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Soft Skills: „Führungskräfte müssen Transformationskompetenz besitzen“

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Unter dem Schlagwort „Future Skills“ werden Fähigkeiten subsumiert, die erforderlich sind, um in einer Arbeitswelt in Dauertransformation bestehen zu können. Neben „harten“ Kenntnissen zu Themen wie Künstlicher Intelligenz und Datenanalyse, Technologieverständnis, Network- und Cybersecurity listet der „Future of Jobs Report 2025“ des World Economic Forum (WEF) auch eine Menge weicher Fähigkeiten auf, deren Relevanz zunimmt. Dazu gehören laut WEF beispielsweise Kreativität, Resilienz, Flexibilität und Empathie. Doch wie kann man solche Soft Skills lernen und entwickeln? Und welche Rolle spielt HR dabei? Das erklärt der Transformationsexperte und Buchautor Michael Pachmajer.

Personalwirtschaft: Herr Pachmajer, sind Soft Skills „angeboren“ wie Augenfarbe oder Körpergröße – oder kann man sie sich aneignen?
Michael Pachmajer: Wenn ich über Skills beziehungsweise Fähigkeiten spreche, dann ist das immer etwas, das wir erlernen können, weil es dafür Methoden, Tools und Vorgehensweisen gibt. Das unterscheidet Fähigkeiten im Wesentlichen von Talent oder Neigung. Um nun ein Unternehmen selbstbestimmt in die Zukunft und durch die Transformation zu führen, braucht es zusätzlich bestimmte Fähigkeiten, die helfen, den Wandel planen, gestalten und steuern zu können. Sie bilden die Transformationskompetenz, die Menschen in Verantwortung, Führungskräfte und Teams besitzen müssen.

Michael Pachmajer, Foto Thomas Kamenar.

Was verstehen Sie unter der im „Future of Jobs Report“ sehr prominent aufgeführten Resilienz? Wofür ist sie in Unternehmen erforderlich?
Für mich ist Resilienz das Durchhaltevermögen infolge von Widerstandsfähigkeit und Frustrationstoleranz bei gleichzeitiger strategischer Vorausschau. Oder anders ausgedrückt: die Anpassungsfähigkeit an eine neue Situation. Unternehmen, gerade der Mittelstand und die Familienunternehmen, müssen besser werden, wenn es darum geht, Krisen und deren Ablauf zu erkennen. Denn die meisten Krisen verlaufen nach bestimmten Mustern, aus denen wir hilfreiche Rückschlüsse für die Krisenprävention ziehen können. Unternehmen müssen sich auf unerwartete und nicht linear verlaufende Krisen vorbereiten. Sie müssen die Bewältigung von Krisen immer wieder üben, um im Ernstfall genau zu wissen, wie gehandelt werden muss. Das ist aktives Risikomanagement. So wie es uns der Katastrophenschutz auf eindrucksvolle Weise vormacht.

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Und wie lässt sich Resilienz erlernen oder trainieren?
Zum Beispiel indem wir den Umgang mit Veränderung üben. Dabei hilft es, wenn wir den Case for Change aufschreiben, also die Gründe für die Veränderung. Dazu können wir uns vier Fragen beantworten: Warum besteht dringender Handlungsbedarf für den Wandel? Infolge welcher Situationen besteht die Notwendigkeit zur Veränderung? Was machen wir, um den Menschen in unserer Organisation Sicherheit im Veränderungsprozess zu geben? Was habe ich von der Veränderung, was ist der Nutzen für mich?

Welche Rolle kann HR dabei spielen?
An dieser Stelle ist der Bereich Learning & Development in HR gefordert, neue Lernformate zu etablieren. So könnten Seminare an neuen Lernorten, an Transformationsorten stattfinden, beispielsweise in einem Kloster, in der Zeche Zollverein, im Ruhrgebiet oder im Waldökosystem.

Haben Sie auch Tipps, wie sich Resilienz im Alltag einüben lässt?
Spielerisch können wir uns Situationen überlegen, die unser Leben so richtig ungemütlich machen. Wir könnten eine Woche lang nur Dinge tun, die uns stressen, die uns nerven, die wir nicht mögen: eine Woche lang fasten, jeden Morgen eiskalt duschen, morgens immer fünf Kilometer joggen oder jeden Tag mit Bus und Bahn fahren. Einfach Dinge machen, die wir sonst tunlichst vermeiden. Das stärkt unsere Resilienz.


Wie sieht es mit Empathie und Kommunikation aus? Wer braucht diese Skills und wofür?
Bei der Lösung komplexer Probleme in einer digitalen und nachhaltigen Welt müssen wir verstehen, dass die heutigen Probleme nicht mit den Methoden und Vorgehensweisen gelöst werden können, die sie verursacht haben. Das haben leider viele Führungskräfte immer noch nicht verstanden. Beispielhaft dafür sind etwa die Diskussionen um den Ausbau der Elektromobilität und das Verbrenner-Aus. Und die Gründe für das Festhalten am Bewährten liegen in den unterschiedlichen Interessen der handelnden Akteure. Es braucht also Führungskräfte, die in der Lage sind, alle Interessen im Blick zu haben, also die der Belegschaft, der Eigentümer, der Kunden und auch der Natur. Es sind systemische Denker, die keine Grenzen sprengen wollen, sondern in der Lage sind, Spannungen auszuhalten. Und dazu benötigt man eine empathische Kommunikation und das aktive Zuhören, das Verstehen des anderen.

Lernbereitschaft benötigt heute praktisch jeder und jede. Wie kann sie seitens HR gefördert werden?
Wir wissen heute, dass die Halbwertszeit von Wissen zunehmend abnimmt. Erlerntes ist immer wieder in sich verändernde Kontexte zu bringen. Es braucht daher Mut, die Geduld und Beharrlichkeit, Neues zu entdecken und auszuprobieren. Kontinuierliches Lernen nennen wir diese Fähigkeit und ja, aus meiner Sicht ist HR dafür verantwortlich, diese individuell zu fördern, zu organisieren und die entsprechenden Angebote kuratiert zur Verfügung zu stellen.

Welchen zeitlichen Umfang empfehlen Sie fürs Lernen?
Damit diese Angebote auch ihre Wirkung erzielen, brauchen Mitarbeitende und auch Führungskräfte festgelegte Lernzeiten, ein Zeitbudget, das sie ausgeben müssen. Ein erster Schritt: Fünf Prozent der Jahresarbeitszeit muss für Fortbildung genutzt werden, das sind elf Tage pro Jahr pro Person. Wir sehen, dass in der Transformation HR eine ganz wichtige Rolle zukommt, da sie dafür verantwortlich ist, dass die notwendigen Fähigkeiten in der Organisation sowie bei den Mitarbeitenden und Führungskräften jetzt aufgebaut werden.

Wie könnte jeder und jede einzelne von uns die eigene Lernreise positiv gestalten?
Unsere Lernreisen können wir auf verschiedene Arten starten: Informiere dich jede Woche über ein Thema, das dich interessiert. Oder treffe jede Woche einen Menschen, der dich fasziniert und der dir etwas erklärt, was du bis heute nicht verstanden hast. Oder überlege dir einen „unbekannten” Ort, wo du hingehst, wo du etwas­ erfährst, siehst, erlebst, jemanden triffst, wo du etwas Neues kennenlernst, was du zuvor nicht wusstest.

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Auch Neugier wird zu den Future Skills gezählt – welche Art von Neugier ist damit gemeint?
Neugierig sind alle, die neue Wege gehen wollen, die bislang Unbekanntes ausprobieren möchten, die Freude am Experimentieren haben. Die so sein wollen, wie sie als Kinder waren: offen, kreativ, unvoreingenommen, mit einem großen Drang an schöpferischem Gestaltungswillen. Die Fähigkeiten von Kindern werden heute in Unternehmen gebraucht, wenn es darum geht, neue Produkte und Services zu entwickeln oder über den berühmten Tellerrand hinauszudenken. Also warum nicht Jugendliche zwischen 11 und 18 Jahren bei der Lösung von Problemen oder der Entwicklung neuer Ideen aktiv einbeziehen?

Und was kann man tun, um solche Neugier wiederzubeleben?
Auch das kann man wieder erlernen: Einfach mal eine Woche lang einen anderen Weg zur Arbeit gehen – und zwar jeden Tag einen anderen. Oder etwas machen, das du noch nie getan hast. Musik hören, die du sonst nicht hörst, oder die Playlist von Freunden und Familie. Gehe in die Kletterhalle, obwohl du noch nie klettern warst. Koche etwas, das du noch nie gekocht hast. Diese kleinen Hacks helfen uns, unsere Neugier neu zu entdecken und uns aus unserer Komfortzone herauszubringen.

Alle reden von Teamfähigkeit als Skill – aber was bedeutet das eigentlich im Transformationsgeschehen?
Für mich ist Transformation Teamarbeit. Es mag ja Leute geben, die sich gerne selbst als „Macher” sehen, die glauben, „im Alleingang” jede Herausforderung bewältigen zu können. Doch in Unternehmen, in der Verwaltung und in zivilgesellschaftlichen Organisationen gilt: Wir arbeiten nicht allein. Wir arbeiten mit anderen zusammen. Wir arbeiten im Team. Ich breche mit dem Mythos der allmächtigen Führungskraft.

Wie sieht Ihrer Ansicht nach Führung in modernen Teams aus?
Um ein gutes, leistungsfähiges Team zu entwickeln, braucht es erst einmal eine gemeinsame Vision, wohin wir zusammen gehen wollen. Und eine gemeinsame Identität als Team, bestehend aus Werten, Ambitionen und einer Arbeitskultur, die auf Kollaboration und nicht auf Konfrontation basiert. Danach legen wir fest, wer im Team welche Rolle übernimmt.

Warum ist das relevant?
Das ist wichtig, denn eine Rolle beinhaltet neben den zugeordneten Aufgaben immer auch die Verantwortung und die Befugnis. Damit klar ist, wer in welcher Situation wofür verantwortlich ist und was er oder sie dann allein entscheiden kann. Führung wechselt demnach situativ, sodass immer die Person mit der höchsten Kompetenz in der jeweiligen Situation die Führung übernimmt. Bei der Transformation einer Organisation ist es wie im Mannschaftssport. Es braucht eine ausbalancierte Mannschaftsaufstellung, die je nach Kontext und Entwicklungsphase des Unternehmens anders aussieht. Ich bin daher ein Verfechter eines rollenbasierten Führungsmodells, in dem die Führung je nach Situation wechselt.

Info

Christina Petrick-Löhr betreut das Magazinressort Forschung & Lehre sowie die Berichterstattung zur Aus- und Weiterbildung. Zudem ist sie verantwortlich für die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft sowie den Deutschen Personalwirtschaftspreis.