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Corona-Pandemie: Darf ein Arbeitgeber einen Impf-Bonus zahlen?

Personalwirtschaft: Mal ganz grundsätzlich gefragt: Darf ein Arbeitgeber finanzielle oder materielle Anreize setzen, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnellstmöglich impfen lassen?
Kerstin Minge: Das kann man nicht pauschal beantworten, schließlich kommt es immer auf das einzelne Unternehmen an und darauf, wie der Bonus genau ausgestaltet ist. Grundsätzlich ist es aber denkbar.

Wovon hängt es denn ab?
Jeder Arbeitgeber ist zunächst einmal verpflichtet, den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz einzuhalten. Das heißt, die Beschäftigten müssen grundsätzlich gleich behandelt werden – es sei denn, es gibt einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung. Es bedarf daher eines sachlichen Grundes, der in dem legitimen Interesse an dem Gesundheitsschutz der Mitarbeiter und der Aufrechterhaltung des Betriebsablaufs liegen kann.

Wie hoch darf ein Bonus sein?
Klare Grenzen gibt es hier nicht. Er muss auf jeden Fall verhältnismäßig ausgestaltet sein, wie das Bundesarbeitsgericht vor einiger Zeit schon für sogenannte „Anwesenheitsprämien“ klargestellt hat.

Gilt das auch für nicht-materielle Anreize, zum Beispiel „schönere“ Aufgaben oder die Erlaubnis, ins Büro zurückzukommen?
Auch hier gilt erst einmal der Gleichheitsgrundsatz. Aber natürlich hat der Arbeitgeber das legitime Interesse, dass seine Mitarbeiter gesund sind und bleiben, während gleichzeitig die Funktionalität des Betriebsablaufs gesichert ist. Und damit kann er auch argumentieren, wenn er einzelne Mitarbeiter frühzeitig wieder ins Büro lässt. Für Produktionsbetriebe, wo die Einhaltung von Abständen in der Regel schwieriger ist als im Büro, gilt das umso mehr. Grundsätzlich würde ich als Arbeitgeber, wenn ich solche Privilegien schaffen möchte, darauf achten, dass sie in erster Linie dazu dienen, die vor der Pandemie bestehende „Normalität“ im Betrieb möglichst schnell für die Mitarbeiter wieder herzustellen und von Sonderprivilegien, die auch vor der Pandemie nicht bestanden, abzusehen. Nicht nur aus rechtlicher Sicht, sondern auch im Sinne des Betriebsklimas.

Wo dürfen Arbeitgeber noch ungleich behandeln?
Wenn persönlicher Kundenkontakt besteht (zum Beispiel im Außendienst), dann ist eine Differenzierung zwischen den Mitarbeitern in den meisten Fällen vermutlich gerechtfertigt – schon allein aus einer Verantwortung dem Kunden gegenüber. Es sei denn, der Schutz kann in anderer Weise gleich effektiv sichergestellt werden. Dies gilt natürlich umso mehr, wenn sich bestätigt, dass geimpfte Menschen nicht nur nicht selbst krank werden, sondern auch niemanden anders anstecken können.

Das macht also einen Unterschied?
In der Tat kann dies eine wichtige Rolle spielen. Übrigens auch, wenn es darum geht, ob Mitarbeiter frühzeitig wieder ins Büro dürfen. Denn wenn der Großteil der Mitarbeiter geimpft und sicher nicht ansteckend ist, wäre es schwieriger zu rechtfertigen, Ungeimpften die Rückkehr dorthin zu verweigern. Schließlich sinkt mit jedem geimpften Mitarbeiter dann das Risiko sich anzustecken und die Gefahr für den Arbeitgeber, dass der Betriebsablauf durch Erkrankungen beeinträchtigt wird.

Bisher ist aber ja ohnehin erst ein Bruchteil der arbeitenden Bevölkerung geimpft. Welche Rolle spielt denn der Stand der Immunisierung in der Bevölkerung?
Der spielt eine wichtige Rolle, vor allem aus dem gerade genannten Grund: Wenn erst einmal das Gros der Menschen geimpft ist, dann besteht auch für die Ungeimpften eine geringere Gefahr, sich anzustecken, wodurch die Begründung für die Ungleichbehandlung durch den Arbeitgeber eingeschränkt würde und beispielsweise ein Verbot zur Rückkehr ins Büro nicht mehr gerechtfertigt wäre.

Aus moralischer Sicht könnte man aber auch sagen: Wenn sie die Chance hatten, geimpft zu werden, sie aber nicht nutzen, dann sollen sie doch auch zu Hause bleiben.
So mag man argumentieren können, wenn man die Leute bestärken will, sich impfen zu lassen. Rechtlich spielt allein der Grund, nicht geimpft zu sein, aber keine Rolle. Schließlich gibt es keine Impfpflicht. Es kommt vielmehr auf die sachlich nachvollziehbaren Gründe des Arbeitgebers an, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen.

Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber zu einer Gefährdungsbeurteilung, die Corona-Arbeitsschutzverordnung zur Aktualisierung ebendieser. Was bedeutet das im Kontext der Impfungen?
In der Tat ist jeder Arbeitgeber nach den Paragraphen 5 und 6 des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtet eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen, also die für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefahren abzuschätzen und zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes notwendig sind. In der Regel passiert das bei der Einrichtung eines Arbeitsplatzes. Durch die Corona-Arbeitsschutzverordnung kommt die Pflicht dazu, diese Beurteilung zu aktualisieren und abzuleiten, welche zusätzlichen Maßnahmen im Hinblick auf die Pandemie erforderlich sind.  Und bevor die bislang ergriffenen Maßnahmen erneut angepasst werden, wenn zum Beispiel für geimpfte oder negativ getestete Mitarbeiter die Schutzmaßnahmen reduziert werden sollen, sollten diese Änderungen daher zuvor einer erneuten Gefährdungsbeurteilung unterzogen werden.

Hat der Arbeitgeber überhaupt ein Recht zu erfahren, welche Beschäftigten geimpft sind und welche nicht?
Das ist in der Tat ein schwieriger Punkt. Datenschutzrechtlich darf der Arbeitgeber grundsätzlich nur Informationen erheben, die für die Durchführung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind. Gesundheitsdaten, zu denen der Impfstatus zählt, unterliegen noch einmal einem erhöhten Schutz. Bei einer weltweiten Pandemie, und sofern die Impfung auch die Ansteckung anderer verhindern kann, könnte hier aber eine solche Erforderlichkeit begründbar sein. Dies wird letztlich ebenfalls eine Einzelfallentscheidung sein. Konkrete Gerichtsentscheidungen dazu gibt es aber natürlich derzeit noch keine.

Wenn erst einmal genügend Impfstoff vorrätig ist, könnten auch Betriebsärzte Impfungen übernehmen. Was ist dabei zu beachten?
Das dürfte analog zu den bekannten Grippeimpfungen laufen. Das heißt, die Unternehmen haften grundsätzlich nicht für etwaige Impfschäden, müssen aber auch hier den Gleichheitsgrundsatz befolgen. Dem langjährigen Angestellten ein Impfangebot zu machen, der studentischen Hilfskraft aber nicht, obwohl beide im gleichen Großraumbüro sitzen und damit gleichen Gefahren ausgesetzt sind, wäre nicht erlaubt.

Darf die Impfung denn während der Arbeitszeit passieren oder wäre das auch eine Ungleichbehandlung der Impfverweigerer und der anderweitig Geimpften?
Das sollte rechtlich kein Problem darstellen. Nicht zuletzt, da die Impfungen in kürzester Zeit verabreicht werden können.

Nach den Beschlüssen der Bund-Länder-Konferenz in der vergangenen Woche sollen Unternehmen in Zukunft ihren vor Ort arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Schnelltest pro Woche anbieten (Anm. d. Red.: Die später eingeführte Testangebotspflicht umfasste zwei Tests pro Woche.). Hat das Einfluss auf etwaige Impfboni und -privilegien?
Nur bedingt. Das Ergebnis eines Schnelltests bietet im Gegensatz zu den Impfungen leider nur eine Momentaufnahme, es kann daher nicht eine gleichwertige Sicherheit und Effektivität für den Arbeitgeber bieten wie eine Impfung. Daher kann das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Gesundheit seiner Mitarbeiter und der Funktionalität des Betriebs, das die Ungleichberechtigung gegebenenfalls zu rechtfertigen vermag, durch die Durchführung eines – oder mehrerer – Schnelltests in der Woche nicht genauso wirksam erreicht werden. Gerade die mögliche Erkrankung von Mitarbeitern wird hierdurch nicht genauso effektiv verhindert. Ich habe daher als Arbeitgeber weiterhin ein sehr hohes Interesse daran, dass meine Mitarbeiter schnellstmöglich geimpft sind. Selbst wenn tägliche Selbsttests logistisch umsetzbar wären, müsste dann, um einen gleichwertigen Schutz herstellen zu wollen, sichergestellt werden, dass den gesamten Arbeitstag über kein Kontakt zu nicht-getesteten Menschen besteht. Zum Beispiel auch in der Mittagspause.


Kerstin Minge ist Associate im Frankfurter Büro der Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons. Sie berät nationale und internationale Unternehmen in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Matthias Schmidt-Stein koordiniert als Chef vom Dienst die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet die Onlineredaktion. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit dem Berufsbild HR und Karrieren in der Personalabteilung sowie mit Personalberatungen. Auch zu Vergütungsthemen schreibt und recherchiert er.