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Verhaltener Ausblick auf die Vergütungsentwicklung für das Jahr 2026

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Das Jahresende 2025 naht – und die Vergütungsabteilungen sind intensiv mit der Planung für das kommende Jahr beschäftigt. Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft stehen Unternehmen dabei vor vielen Herausforderungen. Eva Lawless und Thomas Gruhle vom Beratungsunternehmen Mercer erklären im Interview, wie Unternehmen ein nachhaltiges Vergütungsmanagement aufsetzen können.

COMP & BEN: Frau Lawless, Herr Gruhle, als Anbieter von Vergütungsstudien veröffentlicht Mercer derzeit wieder Vergütungsprognosen für verschiedene Stellenprofile, Bereiche, Industrien und Länder. Wie hilfreich sind für Unternehmen und Comp-&-Ben-Abteilungen überhaupt Prognosen und Benchmarks?

Eva Lawless: Validierte Prognosen zu Vergütungsdaten wie auch Benchmarks sind elementar für das Alltagsgeschäft von Comp-&-Ben-Managerinnen und -Managern. Gerade in politisch sowie wirtschaftlich dynamischen Zeiten brauchen Unternehmen einen Referenzrahmen, sprich Zahlen und Daten, auf denen ein solides wie nachhaltiges Vergütungsmanagement aufsetzen kann.    

Thomas Gruhle: Prognosen klingt ein wenig wie selbstgemalt oder Wunschbild. Aber das ist es bei Weitem nicht. Nehmen Sie unseren Total Remuneration Survey als Beispiel. An diesem haben in diesem Jahr allein in Deutschland fast 1000 Unternehmen teilgenommen. Bei den Datensätzen bewegen wir uns in der Größenordnung von mehr als 750.000 gemeldeten Positionen. Damit stützen sich die Prognosen auf valide Informationen.

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COMP & BEN

Dieser Beitrag ist zuerst im Vergütungsmagazin Comp & Ben erschienen. Das Onlinemagazin berichtet in sechs Ausgaben pro Jahr über aktuelle Themen rund um Compensation & Benefits und betriebliche Altersversorgung. Hier können Sie das Magazin kostenlos herunterladen – und hier können Sie den COMP-&-BENNewsletter abonnieren.

Welches Bild ergibt sich aus Ihren Studien für die Vergütungsentwicklung 2026?

Gruhle: Im Jahr 2025 zeigen die wichtigsten Volkswirtschaften weltweit bis zum heutigen Tag ein moderates Wirtschaftswachstum, eine tendenziell rückläufige Inflation und eine stabile bis leicht sinkende Arbeitslosigkeit. Für das Jahr 2026 werden in vielen Ländern eine leichte Beschleunigung des Wachstums sowie weitere Inflationsrückgänge erwartet. Vergütungsentwicklung ist neben dem lokalen Kontext auch im geopolitischen Kontext zu sehen.

Entsprechend unsicher sind die Unternehmen in ihren Planungen.

Lawless: Ja, in der Tat. Wir sehen viel Zögern, viel Abwarten. Zum Stand unserer letzten Abfrage hatte in Deutschland etwa ein Viertel der teilnehmenden Unternehmen den Budgetierungsprozess für Gehaltserhöhungen 2026 noch nicht einmal begonnen. Lediglich ein Drittel hat sich bereits festgelegt oder befindet sich im Genehmigungsprozess. Das war in den Vorjahren anders.

Welche Entwicklungen sehen Sie für Deutschland?

Lawless: In Deutschland lagen die Prognosen für die Vergütungsbudgets der Unternehmen in den vergangenen Jahren bei einer Erhöhung um etwa 4 Prozent. Für 2025 zeigt sich ein rückläufiges Bild mit einem Wert von 3,5 Prozent. Bestenfalls verharrt der Ausblick für 2026 auf diesem Niveau.

Haben diese Werte Sie überrascht?

Lawless: Nein, angesichts der kritischen Entwicklungen in der Wirtschaft war nicht mit einem Zuwachs wie in den vergangenen Jahren zu rechnen. Wir gehen auch kurzfristig bestenfalls von stagnierenden Vergütungsbudgets aus.

Gruhle: Die geschilderten Werte sind jene für den Gesamtmarkt, die je nach Branche variieren. So planen Technologieunternehmen bei den Vergütungsbudgets mit einer Steigerungsrate in Höhe von 3,8 Prozent, die verarbeitende Industrie plant mit nur 3,2 Prozent. Dies kann sich im Laufe der kommenden Monate allerdings auch noch ändern, wobei sich die Werte für den Gesamtmarkt tendenziell wohl weiter leicht nach unten entwickeln werden.

Erwarten Sie für andere Länder vergleichbare Entwicklungen?

Gruhle: Hier zeichnet sich ein heterogenes Bild ab. In manchen Ländern kommen wir mit dem Aktualisieren der Prognosen auf Grund von Hyperinflation oder anderen signifikanten Einflüssen kaum hinterher.

Lawless: Beste Beispiele sind seit Jahren Argentinien und die Türkei. Neben den regulären Datenzyklen erheben wir hier unterjährig Informationen bei den Unternehmen und aktualisieren so die Prognosen in einer engen Taktung. Für die Türkei hatten wir in den vergangenen Jahren zum Teil fast monatlich Erhebungen durchgeführt.

Sehen Sie die Inflation als maßgeblichen Faktor in der Festlegung von Vergütungsbudgets, oder gibt es weitere Faktoren?

Gruhle: Inflation ist nur ein Faktor. Unternehmen, die Gehaltsstrukturen lediglich nach deren Entwicklung anpassen, laufen Gefahr, sich von der Marktentwicklung zu entkoppeln.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Gruhle: Nehmen Sie Deutschland mit 3,5 Prozent Erhöhung und aktueller Inflationsprognose von 1,8 Prozent. Das bedeutet eine reale Gehaltsanpassung von 1,7 Prozent. Im Gegensatz dazu China: Hier zeigen die Prognosen eine Gehaltsentwicklung von etwa 5 Prozent bei einer prognostizierten Inflation von gerade einmal 0,7 Prozent. Die reale Gehaltsentwicklung liegt hier bei etwa 4,3 Prozent.

Lawless: Die tatsächlichen Veränderungen der Vergütungsmärkte wiederum können davon noch einmal abweichen. Es empfiehlt sich also immer, die verschiedenen Faktoren sowie die detaillierten Vergütungsmärkte komplett zu betrachten.

Wie passen sinkende Vergütungsprognosen zu dem weiterhin bestehenden Fachkräftemangel in vielen Branchen?

Lawless: Gerade vor dem Hintergrund des weiterhin hohen Bedarfs an Fachkräften in bestimmten Branchen, Funktionen oder Positionen werden wir künftig Fälle mit außerordentlich hohen Vergütungszuwächsen sehen, aber auch andere mit deutlich sinkenden Zuwächsen. Arbeitgeber wollen genau auf diese Entwicklungen flexibel reagieren können.

Gruhle: Unternehmen wollen wissen: Was zahlt der Markt für einen Hot-Job? Wo sollten wir unsere Limits setzen? Welches ist überhaupt unser Vergleichsmarkt? Und gerade für derartige Fragestellungen liefern Vergütungsstudien Antworten – mit der Möglichkeit, verschiedene Perspektiven einzunehmen und Simulationen durchzuführen, immer häufiger auch unterstützt durch moderne Technologien.

Mit dem Trend zu agilen Organisationsformen braucht es weniger Führungskräfte und mehr Expertinnen und Experten. Spiegeln sich derartige Entwicklungen bereits in Ihren Studien wider?

Gruhle: Grundsätzlich ja. Speziell Experten in eine klassische Vergütungssystematik einzuordnen, insbesondere wenn keine Teamführung oder unternehmerische Verantwortung gegeben ist, stellt Unternehmen vielfach vor große Herausforderungen. Insbesondere in hochtechnologisierten oder forschungsintensiven Unternehmen bilden Experten die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg.

Aber auch bei Expertinnen und Experten braucht es den verlässlichen Blick nach außen …

Lawless: Ja, anekdotische Entscheidungsfindung ist nicht die Lösung. Ohne Benchmarking, ohne externe Referenzwerte geht es im professionellen Vergütungsmanagement heute nicht mehr – ob nun für Führungskräfte oder für die weitere Belegschaft.

Gibt es Industrien oder Funktionen, die eine Sonderbehandlung erfordern?

Gruhle: Prinzipiell sind Arbeitnehmer fair und unter gleichen Ansätzen zu vergüten – nicht nur, aber auch wegen aktueller europäischer Gesetzesvorgaben. Allerdings zeichnet sich schon seit ein paar Jahren ab, dass Spezialisten und Experten aus der Hightech-Branche eine Sonderrolle einnehmen. Erfahrene Mitarbeitende aus den Bereichen KI und Machine Learning werden aufgrund von Nachfrage und Angebot besser vergütet.

Wie sehr heben sich diese Positionen im Durchschnitt von anderen ab?

Lawless: Im Grundgehalt verdienen diese Positionen in Deutschland im Professional-Bereich, also mit mehreren Jahren Berufserfahrung, im Median etwa 18 Prozent mehr als andere Positionen in der zugehörigen Jobfamilie. Für schwer besetzbare Stellen oder solche mit erhöhter Nachfrage, wie zum Beispiel bei KI-spezifischen Positionen, liegen die Werte noch einmal deutlich höher.

Ergibt bei solchen Besonderheiten die Einordnung in eine klassische Vergütungsdatenbank noch Sinn?

Gruhle: Ja. Die Einordnung ist nicht nur sinnvoll, sondern auch rechtlich notwendig, um eine angemessene Vergleichbarkeit herzustellen sowie objektive Gründe für Vergütungsunterschiede anführen zu können. Das beginnt bei der Vergleichbarkeit von Jobprofilen und Stellenwertigkeiten, betrifft aber auch Entscheidungen zu angemessenen Vergleichsgruppen, Vergleichbarkeit der Vergütungsbestandteile inklusive aller für bestimmte Jobs oder in bestimmten Ländern relevanten variablen Vergütungsbestandteile und Zusatzleistungen.

Lawless: Mit Blick auf die Spezifikationen bei IT- und Digitalpositionen ist die Frage aber durchaus berechtigt. So haben wir in unserem globalen Jobmodell zuletzt eine separate Jobfamilie inklusive diverser Spezialisierungen für Künstliche Intelligenz aufgenommen und auch eine neue, spezielle Studie dazu aufgesetzt.

KI ist ein gutes Stichwort. Werden neue Technologien die gesamte Comp-&-Ben-Management-Praxis verändern?

Gruhle: Das wird der Fall sein, nicht zuletzt auch, weil nun Schritt für Schritt weitere neue KI-Produkte und -Lösungen auf den Markt kommen werden. KI wird die Art und Weise, wie Vergütungsprojekte typischerweise ablaufen, grundlegend verändern. Unternehmen werden noch stärker befähigt, eigenständig auf Datenbeständen und dem bereitgestellten Intellectual Capital zu arbeiten und die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersvorsorge. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das Magazin "Comp & Ben". Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.