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Round Table: Das Sein ist wichtiger als der Schein

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1,75 Millionen offene Stellen am meldete die Bundesanstalt für Arbeit für das erste Quartal 2023. Es gibt kaum noch ein Unternehmen, das den Fachkräftemangel nicht zu spüren bekommt. Führt das dazu, dass Employer Branding an Bedeutung gewinnt?

Wie Dorothee Reiser, Managing Director bei der Personalwerk GmbH, beobachtet, nimmt das Thema zumindest an Fahrt auf. „Wir reden mit unseren Kundinnen und Kunden schon lange über die Auswirkungen des demografischen Wandels. Aber erst jetzt, wo dieser tatsächlich spürbar ist, wird den Firmen wirklich bewusst, wie wichtig die Arbeitgeberattraktivität ist“, sagt sie. Dem Eindruck von Marta Rabbow zufolge, Director People & Operations bei meinestadt.de GmbH, ist die Notwendigkeit für Kulturarbeit und Employer Branding, insbesondere nach innen, allerdings noch nicht in allen Unternehmen angekommen. „Es wird viel darüber geredet, aber wenig verändert“, so Rabbow. Viele Arbeitgeber, die die Warnungen der vergangenen Jahre vielleicht nicht gehört oder auch nicht ernst genommen haben, seien zudem damit überfordert, jetzt reagieren zu müssen.

Laut Marcus Merheim, Geschäftsführer hooman Employer Marketing, löst der Begriff Employer Branding in HR-Abteilungen mitunter regelrecht Panik aus. „Plötzlich geht es um Themen wie Marke, um externe Kommunikation und um Positionierung. Viele HRler wissen nicht damit umzugehen, weil das nicht ihr Terrain ist“, sagt er. In vielen Unternehmen sei dies der Grund, warum das Thema nicht richtig nach vorne gebracht werde.

Es stellt sich freilich die Frage, was „richtig“ bedeutet. Laut Aussage von Johanna Hartz, Managerin Unternehmensstrategie der Wollmilchsau GmbH, sollte verstärkt darauf schauen, was intern im Unternehmen läuft. Stattdessen richteten die meisten Betriebe ihren Fokus zu sehr auf externes Personalmarketing und somit auf die Darstellung nach außen.

Wozu dies führt, schildert Sascha Theisen, Geschäftsführer von Employer Telling: „Im Grunde genommen haben wir es mit austauschbaren Arbeitgebern zu tun, denn alle arbeiten mit den gleichen Floskeln: leidenschaftliche Kollegen, flache Hierarchien, attraktives Gehalt et cetera.“ Im Produktmarketing müsste jeder, der solche Austauschbarkeit zu verantworten habe, seinen Hut nehmen, ist Theisen überzeugt. „Es braucht einen anderen Ansatz im Employer Branding, als er in den vergangenen 15 bis 20 Jahren gelebt wurde. Dafür müssen differenzierende Inhalte zunächst geschaffen und praktiziert werden. Erst dann können sie kommuniziert werden“, sagt er. Eine Auseinandersetzung mit dem „Employer Being“ sei daher erstmal wichtiger als Employer Branding. Das heißt, dass die Unternehmen im ersten Schritt reflektieren sollten, wer und wie sie als Arbeitgeber eigentlich sind.

„Für mich ist das Arbeitgeberidentität“, bringt es Marcus Merheim auf den Punkt: „Wenn ich weiß, wer ich bin, was meine Vorzüge sind, was vielleicht auch Dinge sind, die ich verändern, beziehungsweise verbessern muss, dann hilft mir das, mich für potenzielle Bewerber und Bewerberinnen entsprechend attraktiv darzustellen“, erläutert er. Nicht zu vergessen: Dies sind auch die Voraussetzungen, um Mitarbeitende gewinnbringend einzusetzen.

Identitätssuche darf keine leichte Übung sein

Damit Employer Branding funktioniert, müssen die Unternehmen sich erstmal über ihre Arbeitgeberidentität klar werden. Denn internes Employer Branding kommt vor externem Employer Branding. Darin sind sich die Teilnehmenden beim Round Table einig. Was aber bedeutet das konkret?

Arbeitgeber, die erforschen, wer sie wirklich sind, müssen in Kauf nehmen, dass dies wehtut. Das betont Johanna Hartz. Denn, so prophezeit die Employer-Branding-Expertin, sie werden auf Lücken stoßen zwischen dem, wer sie sein wollen, und dem, wie ihr Unternehmen tatsächlich tickt. „Welche Kultur herrscht? Welche Werte werden gelebt? Und wie wird miteinander umgegangen? Unternehmen, die bei dieser Analyse richtig hinschauen, werden nicht nur vorfinden, was ihnen gefällt“, erläutert Hartz. Allerdings liege hier auch einer der Knackpunkte: zu erkennen und dazuzustehen, dass man als Arbeitgeber immer auch Ecken und Kanten habe.

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Ähnlich sieht es Dorothee Reiser. „Wer sich nicht mit den Herausforderungen konfrontieren will, den der Employer-Branding-Prozess bringt, wird seine Identifikation als Arbeitgeber nicht finden“, stellt sie klar und berichtet, dass sie ihre Kundenunternehmen grundsätzlich darauf aufmerksam macht. Reiser weist zudem auf zwei weitere Aspekte hin: Employer Branding ist kein Strategieprojekt mit Start und Ende, sondern ein Prozess, der nie aufhört. Außerdem ist es wichtig, alle Ebenen inklusive C-Level-Management für diesen Employer-Branding-Prozess zu gewinnen und mitzunehmen. Letzteres heißt wiederum nicht, den Identitätsfindungsprozess ausschließlich mit der Geschäftsleitung zu durchlaufen, wie es laut Marcus Merheim häufig der Fall ist. „Es ist entscheidend, wirklich alle einzubeziehen – vom Vorstandsvorsitzenden bis hin zu der Person, die abends den Hof fegt und das Gebäude abschließt“, sagt er. Mit anderen Worten: Employer Branding muss demokratisch gedacht und gemeinschaftlich angegangen werden. Geschieht dies nicht, läuft das Unternehmen Gefahr, falsche Botschaften nach außen zu senden und so auch Mitarbeitende zu verlieren.

Denn: „Es kommt nie gut an, wenn Unternehmen sich auf ihrer Website oder in Stellenanzeigen anders darstellen, als sie in Wirklichkeit sind. Damit setzen sie die Loyalität ihrer Mitarbeitenden aufs Spiel, die ihre Eindrücke dann mitunter auch auf Arbeitgeberbewertungsportalen wie Kununu teilen“, sagt Sascha Theisen. Und wenn heutzutage neue Mitarbeitende in den ersten drei Monaten merkten, dass im Unternehmen eine andere Kultur herrsche, als es ihnen im Bewerbungsprozess vermittelt wurde, seien auch die schnell wieder weg.

Die richtige Aufstellung finden

Positionen wie Employer Branding Manager werden zahlreicher, in vielen Unternehmen gibt es gar mehrköpfige Employer Branding Teams. Bedeutet dies, dass solche Organisationen gut aufgestellt sind für die Steigerung ihrer Arbeitgeberattraktivität?

Je mehr ein Unternehmen verstanden hat, was Employer Branding bedeutet und welche Wirkung es hat, desto mehr Manpower investiert es nach Überzeugung von Dorothee Reiser in das Thema. Nach Ansicht von Marta Rabbow ist allerdings zu differenzieren, schließlich sei die Aufstellung für Employer Branding in den Unternehmen auch eine Frage des Budgets.

„Konzerne haben viel mehr Möglichkeiten, Ressourcen aufzubauen“, sagt sie. Zum Beispiel könnten sich große Unternehmen häufig Mitarbeitende leisten, die dafür verantwortlich sind, die Social-Media-Kanäle zu bespielen, was in kleinen Unternehmen meist nicht gegeben sei.

Vielleicht aber sind kleine und mittelständische Unternehmen gar nicht so sehr im Nachteil, wenn sie eine alternative Herangehensweise in Sachen Aufstellung wählen. Laut hooman-Chef Marcus Merheim ist es zum Beispiel nicht sinnvoll, Employer Branding einzig und allein aus dem HR-Team heraus zu betreiben, da hier die entsprechenden Kompetenzen erst aufgebaut werden müssten. „Besser wäre, alle Spezialisten, die man für das Employer Branding braucht – Kommunikationsspezialisten, Marketingfachleute, kurz: Menschen, die wissen, wie Außenwirkung entsteht, und die sich mit Social Media auskennen – samt der Geschäftsführung an einen Tisch zu holen“, sagt Merheim. Denn entscheidend sei, dass man an einem Strang ziehe und Employer Branding zum gemeinsamen Projekt mache. Stattdessen, so Merheims Beobachtung, werde den eigentlichen Spezialisten in den Unternehmen oftmals die Befugnis abgesprochen, sich bei dem Thema einzubringen.

Flexibilisierung der Arbeit und Viertagewoche

Das Thema Viertagewoche wird derzeit stark diskutiert. Die Teilnehmenden am Round Table betrachten das Arbeitszeitmodell unterschiedlich.

Die Mehrheit der Arbeitnehmenden würde gerne vier statt fünf Tage in der Woche arbeiten. Das zeigt eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung ebenso wie andere Untersuchungen. Doch sind die Unternehmen bereit, ihre Mitarbeitenden nur noch vier Tage in der Woche zu beschäftigen, sie aber trotzdem für fünf Tage zu bezahlen? Das ist nach Ansicht von Sascha Theisen von Employer Telling die entscheidende Frage bei dem Thema. Die Unternehmen bewegten sich in einem Spannungsfeld zwischen Zugeständnissen an die Mitarbeitenden einerseits und andererseits der Bereitschaft, Teile des unternehmerischen Erfolgs zu opfern.

Für Dorothee Reiser macht die Diskussion um die Viertagewoche deutlich, dass Arbeitgeber und -nehmer aufeinander zugehen. Davon abgesehen ist es ihrer Meinung nach im Grunde genommen egal, wie viele Tage die Beschäftigten arbeiten, solange die Produktivität stimmt. „Letztlich spielt hier einmal mehr die Mitarbeiterbindung beziehungsweise die Identifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dem Unternehmen eine große Rolle“, meint Reiser: Stehe der Mitarbeitende hinter seinem Arbeitgeber und habe er oder sie Spaß am Job, stimmten in der Regel auch der Output und das Vertrauen. Allerdings müssen, wie Johanna Hartz ergänzt, die Ziele im Unternehmen klar sein. „Und welches Unternehmen arbeitet wirklich so stark nach Zielen, dass es am Ende des Tages egal ist, ob Arbeitnehmer XY die erwartete Leistung auch in vier oder vielleicht sogar in drei Tagen in der Woche schafft?“, gibt sie zu bedenken. Ihrer Meinung nach gilt es, gemeinsam herauszufinden, was der goldene Mittelweg ist zwischen der Forderung von Arbeitnehmerseite nach gleichem Gehalt bei verringerter Arbeitszeit und dem Ansinnen der Unternehmen, die Arbeitszeit lediglich auf weniger Tage zu verteilen.

Tatsächlich wird die Viertagewoche im Sinne einer Flexibilisierung der Arbeitszeit aber nicht nur ins Spiel gebracht, weil die Mitarbeitenden sie fordern. Marta Rabbow weist darauf hin, dass sie in erster Linie eine mögliche Lösung für den Fachkräftemangel ist. „Die Unternehmen müssen insgesamt flexibler werden, was die Arbeitszeiten betrifft“, sagt sie. Das sei allerdings keine einfache Angelegenheit. „Es gibt Berufe, etwa in der Pflege oder im produzierenden Gewerbe, bei denen eine Flexibilisierung durch die Schichtdienste äußerst kompliziert ist“, so Rabbow.
Für manche Branchen ist die Arbeitszeitreduzierung laut Sascha Theisen gar existenzbedrohend. „Für ein Restaurant ist es in der Regel nicht machbar, einen Koch einzustellen, der nur an vier Tagen in der Woche arbeitet, weil es an den anderen Tagen dann schlicht kein Essen anbieten kann“, gibt er ein Beispiel. „Wir dürfen den nicht-akademischen Arbeitsmarkt nicht aus dem Blick verlieren. Die Diskussion um die Viertagewoche ist aber vielfach eine akademisierte Debatte“, so Theisen. Wie Marcus Merheim prophezeit, wird die Diskussion aus diesem Grund auch in absehbarer Zeit wieder abflauen. „Das Konzept kann in einer Agentur funktionieren, aber im gewerblichen Bereich ist es schwierig umzusetzen“, sagt er.

Alles zum Thema

Employer Branding

Employer Branding umfasst die Positionierung und Kommunikation eines Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber. Dahinter verbirgt sich einerseits die Idee, Ansätze der Markenbildung, wie sie im Marketing und strategischen Management schon lange bekannt sind, auf die Mitarbeitergewinnung zu übertragen.

Internationales Employer Branding ist für manche ein Muss – oder?

Deutschland braucht jährlich circa 400.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland, um den Fachkräftemangel stemmen zu können. Eine entsprechende Gesetzgebung wird gerade reformiert. Was können beziehungsweise müssen die Unternehmen tun, um ausländische Mitarbeitende anzuziehen und ihre Arbeitgebermarke hierfür entsprechend in Position zu bringen?

„Wenn ein Unternehmen sich als internationaler Arbeitgeber präsentiert, muss es das auch ausstrahlen“, sagt Sascha Theisen. Die wichtigste Frage ist seiner Ansicht daher: Ist internationales Arbeiten im Unternehmen überhaupt gewollt? „Eventuell gibt es zu viele Mitarbeitende im Betrieb, die gar nicht so erpicht darauf sind, mit internationalen Kollegen zu arbeiten, weil sie beispielsweise die Sprachbarriere fürchten. Solche Hemmnisse dürfen nicht unterschätzt werden“, so Theisen. „Gerade im traditionellen Mittelstand gibt es oftmals noch Berührungsängste“, ergänzt Marcus Merheim. Spätestens wenn es darum gehe, Meetings fortan auf Englisch zu führen, fühlten sich viele Mitarbeitende nicht mehr wohl. „An diesem Punkt gelangt man schnell wieder zum Identitätsthema, welches einem authentischen Employer Branding im Wege stehen kann“, sagt Merheim.

Nach Ansicht von Marta Rabbow ist eine langsame Annäherung in Sachen Verständigung ein guter Weg. Sie kann von eigenen Erfahrungen berichten: Bei meinestadt.de werden sowohl Englisch- als auch Deutschkurse angeboten, in kleinen Gruppen wird noch auf Deutsch kommuniziert, bei großen Präsentationen werde zwar Deutsch gesprochen, aber mit englischen Folien gearbeitet. Wenn der Wille und der Wunsch im Unternehmen da sind, findet man einen Weg, um die Sprachbarrieren zu überwinden – egal, ob mittels gebrochenem Englisch oder mit einem Übersetzungsprogramm wie DeepL. Davon ist Johanna Hartz überzeugt.

Über ausreichende Sprachkenntnisse hinaus sollten in den Unternehmen aber noch weitere Voraussetzungen zur Integration gegeben sein – etwa Hilfe bei der Suche nach einer Wohnung, nach einem Kitaplatz sowie einer passenden Schule, Begleitung bei Behördengängen et cetera. Doch insbesondere den kleineren Unternehmen in Deutschland fehlen Hartz zufolge oftmals die Strukturen, um ausländische Mitarbeitende zu integrieren und zu beschäftigen. Um einschätzen zu können, ob man als Arbeitgeber ausreichend gut aufgestellt ist für internationale Beschäftigte und ob man Menschen fremder Nationen, die ins Unternehmen kommen, angemessen begegnen kann, regt sie Kulturkurse an. In diesen könnten sich Unternehmen mit ihren Mitarbeitenden darüber austauschen, inwiefern die Integration ausländischer Beschäftigter möglich sei und ob man das im Unternehmen leisten könne. Nicht zuletzt sei zu überlegen: Soll sich das Employer Branding aufs Europäische Ausland konzentrieren? Oder will man Mitarbeitende in aller Welt erreichen?

Wie gewinnt man die Gen Z – und was treibt die Generation an?

Die Gen Z (die zwischen 1997 und 2012 Geborenen) steht dem Business anders gegenüber als die Babyboomer. Sie legt nach verbreiteter Wahrnehmung Wert auf flexible Arbeitszeiten, Freizeit und Privatleben kommen vor dem Job. Insbesondere in Social-Media-Kanälen wird die Genz Z häufig als egozentrisch und verwöhnt dargestellt.

Die Teilnehmenden am Round Table indes zeigen Verständnis für die Generation. Der Generationen-Clash müsste ihnen zufolge gar nicht so groß sein. „Die Bedürfnisse hatten die Menschen der vorherigen Generation auch in ihren jungen Jahren. Der große Unterschied ist, dass die Gen Z diese Bedürfnisse wegen des Fachkräftemangels auch einfordern kann“, meint Marta Rabbow. Wie Johanna Hartz von Wollmilchsau meint, hat es schon immer Unterschiede zwischen den Generationen gegeben. Sie wünscht sich mehr Offenheit der Älteren gegenüber den Jüngeren. „Das haben wir uns schließlich in unseren jungen Jahren auch gewünscht“, sagt sie. Insgesamt sollte der Fokus mehr darauf liegen, voneinander zu lernen. „Schubladendenken gegenüber der Gen Z ist nicht zielführend. Die Kultur der Unternehmen muss sich entwickeln, damit mehr Schnittmengen entstehen“, sagt auch Dorothee Reiser von Personalwerk.

Eine wichtige Voraussetzung hierfür: sich damit auseinanderzusetzen, wie die Gen Z tickt. „Was treibt diese Menschen an? Was bewegt sie, und was sorgt sie? Dies gilt es herauszufinden, um ein gemeinsames Verständnis entwickeln und auf Augenhöhe kommunizieren zu können“, sagt Marcus Merheim. Um die Gen Z zu erreichen, sollten die Unternehmen zudem deren Mediennutzung kennen. „Mit linearem Fernsehen und Printprodukten haben die heute 20-Jährigen nicht mehr viel am Hut, vielmehr sind sie bei Tiktok und Co. unterwegs“, so Merheim. Wer die Social-Media-Welt kennt, ist laut dem Employer-Branding-Experten klar im Vorteil, denn entscheidend sei, an die Themen und Mediennutzung der Gen Z angepasste Inhalte zu kreieren. Allerdings müsste der Content wiederum auch zum Unternehmen passen. „Auf keinen Fall sich anbiedern und mit aller Gewalt cool sein wollen“, sagt Merheim.

Sascha Theisen warnt indes davor, sich komplett der Gen Z auszuliefern. „Sowohl im Recruiting als auch bei der Mitarbeiterbindung kommt es darauf an, alle Generationen im Blick zu haben und zum Beispiel die sehr motivierte Gen 50plus auf dem Radar zu behalten“, sagt er. „Wichtig ist am Ende, dass man bedürfnisorientiert unterwegs ist und versteht, was sich die Menschen wünschen – seien es Angehörige der Gen Z oder anderer Generationen“, spinnt Marta Rabbow diesen Gedanken weiter. Unternehmen sollten aber auch transparent machen, was sie nicht bieten könnten. Das heißt: Die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität als Arbeitgeber ist einmal mehr entscheidend.

Diversität und Inklusion sind eher Wunschdenken als Realität

Die Themen Diversität und Inklusion standen beim Round Table ebenfalls auf der Agenda: Inwiefern müssen Unternehmen sich damit im Zusammenhang mit Employer Branding auseinandersetzen?

Eine Frage, die nachdenklich stimmen sollte, wie Marcus Merheim findet. Denn eigentlich sollte es selbstverständlich sein, als Arbeitgeber offen und tolerant zu sein. Die Realität sieht jedoch anders aus. „Wir haben heute sogar noch Diskussionen, ob Mitarbeitende in kurzen Hosen ins Büro kommen können. Wenn wir über passende Kleidung sprechen müssen, dann sind wir auch noch weit entfernt von Diversität“, so Merheim. Es geht um die sozio-kulturelle Gleichförmigkeit in Organisationen, die zu überdenken ist.

Dafür muss der Begriff der Diversität jedoch erst einmal definiert werden. „Diversität und Inklusion wird in vielen Unternehmen mit der Berücksichtigung von Frauen beziehungsweise mit Gendern sowie ausländischen Mitarbeitenden gleichgesetzt. Recruiting-Kampagnen spiegeln das wider“, sagt Johanna Hartz. Überdurchschnittlich häufig stoße man zum Beispiel auf Plakatwerbung mit multikulturellen Teams.

Soll Diversität in Recruiting-Kampagnen aufgegriffen werden, ist laut Hartz – wie bei vielen anderen Themen auch – Reflexion in Sachen Authentizität gefordert. Doch selbst dann bleibt es laut Sascha Theisen ein heikles Unterfangen. „Es ist schwierig, eine Haltung beziehungsweise wertegebundene Themen wie Diversität und Inklusion in eine Kampagne zu packen“, sagt er. „Man läuft Gefahr, dass potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten den Eindruck gewinnen, man wolle mit etwas punkten, was man zwar gerne sein möchte, aber bei genauem Hinsehen doch nicht mit aller Konsequenz ist.“ Seine Empfehlung ist, die Haltung zu leben. „Ist man als Arbeitgeber besonders tolerant, kann man davon ausgehen, dass sich dies früher oder später – über Kununu und andere Kanäle – herumspricht. Das ist dann das Beste, was einer Arbeitgebermarke passieren kann“, so Theisen. Auch hier gilt die Regel: Internes Employer Branding strahlt nach außen.

Wünsche für die Zukunft

Schlussrunde der Diskussion: Was brennt den Teilnehmenden des Round Table besonders unter den Nägeln? Sind das die akuten Themen oder doch eher Grundsatzfragen?

„Es ist ein bisschen wie mit der Liebe: Es muss nicht immer alles auf Hochglanz sein. Aber wenn die Liebe echt ist, weiß der oder die andere, woran er oder sie ist. Dann kann man zusammenwachsen“, sagt Dorothee Reiser. Ihr Plädoyer daher: Employer Branding muss nicht perfekt, sondern ehrlich sein. Das erfordert auch Mut. Johanna Hartz wünscht sich, dass dieser Mut stärker Einzug hält in den Unternehmen – ungeachtet des Risikos, dass sie dann vielleicht nicht mehr für alle Zielgruppen spannend seien. „Unternehmen, die dazu stehen, dass sie sind, wie sie sind, gewinnen stattdessen Menschen, die richtig gerne für sie arbeiten“, ist sich Hartz sicher.

Einhergehend mit dem erforderlichen Mut brauche es in den Unternehmen ein verändertes Verständnis für Employer Branding, betont Sascha Theisen. „Es ist viel zu lange erzählt worden, dass sich die Arbeitgebermarke von der Produktmarke ableiten muss. Doch Arbeitgeberkommunikation ist eine eigenständige Disziplin, und dementsprechend muss das Thema auch angegangen werden.“ Eine Kulturanalyse ist dabei unbedingt notwendig, sagt Marcus Merheim: „Ich kann nur immer wieder empfehlen, sich für die Durchführung und Auswertungen einer solchen Analyse externe Begleitung heranzuziehen.“

Dass die Unternehmen sich ihrer Identität bewusst werden und diese nach außen tragen, liegt auch Marta Rabbow von meinestadt.de am Herzen. Gleichzeitig macht sie darauf aufmerksam, dass die Arbeitgeber sich für das öffnen sollten, was Menschen im Unternehmen wichtig ist. „Das ist gerade ob der unsicheren Zukunft aufgrund der Inflation sowie der Energie- und der Klimakrise von großer Bedeutung.“