Herr Rösch, zahlreiche Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern Unternehmensanteile als möglichen Vergütungsbestandteil an. Was steckt dahinter?
Unternehmen, die solche Modelle einführen, erhoffen sich eine höhere Motivation, Identifikation und Bindung der Mitarbeiter sowie eine höhere Attraktivität bei Kandidaten. Bei Start-ups und Scale-ups, die so etwas in viel größerem Umfang einsetzen als etablierte Unternehmen, kommt sogar noch ein Grund dazu: Sie können häufig keine besonders attraktive Vergütung zahlen und bieten über den Umweg der Unternehmensanteile eine mögliche höhere Vergütung in der Zukunft – wenn der Mitarbeitende heute auf ein Teil des Gehalts verzichtet.
Das klingt verlockend gerade für jüngere Beschäftigte, deren Lebenshaltungskosten oft noch nicht so hoch sind.
Das kann sein. Dazu kommt: Die betroffene Generation der Millenials sucht – das zeigen zahlreiche Studien – ein inspirierendes Umfeld, freuen sich aber auch über wirtschaftliche Vorteile. Und Ownership, also der Besitz von Unternehmensanteilen, verspricht auch für sie beides: Identifikation und ein potenzieller finanzieller Gewinn.
Die Höhe des Erlöses, wenn die Anteile verkauft werden, ist individuell. Was ist aber mit den anderen Versprechen, also Identifikation, Motivation, Attraktivität und Bindungswirkung? Erfüllt das Modell die Erwartungen der Unternehmen?
Das haben wir in einer Studie mit dem Deutschen Aktieninstitut vor einigen Jahren untersucht. Die Antwort bei den Themen Identifikation und Attraktivität lautet ja – dort werden die Erwartungen erfüllt. Bei der Bindungswirkung und der Motivation hingegen hatten sich die Unternehmen deutlich mehr erhofft.
Sie haben bereits erwähnt, dass bei Start-ups und Scale-ups Vergütungsmodelle mit Unternehmensanteilen besonders beliebt sind. Gleichzeitig sind das ja oft Unternehmen mit wenig – um es vorsichtig auszudrücken – Vergütungs-Expertise. Können die so etwas überhaupt rechtssicher umsetzen?
Die Komplexität ist zweifelsohne vorhanden, wodurch auch Fehlerquellen entstehen. Das fängt bei der Vertragsgestaltung über die Beteiligung an, hier können im Fall der späteren Beteiligung ungewollte Ansprüche entstehen, die vielleicht im Vertrag falsch aufgesetzt sind. Finanzielle Anreize sollten mit den tatsächlichen Arbeitsleistungen in Verbindung stehen, und natürlich sollten die Vergütungsziele zu den Unternehmenszielen passen. Das heißt: Eine Off-the-Shelf-Lösung gibt es nicht, unternehmensspezifische Themen sollten immer mitbedacht werden. Gleichzeitig müssen wir als Berater auch die Kirche im Dorf lassen: Rocket Science sind solche Modelle nicht.
Wo liegen denn weitere typische Fehler- und Problemquellen? Und wie lassen die sich umgehen?
Am wichtigsten ist es auf der administrativen Ebene, dass das Programm gut getrackt wird. Das heißt, das zum Beispiel Teilnehmer, Beteiligungshöhe, Mitarbeiterstatus nachgehalten werden. Zudem ist Compliance ein wichtiges Thema, Payroll- und Reportingverpflichtungen müssen beachtet werden. Und natürlich die Steuer- und Sozialversicherungspflicht. Hier lässt sich allerdings vieles optimieren.
Wie das?
In vielen Fällen, zum Beispiel beim Freibetrag oder der körperschaftssteuerlichen Abzugsfähigkeit, bietet es sich an, sich frühzeitig mit dem Finanzamt abzustimmen, um etwaige Klippen zu umschiffen. Manches lässt sich allerdings auch nicht realisieren.
Was meinen Sie?
Viele Arbeitnehmer würden auf die Unternehmensanteile gerne lediglich die Kapitalertragssteuer zahlen. Das geht aber in aller Regel nicht, weil die Vergütung durch Beteiligung regelmäßig zu Arbeitslohn führt
Was läuft noch oft schief?
Selbst wenn alle rechtlichen und steuerlichen Punkte beachtet wurden, kann es passieren, dass ein solches Programm durch die Mitarbeiter nicht angenommen wird – was dann äußerst schade ist. Aber teilweise wird zu wenig darüber gesprochen. Ein erfolgreiches Programm braucht Transparenz und Erklärungen, die alle Mitarbeitenden auch verstehen. Und natürlich sollte nicht nur ein externer Berater mit am Tisch sitzen, sondern auch alle relevanten Stakeholder im Unternehmen.
Das heißt, Beteiligungsmodelle sind nicht nur etwas für Führungskräfte, sondern für alle Mitarbeiter?
In vielen Unternehmen gibt es beides. Eine spezielle Führungskräftevergütung, mit der Key-Player bis zu einem Prozent Unternehmensanteile pro Person bekommen können. Und ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm für alle Beschäftigten. Zumal Paragraf 3 Nr. 39 Einkommenssteuergesetz, in dem Steuerfreibeträge für solche Programme geregelt sind, nur einschlägig ist, wenn alle Mitarbeiter beteiligt werden.
Tipp |
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Gemeinsam mit dem Deutschen Aktieninstitut hat Gordon Rösch 2018 einen Leitfaden zur Einführung von Mitarbeiteraktien veröffentlicht. Dieser lässt sich > hier herunterladen. |
Matthias Schmidt-Stein koordiniert die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet gemeinsam mit Catrin Behlau die HR-Redaktionen bei F.A.Z. Business Media. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit den Themen Recruiting und Employer Branding.