Viele Stimmen aus Politik und Teilen der Wirtschaft plädieren für noch mehr Zuwanderung. Als Argument wird meist der Fachkräftemangel genannt. Allerdings verlassen etliche Migranten und Migrantinnen Deutschland auch wieder und einige hatten nie geplant, hierzubleiben. Das zeigt eine aktuelle Studie, die sowohl die Gründe für Zuwanderung als auch Rück- oder Weiterwanderung untersucht hat, um daraus abzuleiten, wie eingewanderte Menschen gehalten oder zurückgewonnen werden können.
Für die von der Bundesagentur für Arbeit (BA) beauftragte Untersuchung hat das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) Ende 2021 und Ende 2022 bis Anfang dieses Jahres rund 1.900 aus Deutschland wieder abgewanderte Arbeitskräfte über das soziale Netzwerk Facebook befragt. Wie viele ausländische Fachkräfte derzeit wieder abwandern, ist unklar. Laut dem Migrationsbericht vom Bundesamt für Migrationsschutz betrug der sogenannte Abwanderungssaldo 2020 aber 200.000.
Um zu verstehen, warum eine Person geht, muss man wissen, mit welchen Erwartungen sie gekommen ist. Von den Befragten der Untersuchung der Bundesagentur für Arbeit sind die meisten der befragten Migranten und Migrantinnen für die Arbeit nach Deutschland gekommen oder aus finanziellen Gründen. Mit etwas Abstand folgen Ausbildungsziele, außerdem spielen familiäre Interessen und der Wunsch nach Sicherheit eine Rolle.
Vielschichtige Gründe für Abwanderung aus Deutschland
Haben Sie all dies in Deutschland nicht gefunden und haben die Bundesrepublik deshalb verlassen? Laut Studie müssen die Einwanderungs- und Abwanderungsgründe im Zusammenhang gesehen werden. Ein Viertel der befragten Arbeitskräfte aus Drittstaaten hat Deutschland aus aufenthaltsrechtlichen Gründen verlassen. Ein weiteres Viertel der Befragten gibt berufliche Gründe an, etwa das Ende einer befristeten Beschäftigung, beginnende Arbeitslosigkeit oder weil die im Heimatland erworbene berufliche Qualifikation nicht anerkannt worden ist.
Gleich die dritthäufigste Aussage ist jedoch, dass die Abwanderung oder Weiterwanderung von Anfang an so geplant war. Ausländische Fachkräfte verlassen Deutschland zudem wieder, weil sie sich hier nicht sicher fühlen oder ihre Ausbildung oder ihr Studium beendet haben. Was die Aufenthaltsdauer in Deutschland angeht, bleiben Beschäftigte mit Helfertätigkeiten am kürzesten. Das liegt meist daran, dass sie dort meist wenig Aufstiegschancen haben. Andere Zugewanderte finden erst gar keinen Job und verlassen deshalb das Land.
Daneben beeinflussen verschiedene wirtschaftliche und individuelle Faktoren die Aufenthaltsdauer, unter anderem zu teurer Wohnraum, zu hohe Lebenshaltungskosten, unrealisierbarer Familiennachzug, fehlende Integration sowie auch abgeschlossener Vermögensaufbau. Oft sind mehrere Motive gleichzeitig ausschlagend dafür, dass die Zugewanderten Deutschland wieder verlassen.
Diverse Hürden für Zugewanderte
Die Beschäftigungsaussichten und die Integration werden häufig auch durch mangelnde Sprachkenntnisse erschwert. Über die Hälfte der Befragten hatte vor oder unmittelbar nach der Zuwanderung keinen Sprachkurs absolviert. Jedem zweiten Zugewanderten ist die Orientierung nach der Ankunft in Deutschland eher schwergefallen, einem Fünftel der Befragten sehr schwer. Das betrifft vor allem auch den Umgang mit Behörden, aber auch die sich vom Herkunftsland unterscheidende Mentalität. Zwei Drittel der hochqualifizierten Fachkräfte aus außereuropäischen Ländern gaben außerdem an, in Deutschland diskriminiert worden zu sein.
Trotz der Probleme sagen die Befragten, dass sie in allen relevanten Lebensbereichen hierzulande zufriedener waren als im Herkunftsland, besonders hinsichtlich des Gehalts und der Arbeitnehmerrechte. Tatsächlich bejahen fast zwei Drittel der ausländischen Fachkräfte die Frage, ob sie gern hierher zurückkommen würden. Allerdings gilt: je höher das in Deutschland ausgeübte Tätigkeitsniveau, umso niedriger die Rückkehrbereitschaft. Wer hierzulande in Helferberufen tätig war, hat am häufiger den Wunsch, wiederzukommen.
Das empfehlen die Experten
Die für das internationale Geschäft der BA zuständige Vorständin Vanessa Ahuja vertritt die Ansicht, dass Deutschland mehr ausländische Arbeits- und Fachkräfte braucht, damit der Arbeitsmarkt weiterhin gut funktioniert. Sie plädiert dafür, bei der geplanten Reform der Fachkräfteeinwanderung schnellere, unbürokratischere Verfahren einzurichten und betont die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Konsenses, Arbeitskräfte aus Drittstaaten willkommen zu heißen und zu integrieren.
Zu den Maßnahmen, um Zugewanderte in Deutschland zu halten, gehören laut Studienverfasserinnen und -verfassern unter anderem ein verbesserter Zugang zu Sprachkursen, eine verbesserte Bereitstellung von Informationen in Bezug auf das Alltagsleben sowie Informations- und Weiterbildungsangebote, um mehr Transparenz über Arbeitsbedingungen, Arbeitsrechte und Aufstiegschancen zu schaffen. Das gelte insbesondere für diejenigen, die hier im Helfersegment arbeiten, um sie mittelfristig als qualifizierte Fachkräfte zu binden. Außerdem solle die Beratung und Vermittlung durch die BA auch solche Zugewanderte erfassen, die sich beruflich neu orientieren müssen oder wollen, da Brüche im Erwerbsleben häufig der Anlass zur Abwanderung seien.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.