Ein Arbeitnehmer, der sich weigert, vom Arbeitgeber bereitgestellte Coronatests durchzuführen, darf deshalb nicht direkt gekündigt werden. Das geht aus einem Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg hervor (Urteil vom 24.11.2021, Aktenzeichen 27 Ca 208/21). Nach Meinung des Gerichts muss der Arbeitgeber in einem solchen Fall zunächst eine Abmahnung als „milderes Mittel“ aussprechen.
Im vorliegenden Fall ging es um die Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers. Dieser hatte eine Zeit lang aufgrund Kurzarbeit Null nicht gearbeitet. An seinem ersten Arbeitstag nach der Kurzarbeit, dem 1. Juni 2021, sollte der Mitarbeiter – vor dem Hintergrund der Corona-Testpflicht – vor Schichtbeginn einen Schnelltest im Betrieb durchführen. Darüber hatte der Arbeitgeber seine Beschäftigten im Vorfeld auch informiert. Ebenso wurden die Mitarbeiter darüber informiert, dass für die Folgezeit Selbsttests für zu Hause zur Verfügung gestellt werden.
Der spätere Kläger verweigerte den Coronatest, woraufhin der Arbeitgeber ihn für diesen Tag unbezahlt von der Arbeit freistellte. Am nächsten Tag wiederholte sich dieses Szenario. Als der Beschäftigte auch am darauffolgenden Tag die Durchführung und Mitnahme der Schnelltests ablehnte, verwies der Arbeitgeber ihn vom Betriebsgelände und erteilte ihm Hausverbot. Einige Tage später kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.
Arbeitsgericht: Abmahnung wäre ausreichend gewesen
Die gegen die Kündigung gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Arbeitsgericht bestätigte zwar, dass die Anordnung des Arbeitgebers, die Corona-Schnelltests durchzuführen, rechtmäßig war und dass der Mitarbeiter durch die Ablehnung der Tests schuldhaft gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat. Nach Auffassung des Gerichts wäre aber vor der Kündigung eine Abmahnung als milderes Mittel geeignet und ausreichend gewesen.
Bei Kündigungen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Eine Kündigung wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Das Arbeitsgericht verwies auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach bei Vertragspflichtverletzungen, die auf einem „steuerbaren Verhalten“ beruhen, generell davon auszugehen ist, dass bereits die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses das künftige Verhalten des Arbeitnehmers positiv beeinflussen wird.
Das Arbeitsgericht Hamburg stellte klar, dass eine Abmahnung nur dann
entbehrlich ist, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben,
aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen
werden durfte. Im vorliegenden Fall hielt das Gericht eine Abmahnung allerdings für nicht entbehrlich. Der Arbeitgeber habe nicht ausschließen können, dass der Mitarbeiter für den Fall der Androhung von Konsequenzen für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses seine Verweigerungshaltung überdacht und die bereitgestellten Corona-Schnelltests zukünftig durchgeführt hätte. Das Gericht hielt dem Arbeitnehmer zugute, dass er bereit war, einen anderen als den vom Arbeitgeber angebotenen Schnelltest durchzuführen.
ist freier Journalist aus Biberach/Baden und schreibt regelmäßig News und Artikel aus dem Bereich Arbeitsrecht.