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Alle suchen Fachkräfte – wer findet sie?

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Der Arbeits- und Fachkräftemangel bleibt ein HR-Dauerthema. Alle Unternehmen brauchen Beschäftigte und Lösungen, wie sie diese finden. Doch welche sind das? Das fragte Erwin Stickling, Herausgeber der Personalwirtschaft, seine drei Gesprächspartner bei einer Podiumsdiskussion anlässlich der Verleihung des Deutschen Personalwirtschaftspreises (DPP) in den Balloni-Hallen in Köln.

Einig waren sich die beiden Recruitingleiter und der Personalvorstand: Die Not auf dem Arbeitsmarkt ist so groß wie nie. Je nach Region, Branche und zu besetzender Position sei es mehr oder weniger schwer, Personal zu finden. Großunternehmen wie die im Podium vertretenen hätten dabei noch leichte Vorteile durch ihren guten Namen gegenüber kleineren und unbekannteren Unternehmen.

Kampagnen helfen, sich zu positionieren

„Ich bin schon eine ganze Zeit lang unterwegs im Arbeitsmarkt, so schlimm wie jetzt habe ich es noch nie erlebt“, konstatierte Kerstin Wagner. Als Executive Vice President Talent Acquisition bei der Deutschen Bahn leitet sie das Recruiting des Konzerns, der jedes Jahr mehrere Zehntausend Talente sucht. Die zweimalige Gewinnerin des DPP warnte: „Wir haben das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Bis 2030 gehen viel mehr Leute aus dem Arbeitsmarkt heraus als hineinkommen.“ Hinzu komme die Veränderung der Berufe, durch die Talente neue Skills bräuchten. Darauf müsse sich HR einstellen.

Für rund 500 Berufe suche die Bahn aktuell Beschäftigte. Das funktioniere nur mit Recruiting- und Employer-Branding-Kampagnen, wie Wagner erklärte. „Es geht bei den Kampagnen darum, sich zu positionieren. Wir müssen etwas über uns als Arbeitgeber erzählen und den Talenten, die unsere Kunden sind, die Fragen beantworten: ,Was könnt ihr bei uns erwarten?‘, ,Welches Produkt bekommt ihr, wenn ihr euch bei uns bewerbt?‘“

Auch Sören Frickenschmidt, Global Head of Talent Acquisition beim Pharmakonzern Biontech, setzt auf Kampagnen: „Employer Branding funktioniert für mich als gezielte Kampagne, als roter Faden: Ich erzähle eine konsistente Geschichte, und jeder weiß, was ich anders mache als andere Unternehmen.“ Diese Kampagne müsse breit gestreut werden: „Ich muss immer wieder die gleichen Botschaften erzählen, immer wieder.“

Politische Unterstützung nötig

Doch auch wenn das Recruiting perfekt ist, bedeute das nicht, dass ein Unternehmen Arbeitskräfte findet, warf Roland Hehn ein. Er beschrieb: „Wir verschieben ja nur die Arbeitskräfte von einem Unternehmen in ein anderes.“ Der Personalvorstand von Schwarz Dienstleistungen – dem Dienstleister für die Sparten der Schwarz Gruppe, zu der unter anderem Lidl und Kaufland gehören – empfiehlt gegen den Fachkräftemangel erstens, den Pool an Arbeitskräften zu vergrößern. „Wir müssen Arbeitskräfte aus dem Ausland rekrutieren und qualifizieren, um den Bedarf zu decken.“ Hier wünscht sich Hehn noch mehr Unterstützung von politischer Seite. Die Bundesregierung habe sich zwar bereits bemüht, Unternehmen zu erleichtern, Fachkräfte aus dem Ausland einzustellen. Doch letztendlich seien Prozesse auf kommunaler Ebene oft zu kompliziert und zu langsam.

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Zweitens setzt Hehn auf gezielte Mitarbeiterbindung: „Bindung ist das neue Recruiting. Jeden Mitarbeiter, den wir nicht verlieren, müssen wir nicht neu rekrutieren.“ Daher sei das Thema Kultur und Benefits entscheidend und sollte von Unternehmen fokussiert werden. Drittens kämen Unternehmen „nicht darum herum, Jobs anders zu gestalten.“ Dazu gehöre es auch, Konzepte zur Lebensarbeitszeit zu überdenken. „Wir brauchen das Gegenteil von einer Vier-Tage-Woche“, forderte Hehn, der wie Wagner schon Preisträger beim DPP war.

Die Idee, den Pool an Arbeitskräften zu vergrößern, griff Wagner auf. Sie lenkte den Blick auf das ungenutzte Potenzial auf dem Arbeitsmarkt. „Wir müssen die Erfahreneren ansprechen, die Plus-50-Jährigen. Wir müssen mehr Frauen wieder in den Beruf zurückbringen, und wir müssen an Diversity arbeiten“, nannte sie gleich drei Bereiche, in denen HR noch aktiver werden könne. „Arbeitgeber müssen auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren, jeden einzelnen ansprechen und umschulen.“ Dabei sieht die Bahn-Recruiting-Chefin allerdings nicht nur HR in der Pflicht, sondern definiert die Personalgewinnung als „Teamsportaufgabe, ein Zusammenspiel mit dem Business, bei dem wir als Recruiting in den Lead gehen müssen.“

Das „Produkt Arbeitsplatz“

Das sahen die anderen Gesprächspartner ähnlich: Frickenschmidt bezeichnet dabei Arbeitsplätze als Produkt, das HR gemeinsam mit dem Business verbessern kann: „Wenn du das Produktmarketing ernst nimmt, musst du auch das Produkt gut vermarkten und überlegen, wie du das Produkt Arbeitsplatz gut gestaltest“, fasste der Talentsucher zusammen.

Hehn schränkte ein, dass der Job zwar ein Produkt sei, das Marketing aber nur erfolgreich sein könne, wenn mit dem Produkt Geld verdient werde. Das Recruiting dürfe nicht dem Impuls unterliegen, um jeden Preis eine Position schnell zu besetzen, sondern es müsse das Produkt langfristig zum Erfolg führen.

Dem pflichtete Wagner bei: „Langfristig geht es darum, was die Trends sind. Wenn der Wunsch der Bewerbenden in eine Richtung geht, muss ich als Unternehmen schauen, was ich mir leisten kann und was zu einem modernen Arbeitgeber passt.“

Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersvorsorge. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das Magazin "Comp & Ben". Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.