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Sind Spotboni Fair (Pay)?

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Unternehmen suchen neue Ansätze bei der variablen Vergütung. Mittlerweile greifen sie dabei häufig auf Spotboni zurück, um einen möglichst zielgerichteten und unmittelbaren Leistungsanreiz zu schaffen. Die Fokussierung auf besonders herausragende Leistungen birgt aber neue Herausforderungen – auch mit Blick auf Chancengleichheit.

In der deutschen Öffentlichkeit werden Bonuszahlungen häufig kritisch beäugt. Soll der Vorstand der Deutschen Bahn eine Bonifizierung erhalten, obwohl Reisende immer wieder im Stich gelassen werden? Um zu belegen, dass Bonuszahlungen grundsätzlich problematisch sind, wird gerne auf Studien über junge Kunstbegeisterte verwiesen, denen es nach monetärer Belohnung die intrinsische Motivation verhagelt. Nicht selten heißt es daher: Boni lieber ganz abschaffen.

Auf der Suche nach der Alternative

Auch in Unternehmen sind in den vergangenen Jahren klassische Bonussysteme unter Beschuss gekommen. Die Argumente: Es werde zu wenig differenziert, der Administrationsaufwand sei zu hoch, die Zielvereinbarungen seien zu schnell wieder obsolet und daher im agilen Kontext nicht förderlich. Bei Diskussionen übers Geld komme unter anderem die Personalentwicklung zu kurz. Als Lösungsansatz ließ sich zunächst eine zunehmende Verbreitung einer kollektiven variablen Vergütung beobachten. Dabei bestimmt nicht mehr die individuelle Leistung, sondern einzig die Leistung des Unternehmens und/oder der Organisationseinheit die Höhe der Bonuszahlung. Aktuelle Studien der hkp///group belegen, dass etwa ein Viertel der führenden deutschen Unternehmen auf eine solche kollektive variable Vergütung setzt.

Jedoch wird nach einiger Zeit der Anwendung eines solchen Systems oft hinterfragt, wie besondere Leistungen von Mitarbeitenden auch finanziell honoriert werden können. Grundsätzlich wäre ein stark differenzierendes System zur Grundgehaltsanpassung möglich, aber aufgrund der damit verbundenen langfristigen Kostenrisiken ist dies nicht weit verbreitet: Hohe Leistungsbereitschaft ist nicht zwingend von Dauer, ein höheres Grundgehalt dagegen schon.

Etabliert: Spotboni als Vergütungsinstrument

Die Einführung von Spotboni – also Bonuszahlungen, die „on-the-spot“ als Anerkennung besonderer individueller Leistungen gewährt werden – erscheint daher aus unterschiedlichen Gründen attraktiv. Der üblicherweise enge Kreis der Begünstigten soll einen hohen Grad an Differenzierung und somit eine hohe Leistungsorientierung systemseitig sicherstellen. Die unmittelbare Belohnung besonderer Leistungen verspricht eine hohe Motivationswirkung zu verhältnismäßig geringen Kosten und mangels Zielvereinbarungen auch mit geringem Aufwand.

Aufgrund allgemein positiver Erfahrungen wurden Spotboni nicht nur von Unternehmen mit stark kollektiv geprägter variabler Vergütung eingeführt, sondern auch als ergänzendes Instrument in anderen Unternehmen. Die Beratungspraxis der vergangenen Jahre belegt einen sprunghaften Anstieg der Verbreitung.

Selbst im Finanzsektor, in dem es hohe regulatorische Hürden für die variable Vergütung gibt, denken viele Institute über die Einführung von Spotboni nach oder setzen diese bereits ein. Auch die Finanzaufsicht hat sich in ihrem jüngsten Konsultationspapier dazu geäußert – ein Beleg dafür, dass diese Boni im Markt virulent sind.

Große Heterogenität in der Ausgestaltung

Die Höhe von Spotboni variiert enorm. Die Bandbreite reicht von Sachbezügen mit Steuervorteilen bis hin zu substanziellen Einmalzahlungen jenseits von 10.000 Euro. Der gemeinsame Nenner: Der begünstigte Personenkreis ist stark eingegrenzt, und der Zeitpunkt der besonderen Leistung sowie die Auszahlung liegen möglichst nah beieinander. Was nachvollziehbar und wenig kompliziert klingt, wirft in der Praxis zentrale Fragen auf:

  • Nach welcher Logik kann der Kreis der Begünstigten begrenzt werden, um die gewünschte Differenzierung und letztlich auch eine Kostenkontrolle sicherzustellen?
  • Welche Kriterien werden bei der Vergabe angewendet, beziehungsweise was stellt eine „besondere“ Leistung dar?

Die Antworten auf diese Fragen haben auch personalpolitische Konsequenzen. Da Spotboni nicht auf regelmäßigen Zielvereinbarungen beruhen, ist für Beschäftigte die Vergabepraxis ein wesentlicher Orientierungspunkt. Wird diese nicht als transparent und fair empfunden, verpufft die erwünschte Anreizwirkung.

„Schatten“-Bonusrunde vermeiden

Bei der Eingrenzung des Kreises der Begünstigten stehen Verantwortliche vor dem ersten Dilemma. Häufig wird versucht, über einen Budgetansatz eine Differenzierung zu erzwingen – sei es über Maximalbeträge je Organisationseinheit oder über Vergabequoten. In der Praxis sind Größenordnungen von fünf bis 25 Prozent der Belegschaft zu beobachten, die begünstigt werden dürfen.

Eine solche systemseitige Vorgabe ist bei klassischen Bonussystemen nicht unbekannt, kann aber im Zusammenspiel mit der unmittelbaren Gewährung von Spotboni eine ungewollte Dynamik entwickeln: So stellt sich die Führungskraft oft die Frage, ob sie die wenigen zur Verfügung stehenden Spotboni bereits zu Beginn des Jahres „verbrauchen“ kann oder ob im Laufe des Jahres noch herausragendere Leistungen zu erwarten sein könnten. Im Extremfall führt diese Überlegung dazu, dass Zahlungen nicht mehr unmittelbar vergeben werden („Schatten“-Boni), sondern geballt zum Jahresende. Dadurch ist faktisch eine „Schatten“- Bonusrunde geschaffen – mit vergleichbaren Herausforderungen bei der Differenzierung wie in regulären Bonusrunden und mit entsprechenden Konsequenzen für die Motivation. Umgekehrt kann ein Budgetansatz ebenso dafür sorgen, dass gegen Ende des Jahres das noch offene Budget großzügig vergeben wird. Auch in diesem Fall kann die Anreizwirkung Schaden nehmen. In beiden Situationen können also die mit der Einführung von Spotboni erhofften Effekte hinfällig sein.

Eine der Alternativen zum Budgetansatz ist ein zentrales Vergabegremium ohne entsprechende Budgetlimitierung, das auf Topmanagementebene angesiedelt ist. Hier stellt sich aber je nach Unternehmensgröße die Frage, ob der Administrationsaufwand zu bewältigen ist.

Die Frage der Chancengleichheit

Das zweite Dilemma: Bei der Definition der Vergabekriterien ergeben sich Implikationen über die Frage der Anreizwirkung hinaus. In der viel beachteten Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts zum Thema „Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts“ (BAG, 16. Februar 2023 – 8 AZR 450/21) wird betont, dass bei der diskriminierungsfreien Ausgestaltung von Vergütungssystemen jeder Entgeltbestandteil separat betrachtet werden soll. Das bedeutet in der Praxis: Auch Spotboni, die zwar möglicherweise im Verhältnis zur Gesamtvergütung keine bedeutenden Auswirkungen haben, dürfen unter Fair-Pay-Gesichtspunkten nicht außen vorgelassen werden.

In den Kriterienkatalogen von Spotboni finden sich häufig Aspekte, die ein besonderes zeitliches Commitment voraussetzen wie zum Beispiel die erfolgreiche Übernahme zusätzlicher oder besonders kurzfristiger Aufgaben. Während es sich dabei ohne Zweifel um eine besondere Leistung handeln kann, besteht allerdings das Risiko, sich in einen Konflikt hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und damit zumindest in eine mittelbare Diskriminierung zu begeben. Ein solches Risiko lässt sich abmildern, indem Unternehmen auf eine ausgewogene Ausgestaltung des Kriterienkatalogs achten und beispielsweise innovationsbezogene Aspekte aufnehmen. Auch ein Monitoring und regelmäßiges Reporting der Vergaben mit Blick auf Geschlecht und Arbeitszeitmodelle hat sich bewährt. Über diesen Ansatz wird zugleich eine pragmatische Einbindung von Mitbestimmungsgremien ermöglicht.

Dass die Ausgestaltung von Spotboni grundsätzlich gut und diskriminierungsfrei gelingen kann, zeigt sich in Fair-Pay-Analysen der hkp///group. Dort konnten zuletzt bei der Mehrheit der untersuchten Unternehmen keine statistischen Auffälligkeiten in Sachen Spotboni festgestellt werden. Einige Unternehmen haben ihre Vergabepraxis allerdings nochmals intensiv auf den Prüfstand gestellt, um möglichen unerwünschten Effekten vorzubeugen.

Fazit

Spotboni können eine sinnvolle Ergänzung bestehender Vergütungsinstrumente darstellen. Für eine faire Ausgestaltung ist aber neben der strategischen, kulturellen und personalpolitischen Passung vor allem die Frage der Budgetierung und der Vergabekriterien intensiv zu berücksichtigen. Damit Spotboni als fair wahrgenommen werden, gilt es, mit Fingerspitzengefühl eine unternehmensspezifische Lösung zu finden und anschließend konsequent zu monitoren.

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