer seine Talente nicht pflegt, muss damit rechnen, dass sie zum Wettbewerber wechseln. Das Onboarding, ob nun konventionell oder mit Unterstützung digitaler Plattformen, ist eine sinnvolle Investition. Wenn das Onboarding gut geplant ist, erreichen die neuen Mitarbeiter schneller den Punkt, an dem sie leistungsbereit sind und zum Erfolg des Unternehmens beitragen können.
Der Autor
Steffen Neefe ist Country Manager DACH des Top Employers Institute, das Unternehmen mit herausragender Personalführung und -strategie zertifiziert.