Frage an die HR-Werkstatt: Wie können Unternehmen Jüngere erreichen und was ist dabei zu beachten?
Es antwortet: Vedran Zolota, Unternehmenstrainer, Keynote-Speaker und Experte für die Generation Z
Die Generation Z ist mit digitalen Medien aufgewachsen und erwartet von potenziellen Arbeitgebern dementsprechend eine starke Online-Präsenz. Eine Studie der Europäischen Kommission zeigt, dass 96 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 16 und 29 Jahren, regelmäßig soziale Medien nutzen. Unternehmen sollten daher auf Plattformen wie Instagram, LinkedIn und TikTok aktiv sein und authentische Einblicke in die Unternehmenskultur bieten. Dabei sind mehrere Dinge zu beachten.
Nicht überall, aber aktiv
Nicht jeder Kanal ist für jedes Unternehmen sinnvoll. Aber die Kanäle, die man sich ausgesucht hat, müssen regelmäßig bespielt werden. Dabei ist es entscheidend, in den Beiträgen die Unternehmenskultur und die Arbeitsweise authentisch darzustellen. Authentisch bedeutet: Kein professionelles Kamerateam, sondern jemand aus dem Unternehmen nimmt Szenen aus dem Alltag der Mitarbeitenden auf, um kurz darzustellen, was für Aufgaben welche berufliche Position im Alltag hat. So schaffen Unternehmen einen besseren Einblick, was die zukünftigen Mitarbeitenden erwartet.
Der Kanal ist dabei abhängig vom Reifegrad der zukünftigen Mitarbeitenden und von der Stelle, die im Unternehmen durchgeführt werden soll. LinkedIn ist gut für zu besetzende Führungspositionen, TikTok für die Besetzung von Lehr-/Azubi-Stelen. Facebook wiederum eignet sich ideal zur Besetzung von handwerklichen Positionen im Unternehmen.
Ohne so eine starke Online-Präsenz riskieren Unternehmen, von der Generation Z übersehen zu werden, da diese das Internet intensiv nutzt, um sich über potenzielle Arbeitgeber zu informieren. Eine fehlende digitale Sichtbarkeit kann den Eindruck erwecken, dass ein Unternehmen technologisch rückständig ist oder nicht die von dieser Generation geschätzten Werte und Arbeitsweisen bietet. In wettbewerbsintensiven Branchen könnte dies zu einem erheblichen Nachteil führen, da andere, online aktivere Unternehmen auch als attraktivere Arbeitgeber wahrgenommen werden.
Interaktive Inhalte einbinden
Die Einbindung von interaktiven Formaten wie Umfragen, Q&A-Sessions oder Live-Streams erhöht Engagement und damit Interesse.
Mitarbeitende als Markenbotschafter
Wenn bereits bestehende Mitarbeitende ihre Erfahrungen in Beiträgen teilen, verleiht das der Marke ein menschliches Gesicht und erhöht die Glaubwürdigkeit.
Anwendungsbeispiel
Dass Unternehmen mehr eingehende Bewerbungen bereits mit verhältnismäßig wenig Aufwand generieren können, zeigt das Beispiel eines Vertriebsagentur-Start-ups Lionsales GmbH aus Österreich, das mit wenigen Bewerbungseingängen zu kämpfen hatte. Das Unternehmen begann damit, seinen Büroalltag und Mitarbeitende über Instagram-Stories und LinkedIn-Posts vorzustellen. Innerhalb eines Jahres, während unserer Zusammenarbeit, stieg die Anzahl eingegangener Bewerbungen um 30 Prozent.
Learn-Nuggets und Enge Kommunikation
Sind mehr Kandidatinnen und Kandidaten auf das Unternehmen aufmerksam geworden und wurden rekrutiert, müssen diese auch langfristig gebunden werden. Dafür sollten Unternehmen zum Beispiel ihre Ausbildungsinhalte anpassen, um den Erwartungen und Bedürfnissen der Generation Z gerecht zu werden. Die Generation Z hat eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne und ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Relevanz und direktem Nutzen der von ihr ausgeübten Tätigkeit.
Ausbildungsinhalte müssen also für die Generation Z in sogenannte Learn-Nuggets portioniert und möglichst interaktiv vermittelt werden. Im besten Fall passt man die ganze interne Kommunikation, insbesondere die Meeting-Struktur, in diesem Sinne an. Das bindet nicht nur die Generation Z besser in Ihre Abläufe ein, sondern führt ganz automatisch zu effizienteren Arbeitsbesprechungen.
Zudem zeigen zahlreiche Studien, dass junge Menschen trotz ihrer beständigen Online-Präsenz und -Vernetzung häufig ein Gefühl der Einsamkeit erleben. Eine Ausdrucksform ist die sogenannte FOMO (Fear of Missing Out), die eine Angst beschreibt, etwas Wichtiges oder Erfreuliches zu verpassen. Arbeitgebende und Ausbildende unterschätzen häufig, wie tief diese Angst reicht und dass hier eine ständige und enge Kommunikation gefragt ist: Mentorship- und Patenprogramme, regelmäßige Offline-Events, gemeinschaftliche Arbeits- und Entspannungsbereiche. Auch klare Kommunikationsregeln sind entscheidend. Die regeln, welche Kanäle welchem Austausch (Mail, Chat, All-in-One-Workspace, Firmen-Festnetz, Firmenhandy, privates Handy) dienen und wann Mitarbeitende auf diesen Kanälen erreichbar sein müssen.
Einer meiner Kunden, das mittelständische Handwerksunternehmen Rika Blechkomponenten GmbH, mit vielen jungen Mitarbeitenden bemerkte eine steigende Fluktuationsrate. Die folgerichtig durchgeführten Mitarbeiterbefragungen offenbarten: Die Mitarbeitenden fühlten sich überfordert, ständig für ihren Job erreichbar sein zu müssen und befürchteten, wichtige berufliche und soziale Ereignisse zu verpassen.
In der Folge führte das Unternehmen regelmäßige Transparenz-Updates über die Firmenentwicklung (wöchentlich 15 bis 30 min) ein und legte klar fest, wann welcher Kommunikationskanal genutzt werden sollte. Darüber hinaus wurde mit jedem Mitarbeitenden ein gezieltes Weiterbildungsprogramm ausgearbeitet und anschließend kontinuierlich betreut. Effizienz und Zufriedenheit der Mitarbeitenden stiegen drastisch, wie neue Befragungen zeigten.
Kurzfristig Geld, langfristig Sinn
Eine Studie von Deloitte zeigt, dass 64 Prozent der Generation Z finanzielle Sicherheit als kurzfristig wichtig betrachten, aber 87 Prozent geben an, dass der Sinn ihrer Arbeit langfristig entscheidend ist. Diese Generation sucht nach einer Übereinstimmung zwischen dem Zweck ihrer Existenz und ihrer beruflichen Tätigkeit. Unternehmen sollten daher auf folgende Dinge achten:
Bedeutungsvolle Projekte
Gerade in der Stellenbeschreibung ist es wichtig, Aufgaben und Projekte anzubieten, die von der Generation Z als bedeutungsvoll empfunden werden, beispielsweise soziale Verantwortung, Nachhaltigkeit oder innovative Lösungen für gesellschaftliche Probleme. Auch auf den Online-Kanälen müssen diese Dinge als das „Warum“ des Unternehmens immer wieder präsent sein.
Persönliche und berufliche Entwicklung
Die Möglichkeit, sich kontinuierlich weiterzubilden und weiterzuentwickeln, ist für die Generation Z entscheidend und sollte daher nicht erst auf Nachfrage eingeräumt werden. Stattdessen müssen im Intranet, in Mitarbeitergesprächen oder auch in Meetings Weiterbildungswünsche proaktiv abgefragt werden. Das beugt nicht nur Unzufriedenheit vor, sondern sorgt auch für eine kontinuierliche Professionalisierung des Unternehmens.
Werte leben
Die Generation Z möchte sehen, dass ihre Arbeit einen positiven Einfluss auf die Ergebnisse des Unternehmens, auf die Mitarbeitenden sowie auf das gesellschaftliche Umfeld hat und dass das Unternehmen hinter postulierten ethischen und nachhaltigen Zielen steht.
Anwendungsbeispiel
Der Acrobaleno Verein, ein Non-Profit-Unternehmen, das sich auf soziale Projekte konzentriert, hatte große Probleme mit Mitarbeiterbindung, bis es auf mein Anraten hin begann, regelmäßige Schulungen und Weiterbildungsmöglichkeiten für alle Mitarbeitenden anzubieten. Die bisher hohe Fluktuation halbierte sich und die Anzahl der Bewerbungen stieg um das Doppelte.
Flexibilität und Work-Life-Balance
Die Generation Z bevorzugt Arbeitsmodelle, die eine ausgewogene Work-Life-Balance ermöglichen. Laut einer Studie von Randstad (2021) betrachten 83 Prozent der jungen Berufstätigen Flexibilität als einen der wichtigsten Faktoren bei der Wahl ihrer Arbeitgeberinnen. Was heißt das konkret für die Unternehmen?
Homeoffice
Die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, bietet nicht nur mehr Freiheit bei der Gestaltung des Arbeitsalltags, sondern reduziert auch Pendelzeiten und erhöht die Lebensqualität.
Flexible Arbeitszeiten
Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung oder auch projektbasierte Arbeit erlauben es den Mitarbeitenden, ihre Arbeitszeit an persönliche Bedürfnisse und Verpflichtungen anzupassen. Das kann Stress maßgeblich reduzieren.
Anwendungsbeispiel
Microsoft stellte in einer eigenen Studie fest, dass die Einführung von flexiblen Arbeitszeiten und Remote Work die Fluktuationsrate senken kann. Über 40 Prozent der Arbeitenden weltweit haben darüber nachgedacht, den Arbeitgeber in diesem Jahr zu verlassen. 73 Prozent der Mitarbeitenden sind mit der neuen Arbeitszeitregelung zufriedener und empfinden die Work-Life-Balance als verbessert.
Fazit
Um die Generation Z zu erreichen und langfristig an das Unternehmen zu binden, müssen Ausbildende und Unternehmen ihre Arbeitsweisen an die Bedürfnisse und Erwartungen dieser Generation anpassen. Flexibilität, sinnstiftende Arbeit, enge Kommunikation und eine starke digitale Präsenz sind dabei zentrale Aspekte, um sich eine zukunftsfähige Belegschaft aufzubauen.
Autor
Vedran Zolota ist Unternehmenstrainer und Experte für die Generation Z. Als Keynote-Speaker im deutschsprachigen Raum hilft er Unternehmen dabei, ihre Employer Brand zu stärken.

