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Effektive Vertriebsvergütung schützt die Margen

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Covid-19, Krieg in der Ukraine, gestörte Lieferketten, hohe Inflation: Multiple Krisen setzen Unternehmen und ihre Lohnpolitik aktuell unter Druck. Zuletzt wurden von den Gewerkschaften hohe Abschlüsse erzielt, weitere sind in den nächsten Verhandlungsrunden zu erwarten. Auch nicht tarifgebundene Unternehmen sind gezwungen, durch ungewohnt hohe Gehaltserhöhungen die starke Inflation zumindest teilweise auszugleichen. Die vielzitierte Lohn-Preis-Spirale könnte so in Gang kommen.

Gleichzeitig steigen in Unternehmen nicht nur die Lohnkosten, sondern auch alle weiteren Kosten wie beispielsweise die für Material und Energie. Somit besteht die Gefahr der Margenerosion sowie schrumpfender Möglichkeiten, in Zukunftsinvestitionen zu finanzieren, wenn nicht zeitnahe und entsprechend starke Preiserhöhungen umgesetzt werden können. Die Gefahr und das Ausmaß der Margenerosion steigen, je später und je geringer Preiserhöhungen umgesetzt werden. Zudem führen späte Aktionen potenziell zu geringerer Akzeptanz bei den Kunden.

Den Vertriebsmitarbeitern kommt bei der Umsetzung dieser Preiserhöhungen eine zentrale Rolle zu. Der Vertrieb muss in der Lage sein, Preise durchzusetzen und auch bei langen Lieferfristen ein solides Auftragsbuch mit geringer Stornierungsquote zu generieren. Als wichtiges Steuerungsinstrument im Vertrieb muss die variable Vergütung hierzu effektive Anreize setzen.

Sales Incentives für die Preisdurchsetzung

Können Unternehmen das Steuerungsinstrument der variablen Vergütung für den Schutz ihrer Margen nutzen und falls ja, wie können sie vorgehen? Es bieten sich mehrere Umsetzungsalternativen an, die je nach unternehmensspezifischer Zielsetzung und Ausgangsvoraussetzungen unterschiedlich zu bewerten sind.

  • Steuerung allein über Umsatz unzureichend
    Zunächst ist zu prüfen, ob der weit verbreitete KPI für die Performance-Messung im Vertrieb – der Umsatz – schon geeignet ist, effektive Anreize für den Schutz der Marge zu setzen. Dabei gehen wir vom Nettoumsatz basierend auf den Listenpreisen nach Abzug von gewährten Rabatten aus. Der Nettoumsatz (Net Sales) stellt jedoch aus unserer Erfahrung keine ausreichende Anreizwirkung hinsichtlich der Marge dar. In einem Provisionssystem (Incentive-Auszahlung in Prozent vom Umsatz) wären die Auszahlungen bei gleichen Provisionssätzen unverändert. Bei einem zielerreichungsbasierten Bonussystem werden Unternehmen die Umsatzziele zwar unter Berücksichtigung von Preissteigerungen erhöhen. Vertriebsmitarbeiter können diese höheren Umsatzziele teilweise auch durch einen Anstieg der Verkaufsmengen kompensieren. Der Effekt: volle Auftragsbücher zu schlechten Margen. Angesichts gestörter Lieferketten stellt dies Unternehmen vor große Herausforderungen bei der Lieferbarkeit und führt gleichzeitig zu schlechten finanziellen Ergebnissen.
  • Steuerung über Marge effektiv, aber aufwendig
    Einige Unternehmen steuern und vergüten ihren Vertrieb bereits über die Umsatz-Marge (Gross Margin), definiert als Nettoumsätze nach Abzug der auf das Produkt zugerechneten Kosten. Aus Sicht des Unternehmensergebnisses ist dies eine sehr wünschenswerte Steuerungsgröße, da sie sowohl die Preisdurchsetzung wie auch die Priorisierung margenstarker Produkte anreizt. Ihre Umsetzung ist jedoch mit Schwierigkeiten behaftet. Zumeist wollen Unternehmen ihre Margen nicht transparent machen, um diese Information bei einem Mitarbeiterwechsel nicht an Wettbewerber gelangen zu lassen. Auch steht die wirkliche Marge aus der Kostenrechnung nicht immer im Einklang mit der gewünschten Portfoliosteuerung. Aus diesen Gründen sollten für die Incentivierung abgewandelte Margen definiert werden, die eine optimale strategiekonforme Steuerung ermöglichen. Die Umstellung auf die Marge als zentrale Steuerungsgröße ist nicht trivial, sondern erfordert ein Changemanagement und sollte im Einklang mit der Vertriebsstrategie sowie dem Einfluss der Mitarbeiter sowohl auf die Preisverhandlung wie die Produktpriorisierung erfolgen.
  • Durchsetzung von Preiserhöhungen
    In vielen Vertrieben ist es ein geübtes – wenn auch bei Vertrieblern unbeliebtes – Prozedere, jährlich mit Kunden neue Preislisten oder Rabattvereinbarungen zu verhandeln. Die beschriebene derzeitige Explosion der Herstellungskosten hat diesen Prozess wieder in den Mittelpunkt gerückt und zu Preisverhandlungen auch außerhalb des jährlichen Turnus geführt. Aus Sicht der Steuerung und Incentivierung ist zu bedenken, inwiefern die verhandelten Preislisten im Endeffekt wirklich zu besseren Margen führen. Einzelne Sonderpreise oder zusätzliche „Goodies“ an Kunden können die Rahmenverträge aufweichen. Nur wenn die Listenpreise verbindlich in allen Aufträgen umgesetzt werden, kann die Verhandlung von Preiserhöhungen eine effektive Steuerungs- und Vergütungsgröße werden.
  • Rabatteinhaltung beziehungsweise -reduktion
    Das Management der Rabatte über alle laufenden Aufträge hinweg kann die zuvor geschilderten Probleme auflösen. Ein gutes aktuelles Beispiel hierfür ist die Automobilindustrie, die trotz geringerer verkaufter Stückzahlen an Fahrzeugen starke Umsatz- und Ergebnisverbesserungen aufweist. Die gewohnten Rabattangebote vergangener Jahre wurden zurückgefahren. Die positive oder negative Abweichung von einem angestrebten aggregierten Rabattziel stellt generell eine wirksame und in vielen Vertriebsumfeldern umsetzbare Steuerungsgröße dar. Unternehmen sollten jedoch prüfen, ob es in Einzelfällen durchaus zu gewünschten Sonderkonditionen kommen kann, die vom Management freigegeben werden und die somit Einfluss auf die aggregierte Rabatthöhe haben. Solche einzelnen Deals wären dann von der Berechnung des Durchschnittsrabatts auszunehmen.
  • Preisdurchsetzung
    Generell ist auch die Durchsetzung von sogenannten kunden- und produktspezifischen Zielpreisen hinsichtlich ihrer Anreizwirkung ähnlich zu bewerten wie die Rabattreduktion. Die Durchsetzung von Zielpreisen ist konzeptionell ein starkes Steuerungsinstrument, hinsichtlich der Akzeptanz und Anwendbarkeit im vertrieblichen Alltag sowie ihrer Incentivierung allerdings als komplex einzustufen.

Zeitpunkt der Incentivierung

Die immer noch gestörten Lieferketten führen zu einer weiteren Herausforderung bei der Incentivierung. Zu einem großen Teil werden Vertriebsmitarbeiter für den generierten Umsatz vergütet, der nach Accounting Standards verbucht wird, wenn die Ware ausgeliefert wird und eine Rechnung gestellt ist. Da derzeit jedoch verlängerte Lieferfristen bestehen, entsteht eine größere zeitliche Lücke zwischen dem vom Vertriebsmitarbeiter generierten Auftragseingang und der Rechnungsstellung. Die Vergütung nach Umsatz steht dann einer möglichst zeitnahen Honorierung eines Verkaufserfolges im Wege. Aufgrund der hohen Bedarfssituation bei Nachfragern können die Stornierungen von Aufträgen mit längeren Laufzeiten je nach Industrie jedoch gering sein. In solchen Situationen sollten Unternehmen überlegen, ob nicht schon der Auftragseingang als relevanter Zeitpunkt der Erfolgsmessung und somit der Incentivierung definiert wird. Etwaige einzelne Stornierungen können dann mit zukünftigen Verkaufserfolgen saldiert werden.

Fazit

Hohe Inflation und gestörte Lieferketten stellen Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Vertrieben kommt die Aufgabe zu, eine nachhaltige Top-Line zu generieren, indem sie Preissteigerungen zeitnah und in entsprechender Höhe durchsetzen, um damit eine Margenerosion zu verhindern. Unternehmen sollten deshalb ihre Vertriebsvergütung dahingehend überprüfen, ob ausreichende Anreize gesetzt werden, diese schwierigen und erfolgskritischen Maßnahmen effektiv umzusetzen.

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