Frage an die HR-Werkstatt: Wie kann HR holistische Wellbeing-Benefits anbieten?
Es antwortet: Ferdinand Teuber, Head of Germany Corporate Business bei Wellhub.
Ungesunde Mitarbeitende – übrigens ebenso wie unzufriedene Mitarbeitende – bewerten ihre berufliche Zukunft anders als solche, die insgesamt zufrieden sind. Dies bestätigt auch der „Work-Life-Wellbeing-Report“ von Wellhub: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hierzulande sagen unter anderem, dass sie sich wohlfühlen müssen, um gut arbeiten zu können. Und: Sie suchen verstärkt nach Arbeitgebern, die dies berücksichtigen. Eine Tatsache, die gerade in Zeiten des Fachkräftemangels entscheidend ist: 96 Prozent der Befragten wollen bei der nächsten Jobsuche nur Unternehmen in Betracht ziehen, die einen klaren Fokus auf das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden legen.
Deutschland nimmt im Report übrigens eine Sonderstellung ein. Von allen untersuchten Ländern wird die Produktivität deutscher Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen am stärksten durch körperliches (98 Prozent), umweltbezogenes (97 Prozent) und seelisches (96 Prozent) Wohlbefinden beeinflusst. Doch gerade hier gibt es ein Defizit: Deutschland hat den zweithöchsten Anteil an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die ihr allgemeines Wohlbefinden als beeinträchtigt, schlecht oder ziemlich schlecht bezeichnen (12 Prozent). Zum Vergleich: Weltweit gaben 4 Prozent an, dass ihr Wohlbefinden angeschlagen oder ziemlich schlecht ist.
Ganzheitliches Wellbeing: Die Arbeitgeber sind gefragt!
Gesundheitliche Einschränkungen sind nicht nur ein Symptom für mangelndes Wohlbefinden, sondern auch die Ursache für verminderte Produktivität, Überlastung, Stress sowie Ressourcenengpässe – und damit im schlimmsten Fall für Umsatzeinbußen. Fakt ist: Das psychische und physische Wohlbefinden aller Mitarbeitenden am Arbeitsplatz hat einen direkten Einfluss auf das Geschäftsergebnis. Unternehmen müssen sich daher die Frage stellen: Was können sie als Arbeitgeber tun, um ihren Mitarbeitenden ein Umfeld zu bieten, das ein Gleichgewicht zwischen emotionaler, körperlicher und mentaler Gesundheit ermöglicht?
Wohlbefinden: Mehr als das Abo im Fitnessstudio
Die gute Nachricht: Viele Unternehmen haben das Problem erkannt und versuchen, entsprechende Lösungen anzubieten. Diese reichen von ergonomischen Arbeitsplätzen über Teamevents, Weiterbildungen, Essensgutscheine bis hin zu Sport-Angeboten. Aber all diese Angebote werden meist nur isoliert betrachtet. Gerade wenn es um das Thema Gesundheit geht, liegt der Fokus allzu oft allein auf den Bereichen Sport und Fitness – das greift zu kurz. Denn das Thema Wohlbefinden erfordert eine ganzheitliche Betrachtung.
Schließlich bestimmen viele Faktoren unser Wohlbefinden. Dabei spielen ganz unterschiedliche Aspekte eine Rolle:
· berufliche
· körperliche
· emotionale
· soziale
· finanzielle
· intellektuelle (die individuelle Lernbereitschaft)
· spirituelle
· ökologische
Es geht somit nicht nur um die körperliche Fitness, sondern auch um das seelische Wohlbefinden und vieles mehr. Natürlich können Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden nicht in allen Bereichen unterstützen. Aber sie können viel zum Wohlbefinden beitragen, indem sie, zusammen mit HR, über den Tellerrand der auf körperliches Wohlergehen fokussierten BGM-Benefits hinausschauen.
Es ist ein Irrtum zu glauben, wir könnten unser Arbeitsleben in dieser Hinsicht vom Privatleben trennen. Beide Bereiche sind beim Thema Wohlbefinden unmittelbar verbunden. Aspekte des Wohlbefindens, die traditionell getrennt von der Arbeit betrachtet werden, haben in Wirklichkeit einen tiefgreifenden Einfluss auf den beruflichen Erfolg.
Das kann HR für ein besseres Wellbeing leisten
Wie können Lösungsansätze für holistische Wellbeing-Maßnahmen aussehen? Zum einen ist es sinnvoll, den Mitarbeitenden größtmögliche Flexibilität bei der Auswahl von Corporate Benefit-Angeboten zu bieten. Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin sollte in der Lage sein, die für ihn oder sie individuell passenden Produkte oder Services auszuwählen – dazu gehört beispielsweise auch die zeitlich flexible Nutzung von Sportangeboten. Zum anderen sollten Unternehmen ein breites, ganzheitliches Angebot zur Verfügung stellen, das dem oben beschriebenen holistischen Ansatz Rechnung trägt.
Wie bereits dargelegt, gibt es zahlreiche Aspekte, die das individuelle Wohlbefinden bestimmen können. Genauso individuell ist auch, wie stark Mitarbeitende diese Aspekte gewichten.
Individuelles Wellbeing-Set ermitteln
In einem ersten Schritt sollten Unternehmen eruieren, wie sich das persönliche Wellbeing-Set in der Belegschaft zusammensetzt. Hierfür empfiehlt es sich beispielsweise, Evaluationsbögen zu verwenden oder Feedbackgespräche durchzuführen. Dabei ist viel Fingerspitzengefühl und vor allem Empathie gefragt. Immerhin haben Menschen persönliche Beweggründe, weshalb bestimmte Bereiche für das Wohlbefinden ausschlaggebend sind oder eben nicht. Ist dieser Schritt erfolgt, kann von der Arbeitgeberseite anschließend leichter bestimmt werden, wie ein attraktiver Mitarbeiter-Benefit aussehen sollte.
Drei Beispiele für Benefits jenseits von Firmenfitness:
· Emotionales Wellbeing
Es ist längst bekannt: Stress macht krank. Und obwohl sich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Ausgleich wünschen, stellt sich die erhoffte Ruhe oft selbst im Urlaub nicht ein. Hier können Achtsamkeitsstrategien helfen. Idealerweise zeigen sie Wege auf, wie Mitarbeitende auch im Alltag, insbesondere im manchmal hektischen Berufsleben, Techniken zur Stressminderung erlernen und bei Bedarf abrufen können. Unternehmen können hierfür sowohl externe Berater und Beraterinnen anfragen, entsprechende Angebote per App ermöglichen als auch in-house Selbsthilfegruppen initiieren – am besten zu Meeting-freien Zeiten.
· Körperliches Wellbeing
Ein Tag voller Termine und Deadlines, und die Pause besteht nur aus einem Müsliriegel? Leider spiegelt das die Realität vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wider. Gleichzeitig ist die Existenz einer Kantine nicht mit Ernährungs-Coaching gleichzusetzen. Deshalb gilt es, interessierten Mitarbeitenden aufzuzeigen, wie sie gesunde Essensroutinen in den Arbeitsalltag integrieren können, auch, um ein besseres Verständnis für den eigenen Körper zu entwickeln. Eine Lösung könnte sein zum gemeinsamen Kochen bei Teamevents unter der Anleitung von Ernährungsexperten und -expertinnen einzuladen – mit kleinen Wettbewerben untereinander für den Gamification-Effekt. Ebenso denkbar ist es, auf Journaling zu setzen, mit dem Mitarbeitende ihre Ernährung per Tagebuch protokollieren können, aber auch Zugriff zu Rezept-Ideen und die Möglichkeit für persönliche Termine mit Ernährungsberatern und -beraterinnen erhalten.
· Finanzielles Wellbeing
Ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin kann, rein physisch betrachtet, kerngesund sein und dennoch unter enormem Druck stehen. Der Grund? Finanzieller Stress. Wie die Wellhub-Studie ergab, sieht fast die Hälfte aller Befragten (46 Prozent) ihre persönlichen Finanzen als größte Stressquelle, wohl auch bedingt durch die anhaltende Inflation. Diese mentale Belastung wirkt sich schnell auf alle Lebensbereiche aus. Umso hilfreicher ist es, diesen Mitarbeitenden Ressourcen für die Finanzplanung zur Verfügung zu stellen, beispielsweise in Zusammenhang mit der betrieblichen Altersvorsorge, zu der Arbeitgeber in Deutschland verpflichtet sind. Arbeitgeber sollten daher die Möglichkeit bieten, ihre Mitarbeitenden bei Interesse mit Finanzberatern und -beraterinnen zu vernetzen oder ein Programm für eine effiziente Ausgabenverwaltung ins Leben zu rufen.
Fazit: Integrative Wellbeing-Programme sind die Zukunft
Unternehmen müssen verstehen, dass gesunde und engagierte Mitarbeitende einen direkten Einfluss auf den Geschäftserfolg haben. Mitarbeitende, die sich ganzheitlich wohlfühlen, geben ihr Bestes bei der Arbeit. Umfassendere, integrative Wellbeing-Programme, die über Fitnessangebote hinausgehen, können hier eine Lösung für Arbeitgeber sein, um die Bindung an das Unternehmen zu stärken, neue Mitarbeitende zu finden und das Wohlbefinden und damit die Produktivität zu steigern. Wichtig: Die Angebote sollten leicht zugänglich, erschwinglich und vielfältig sein – und gleichzeitig den individuellen Bedürfnissen entsprechen.
Autor

