Ulrich Weber ist tot. Wie die FAZ berichtet, verstarb der ehemalige Personalvorstand der Deutschen Bahn nach schwerer Krankheit im Alter von 72 Jahren.
Ulrich Weber war nach seinem Jurastudium zunächst als Rechtsanwalt tätig. Ab 1984 arbeitete er für die Ruhrkohle AG, anschließend ab 1987 für die Westfälische Berggewerkschaftskasse. 1990 ging Weber als Geschäftsführer zur Deutschen Montan Technologie GmbH, 1993 wurde er Vorstand der Cubis AG. Weitere fünf Jahre später wechselte Weber als Mitglied des Vorstandes und Arbeitsdirektor zur RWE Rheinbraun AG. Ab 2001 war er Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor der RAG Aktiengesellschaft und ab 2006 im Nachfolgeunternehmen Evonik Industries AG. Der Wechsel zur Bahn folgte im Juli 2009, als er den Posten als Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Deutschen Bahn AG sowie der DB Mobility Logistics übernahm.
Im Spätsommer 2017 hatte Weber angekündigt, das Unternehmen ein Jahr vor Vertragsende zu verlassen, seinen Posten im Aufsichtsrat von Evonik hatte er aber bis zuletzt behalten.
In Erinnerung an Ulrich Weber veröffentlichen wir hier Auszüge aus einem Interview, das wir 2014 mit ihm geführt haben. Das vollständige Interview finden Sie in der Ausgabe 3/2014, ein Gespräch zu seinem Abschied von der Bahn 2017 hier:
„Die Bahn ist ein ganz besonderes Unternehmen“
Seit 2009 lenkt Ulrich Weber die HR-Geschicke der Deutschen Bahn. Er hat seitdem viel bewegt, aber als im vergangenen Jahr [also 2013, d. Red.] der Mainzer Hauptbahnhof wegen Personalmangels wochenlang stillstand, traf die Kritik auch ihn persönlich. Ein Gespräch über die Tücken der Personalplanung.
Personalwirtschaft: „Kein Job wie jeder andere“ – so lautet der Slogan Ihrer viel beachteten Employer-Branding-Kampagne. Wie ist der Job für Sie?
Ulrich Weber: Die Bahn ist schon ein ganz besonderes Unternehmen. Da ist zum einen die Größe mit über 300.000 Mitarbeitern, dann die besondere Eigentümerstruktur – wir stehen ja unverändert zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes. Es hat aber vor allem damit zu tun, dass dieser Konzern in dem Sinne ein öffentliches Unternehmen ist, dass es permanent unter Beobachtung steht. Was wir tun, wird in der Öffentlichkeit kommentiert, nicht selten kritisch. Die Größe, die Aufmerksamkeit, die Komplexität, all das zeigt, wer bei der Deutschen Bahn arbeitet, hat keinen Job wie jeder andere.
Mit welchen Zielen sind Sie vor fünf Jahren als Personalvorstand angetreten? Hatten Sie schon eine HR-Agenda im Kopf, bevor Sie anfingen?
Es ging im Mai 2009 alles sehr schnell. Herr Grube hatte soeben als Nachfolger von Herrn Mehdorn seinen Posten als Vorstandsvorsitzender angetreten, im Juli sollte bereits ein neuer Personalvorstand bestellt werden. Damals konnte ich natürlich noch keine bahnspezifischen Ziele formulieren. Ich konnte aber das einbringen, was ich vorher in 25 Jahren Personalarbeit, zuletzt als Vorstand bei Evonik, erfahren habe. Mein generelles Ziel für die Personalarbeit lautet: Unternehmerischer Erfolg und die Zufriedenheit der Mitarbeiter bedingen sich.
Wie verlief Ihr Einstieg?
Als ich anfing, sind wir erst einmal durchs Unternehmen gegangen, haben mit vielen Menschen gesprochen, vor allem zugehört, um uns ein Bild zu machen. Wir haben das damals Dialogoffensive genannt. Das Unternehmen war in einem kritischen Zustand: Vorstandswechsel, Datenaffäre, Absage des Börsengangs. Es war eine große Verunsicherung zu spüren. Verlässlichkeit, Orientierung, Zuversicht, Gemeinsamkeit, Vertrauen – das waren die Themen, die sich in den ersten Wochen und Monaten für eine neue HR-Programmatik herausbildeten.
Ein zentrales HR-Ziel lautet, einer der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands zu werden.
Ja, wir haben diesen plakativen Anspruch formuliert, einer der Top 10-Arbeitgeber zu werden. Das klingt auf den ersten Blick vermessen, ist aber als Herausforderung genau richtig. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir alle HR-Instrumente in den Blick genommen und den Bereich Rekrutierung und Personalmarketing ganz neu aufgestellt. Wir wollen sowohl nach außen als auch nach innen attraktiver werden, Selbstbewusstsein zeigen und die Mitarbeiterzufriedenheit steigern.
Wo stehen Sie heute?
Einen Kulturwandel herbeizuführen erfordert Zeit und viel Energie aller Beteiligten – von Führungskräften und Mitarbeitern. Mitarbeiterzufriedenheit ist ein langfristiges, strategisches Ziel, das in kleinen Schritten erreicht werden kann. Wir müssen auch immer wieder deutlich machen, dass wir es ernst meinen. Wir berücksichtigen das Thema in den Zielvereinbarungen, kommunizieren und diskutieren die Ergebnisse aus Mitarbeiterbefragungen und setzen bei der Führungskräfteentwicklung an, die sich an dem Leitbild der transformationalen Führung orientiert. Wir stellen uns auch möglicher Kritik, beispielsweise bei unpopulären Maßnahmen. Unternehmenskultur heißt nicht, dass wir uns alle lieb haben. Wir arbeiten hart, wollen Leistung zeigen und Leistung sehen, geben uns Feedback und zeigen Respekt vor Individualität.
Und dann passiert so etwas wie in Mainz, wo wegen Personalmangels ein Bahnhof wochenlang nicht funktionsfähig ist. Wie war das für Sie persönlich, und wie können Sie sich diesen Missstand erklären?
Was dort passiert ist, hätte nicht passieren dürfen. Die öffentliche Kritik habe ich schon als sehr belastend empfunden. Erklären kann man das Debakel über die Komplexität und Größe des Unternehmens. Mit welcher Krankheitsquote rechne ich, wie plane ich Urlaub, wie viele Überstunden werden geleistet – diese Fragen müssen in der Personaleinsatzplanung vor Ort beantwortet werden. Auf der anderen Seite liefert die Konzernleitung die Prämissen für die strategische Personalplanung. Es kann wegen Mainz aber nicht die ganze Personalplanung der Bahn infrage gestellt werden. Wir haben das genau analysiert, es gab Ursachenforschung. So gesehen war Mainz ein Schuss vor den Bug, der uns mächtig geärgert hat, uns insgesamt aber nicht vom Kurs abgebracht, sondern uns zur Reflektion unserer Prozesse aufgefordert hat. Jeder der Beteiligten muss wissen: Wir tun alles, um solche Vorfälle künftig zu vermeiden.
Wir haben in unserer Zeitschrift den Vorgang auch deshalb kritisch kommentiert, weil wir immer betont haben, wie wichtig eine strategische Personalplanung ist, um vor allem die erfolgskritischen Mitarbeitergruppen im Blick zu haben. Gerade mit dieser Art der Personalplanung hatten Sie und Ihr Unternehmen im Vorfeld positive Schlagzeilen gemacht. Und dann kommt so ein Vorfall. Es ist nach wie vor schwer erklärbar, wie durch unvorhergesehene Krankheitsfälle ein Bahnhof fast vier Wochen lahmgelegt werden kann.
Zugegeben, es ist schwer erklärbar. Aber das, was in Mainz passiert ist, lag nicht an mangelhafter strategischer Personalplanung.
Aber es gab durchaus Kritik an den Parametern der strategischen Planung. Sie seien in Teilen zu knapp bemessen und es räche sich nun, dass die Bahn in der Vergangenheit zu sehr am Personal gespart hätte. Haben Sie die Personalbedarfsplanung angepasst, und ist die Verantwortlichkeit in den Betriebsstätten verstärkt worden?
Wir haben unsere Planungsparameter intensiv mit den Führungskräften, Personalern und Betriebsräten der unterschiedlichen Betriebsstätten analysiert und diskutiert. Wir haben uns die Prozesse nochmals angesehen, gefragt, ob die Frühwarnsysteme stimmig sind. Unsere strategische Personalplanung muss frühzeitig drohende Defizite erkennen und auch berücksichtigen, dass beispielsweise das Stellwerkpersonal erst nach sechsmonatiger Einarbeitung vor Ort einsatzfähig ist. Hier sind wir sicherlich schlauer geworden. Es gibt auch eine neue Rahmenvereinbarung mit dem Konzernbetriebsrat zur Personalplanung. Damit müssen sich alle auseinandersetzen, um zu verstehen, wie der Regelprozess mit einheitlichen Standards funktioniert. Am Ende ist entscheidend, dass vor Ort die Engpasswarnungen rechtzeitig zum Handeln führen. Dafür müssen wir alle Beteiligten stärker sensibilisieren. Es ist also auch hier wieder eine Frage der Kommunikationskultur. Wir haben uns zudem darauf verständigt, 1.700 Mitarbeiter zusätzlich zu beschäftigen, davon alleine rund 450 vorübergehend, um Mehrarbeit abzubauen.
Sie blicken hier von Ihrem Büro auf das politische Berlin. Was halten Sie von den Beschlüssen der Großen Koalition? Nimmt HR dabei ausreichend Einfluss?
Die Einflussnahme findet auf verschiedenen Wegen statt, über die Arbeitgeberverbände oder zum Beispiel über die DGFP versuchen wir, Einfluss zu nehmen. Aber wir werden die Politik nur schwer von bestimmten Dingen abhalten können, wenn sie populär sind.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel die Diskussion über Frauenquoten in Aufsichtsräten. Für eine Frauenförderung in den Unternehmen hilft diese Quote nur wenig. Es muss doch eher darum gehen, dass und wie wir den betrieblichen Alltag verändern. Wo sollte die Politik die richtigen Akzente setzen? Es gibt zwei zentrale Zukunftsthemen, um die wir uns alle kümmern müssen: um die Bildung in unserem Land und die demografische Entwicklung. Wir lassen immer noch zu viele Potenziale und Talente junger Menschen unentdeckt. Zudem müssen wir Bedingungen schaffen, die die Menschen im Alter länger in Arbeit halten. Ansonsten geht uns ein enormes Erfahrungswissen verloren. Hierzu gibt es bei der DB erste wichtige Lösungsansätze, wie beispielsweise unseren Demografie- Tarifvertrag. Die momentane Diskussion um die Rente mit 63 sendet leider genau die falschen Signale.
(Das Interview führte Erwin Stickling.)