Aktuelle Ausgabe neu

Newsletter

Abonnieren

Soll Renteneintrittsalter an Lebenserwartung geknüpft sein?

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Update vom 16. August 2023: Nun hat sich auch die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, zur Rentendebatte geäußert. Gegenüber der Rheinischen Post plädierte sie dafür, dass Frühverrentungsprogramme in Unternehmen abgeschafft werden. Sie bezieht sich dabei auf Programme, die einige Arbeitgeber älteren Mitarbeitenden machen, um diese im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen mit einer Abfindung zu entlassen. Nahles hat folgendes Problem damit: Die betroffenen Mitarbeitenden würden aufgrund von solchen Programmen frühzeitig in den Ruhestand gehen und sich nicht nach neuen Arbeitgebern umschauen.

Sollen Beschäftigte zukünftig länger arbeiten und damit später in Rente gehen? Diese Frage wird weiterhin intensiv in der Wirtschaft und Politik diskutiert. Jüngst machte die Wirtschaftsweise Monika Grimm gegenüber der Funke Mediengruppe den Vorschlag, das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung der Menschen zu knüpfen. „Die Formel in Zukunft könnte sein: Nimmt die Lebenserwartung um ein Jahr zu, so würden zwei Drittel des zusätzlichen Jahres der Erwerbsarbeit zugeschlagen und ein Drittel dem Ruhestand“, sagte Grimm, die Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist. In anderen Worten: Steigt das Lebensalter für die eigene Bevölkerungsgruppe, dann wird das Renteneintrittsalter entsprechend angehoben. Im Fall von gesundheitlichen Beeinträchtigungen solle eine Ausnahme gemacht werden.

Sozial- und Rentensysteme müssen finanziert werden

Grimms Vorschlag ist im Detail zwar neu – nicht aber in seiner Richtung. Gerade auch durch die Zuspitzung des Fachkräftemangels, sprachen sich in den vergangenen Monaten immer wieder Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Politik für eine Anhebung des Renteneintrittsalters aus. So äußerte der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, Anfang des Monats, dass eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre nötig wäre, um zukünftig weiterhin das Sozial- und Rentensystem Deutschlands finanzieren zu können. Gleichzeitig stünden Arbeitgebern so mehr Fachkräfte zur Verfügung, um das wirtschaftliche System in seiner jetzigen Form aufrechtzuerhalten. Der Kerngedanke dahinter: Gibt es eine Rente mit 70, gehen Menschen später in den Ruhestand und sind länger aktiver Teil des Arbeitsmarkts.

Viele wollen und können nicht länger arbeiten

Doch in Wahrheit geht die Rechnung nicht so leicht auf. Zum eine kann nicht jeder und jede bis ins hohe Alter arbeiten. Einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zufolge, glaubt mehr als ein Viertel der Arbeitnehmenden in Deutschland nicht, dass sie ihren aktuellen Job bis zur Rente durchhalten. Dazu seien sie körperlich und mental nicht in der Lage. Zum anderen will nicht jeder oder jede bis in ein hohes Alter arbeiten. Im Schnitt gehen die Deutschen mit 64 Jahren in Rente und somit vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter, das bis 2029 auf 67 Jahre angehoben wird. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen länger arbeiten wollen und auch können, dass also das tatsächliche Rentenalter steigt“, sagte deshalb Wirtschaftsweise Grimm. „Der Trend zur Frühverrentung darf sich nicht fortsetzen.“

Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) sehen es nicht als notwendig an, aufgrund des Fachkräftemangels das Renteneintrittsalter zu erhöhen. „Wer jetzt mit 17 die Schule verlässt, hat fünf Jahrzehnte Arbeit vor sich. Ich finde, das ist genug“, sagte Scholz bei einem Bürgerdialog in Erfurt Anfang August. Wenn jemand länger arbeiten wolle, solle er das tun können. „Aber nicht, weil er muss, sondern weil er oder sie kann.“

Damit Menschen länger arbeiten wollen, braucht es allerdings Anreize. Vorschläge von Expertinnen und Experten reichen hier von der Aufhebung der „Rente mit 63“ bis zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen für ältere Mitarbeitende – etwa durch Weiterbildungen und ein entsprechendes BGM.

Differenzierte Lösungen mit Planungssicherheit gewünscht

Aufgrund des komplexen Themas zeigen sich auch Koalitionspartner und Opposition zurückhaltend gegenüber dem Vorschlag der Wirtschaftsweisen Grimm. So sagte der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, dass die Politik „Mut zu differenzierten Lösungen“ brauche und eine pauschale Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht sinnvoll wäre. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Pascal Kober tat Kund: Die Politik müsse einer langfristigen Lebensplanung gegenüber verlässlich sein. Das sei sie durch eine konstante Anpassung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartungen nicht.

(Dieser Artikel ist in seiner ursprünglichen Version am 14. August erschienen und wurde am 16. August 2023 upgedatet.)

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.

Themen