Mehr Menschen haben 2023 in Deutschland eine Ausbildung begonnen als im Vorjahr. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte, wurden rund 479.900 neue Ausbildungsverträge unterzeichnet, ein Anstieg um 2,1 Prozent.
Besonders im Öffentlichen Dienst gelang es Arbeitgebern mehr neue Azubis für sich zu gewinnen. Dort stieg die Zahl der Ausbildungsverträge um 5 Prozent, im Handwerk etwa lag die Steigerung mit 1,9 Prozent deutlich niedriger. „Es ist erfreulich, dass sich die Bemühungen im Recruiting um die begehrte Zielgruppe auch tatsächlich in einer erhöhten Anzahl an Ausbildungsverträgen ausdrückt“, sagt Julia Göpel, Leiter des Dezernats Z4 im Regierungspräsidium Kassel und somit zuständig für die Themen Personalentwicklung sowie Aus- und Fortbildung.
Ausbildung hat eine neue Bedeutung fürs Recruiting
Doch welche Recruiting-Bemühungen genau stecken hinter der positiven Entwicklung? Laut Göpel ist dies vor allem einem Umdenken der Arbeitgeber geschuldet. „Der Öffentliche Dienst hat erkannt, dass die eigene Ausbildung für das Recruiting an Bedeutung gewonnen hat“, sagt sie. Der Personalbedarf, welcher sich aufgrund von demografischem Wandel und Fachkräftemangel erhöht, könne zumindest teilweise durch Absolventinnen und Absolventen einer dualen Ausbildung gedeckt werden. Damit das gelingt, seien die Ausbildungskapazitäten erhöht worden und das Employer Branding und Personalmarketing fokussiert worden.
„Vor circa fünf Jahren hat es in vielen Bereichen gereicht, eine Stellenausschreibung zu veröffentlichen“, sagt Göpel. Heute ist dies nicht mehr genug. Das Regierungspräsidium Kassel beispielsweise hat stattdessen zusätzlich Recruitingfilme gedreht, Werbeflyer- und -anzeigen produziert und in den Umlauf gebracht sowie das Auswahlverfahren im Bereich Ausbildung überarbeitet. Man bewerbe sich nun auch als Arbeitgeber bei den Bewerbenden. Zudem verlaufe die Ausbildung noch mehr auf Augenhöhe, womit die Ausbilder und Ausbilderinnen eher zur „Lernbegleitung“ werden. „Wir möchten vom ersten Kontakt an Wertschätzung vermitteln und sympathisch wirken“, sagt Göpel. Ihr Tipp für andere Arbeitgeber im öffentlichen Dienst: „Wir müssen noch näher an die Zielgruppe heranbringen, dass der öffentliche Dienst viele Kriterien erfüllt, die sich Bewerbende wünschen – beispielsweise Jobsicherheit, flexible Arbeitszeiten, Vereinbarkeit und sinnstiftende Aufgaben.“ Ein authentischer Auftritt in den sozialen Medien spiele hierbei eine große Rolle.
Wie das Handelsblatt schreibt, setzen Arbeitgeber im Handwerk zudem auf Benefits, um Menschen für eine Ausbildung im eigenen Betrieb zu gewinnen. So bietet Roth Werkzeugbau seinen Auszubildenden kostenfreie Wohnungen, monatliche Tankgutscheine oder ein 49-Euro-Ticket sowie eine Übernahmegarantie nach Abschluss der Ausbildung. Der Reinigungsgerätehersteller Kärcher will mit einem Patenprogramm, Sportangeboten, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Zeugnisprämien bei guten Leistungen, der Bereitstellung eines Laptops und einem Praktikum im Ausland überzeugen.
Anders als das Handwerk und der öffentliche Dienst ist die Zahl der neu abgeschlossenen Azubi-Verträge im Bereich Industrie und Handel in den vergangenen Jahren recht konstant gestiegen (jeweils knapp um 3 Prozent). „Viele IHK-Unternehmen haben schon vor Jahren erkannt, dass sie wegen des Ausscheidens der Babyboomer mittelfristig Ersatz mit der dualen Berufsausbildung schaffen müssen“, sagt Dr. Brigitte Scheuerle, Geschäftsführerin für Aus- und Weiterbildung der IHK Frankfurt am Main. „Mittlerweile sind etliche Unternehmen auch sehr aktiv bei der Akquise von Schulabgängern, so dass sie nicht nur Ausbildungsstellen schaffen, sondern sie auch besetzen können.“ Zudem gingen auch viele kleine und mittelständische Unternehmen neue Wege im Recruiting.
Die IHK selbst hat eine bundesweite Kampagne organisiert, in der sie auf die Vorteile einer Berufsausbildung hinweist. Dieser Kampagne könne sich jedes IHK-Unternehmen anschließen. „Wir wollen allen zeigen, dass eine Berufsausbildung ein interessanter Weg ist, der Spaß machen, aber auch junge Menschen reifen lassen kann“, sagt Scheuerle.
Azubi-Zahlen sinken weiter
Die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge machen trotz aller Bemühungen das Minus der Vorjahre noch nicht ganz weg. 2023 sind rund 1,2 Millionen Menschen in Deutschland einer Ausbildung nachgegangen. Das waren 0,1 Prozent weniger als 2022. „Der Trend der sinkenden Azubi-Zahlen kehrt sich nicht um, verlangsamt sich aber“, heißt es vonseiten Destatis. Von 2021 auf 2022 war besagte Zahl noch weitaus drastischer um 3 Prozent gesunken.
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Die Gründe für den langfristigen Rückgang der Azubizahlen sind vielfältig und weitgehend bekannt – allen voran der demografische Wandel sowie die Tatsache, dass immer mehr junge Menschen ein Studium gegenüber einer Ausbildung präferieren. Und so blieben auch 2023 zahlreiche Lehrstellen unbesetzt. Zu Beginn des Ausbildungsjahres 2023 meldete die Bundesagentur für Arbeit 177.400 freie Ausbildungspositionen.
Doch wer junge Menschen dazu motivieren konnte, einen Ausbildungsvertrag im eigenen Betrieb zu unterzeichnen, hat noch nicht gewonnen. Denn es gibt einige Azubis, die ihre Ausbildung abbrechen. Laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ist die Quote der vorzeitigen Vertragsauflösung in der dualen Berufsausbildung 2022 auf 29,5 Prozent gestiegen. Hierbei weist die DIHK allerdings darauf hin: „Das bedeutet keinesfalls, dass jeder Auszubildende, der seinen Vertrag vorzeitig löst, auch seine duale Berufsausbildung beendet", sagt Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer, in einer Mitteilung. Studien zeigten vielmehr, dass etwa jeder und jede Zweite die Ausbildung direkt in einem anderen Beruf oder Betrieb fortsetze. Die steigende Quote der Vertragsauflösung zeigt: Neben dem Recruiting von Azubis sollten sich Betriebe auch auf die Bindung der Auszubildenden konzentrieren.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.

