Was inspiriert (oder befähigt) uns zum Schreiben? Beispielsweise der direkte Austausch mit Ihnen, die unser Magazin lesen. So kürzlich geschehen bei der Messe „Zukunft Personal“. Themen für eine Glosse in einem Wirtschaftsmagazin zu finden, sei immer besonders schwierig, so ein regelmäßiger Leser und ehemaliger Schreiber dieser unserer Rubrik hier. Als weitere Inspiration kann die Verfasserin dieser Zeilen einen Blick in aktuelle Stellenbeschreibungen empfehlen. Da sucht ein großes Finanzunternehmen einen „Talent Acquisition Enabler“. Bei einer nicht minder großen Versicherung wird ein „DevOps Enabler“ eingestellt. Eine IT-Beratung schreibt eine Position namens „Digital Business Enabler“ aus. In manchen der Anforderungen steht: „Du verstehst dich als Enabler.“ Oder der Arbeitgeber bezeichnet sich direkt selbst als „agilen Enabler“.
Wie so oft kommt das mysteriöse Wort aus dem Englischen, wird dementsprechend ausgesprochen und hat also nichts mit dem Körperteil in der Bauchmitte von Säugetieren zu tun. „To enable“ kann verschiedene Bedeutungen haben. In einem positiven Kontext wird es mit „befähigen“ oder „möglich machen“ übersetzt. Es kann allerdings auch „anstiften“ heißen – was in diesem Sinne in Konzernen geschieht, landet nicht selten als Skandal in den Schlagzeilen.
Bleiben wir aber bei dem, was Unternehmen suchen: Enabler mag schick und innovativ klingen und wird daher mit Hoffnung auf besseres Employer Branding verwendet. Doch was sich inhaltlich dahinter verbirgt, ist ein altbekanntes Talent: Mitarbeitende in dem zu unterstützen, was sie tun, und die Bedingungen zu schaffen, damit sie wachsen können, im besten Fall über sich hinaus. Wenn Unternehmen dieses Wort in Stellenanzeigen verwenden, suchen sie also schlicht und ergreifend eine kompetente Führungskraft. Einer der zentralen Skills, die eine solche heutzutage mitbringen muss, ist sicher das „enablen“: zu wissen, was die Belegschaft leisten kann, und was nicht. Wann Eingreifen erforderlich ist, sei es, um schlummernde Talente zu wecken oder dem Team Hürden aus dem Weg zu räumen, damit sie ihre Arbeit gut erledigen können. Es ist im Kern das, was agile Frameworks mit der vielbeschworenen „servant leadership“ meinen.
Führen gilt es zu lernen
Leider landen aber auf Führungspositionen immer wieder Menschen, die Führen als nächsten logischen Schritt in ihrer Karriere betrachten und nicht als komplexe Aufgabe, die es erst zu lernen gilt (siehe Interview mit Nils Schmidt). Und die Gefahr bei den für kompetentes Führen benötigten Soft Skills, um ein weiteres Buzzword zu bemühen, ist, dass sie rein passiv verstanden werden, sowohl von der Führungskraft als auch von den Untergebenen. So kann sich der Enabler oder die Enablerin bequem aus der Verantwortung ziehen. Schließlich ist man nicht für Problemlösungen zuständig, sondern nur für die Bedingungen, unter denen das Team seine Probleme bitteschön selbst erledigen soll. Ein klassischer Fall von Externalisierung oder auch SEP („somebody else’s problem“).
Andersherum ist es nicht besser, wenn die Mitarbeitenden Führungskräfte als eine Art dienstbaren Flaschengeist verstehen, den es immer dann herbeizurufen gilt, wenn eine Hürde auftaucht, und sei sie noch so klein. Die oft zitierte goldene Mitte ist wohl auch hier der Weg. Ein fähiger Befähiger, eine fähige Befähigerin erkennt mit geschultem Blick, was die Belegschaft leisten kann und wo es nur an ein bisschen Mut oder Orientierung mangelt oder die Prioritäten schiefhängen. Aber eben auch, wann die Mitarbeitenden an ihre Grenzen kommen und „befähigen“ in mehr besteht als dem Raushauen von Motivationssprüchen aus dem letzten Managerseminar. Ist man dazu partout nicht bereit, „enablet“ man die Beschäftigten nämlich zu einem eher unangenehmen Schritt – der Kündigung.
Angela Heider-Willms verantwortet die Berichterstattung zu den Themen Transformation, Change Management und Leadership. Zudem beschäftigt sie sich mit dem Thema Diversity.