Die Employee Experience ist entscheidend dafür, ob Talente im Unternehmen bleiben und neue hinzukommen. Unternehmen müssen daher ihr Employee Experience Management neu ausrichten. Früher wurden Mitarbeiterbefragungen nur einmal jährlich durchgeführt, weil es technisch nicht anders abgebildet werden konnte. Heute stünde HR die Technologie für häufigere Befragungen und andere Feedback-Instrumente zur Verfügung, führte Roland Abel aus. Warum die vorhandene Technik dennoch in zahlreichen Unternehmen nicht zum Einsatz kommt, darüber diskutierte der Head of Employee Experience Strategy beim Softwareunternehmen Qualtrics beim 13. HR-Summit in Frankfurt am Main.
Gemeinsam mit Patrick Wilhelmi, Head of Global Leadership, Recruiting & Talent Management beim Industrie- und Automobilzulieferer Schaeffler, stellte er Möglichkeiten und deren Stolperfallen vor, um moderne Mitarbeiterbefragungen durchzuführen. Unternehmen könnten sich durch regelmäßige Pulse Checks, Ad-hoc-Messungen zu Sonderthemen, ganzheitliches Zuhören oder auch Ausrichten der Befragungen am Life-Cycle der Talente einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und diese Instrumente als Gamechanger hin zu einer innovativen Employee Experience nutzen.
Die Variante muss zum Unternehmen passen
Aktuell würde sich das Employee Experience Management zwar weiterentwickeln, doch noch hinter seinem Potenzial zurückbleiben. Denn HR befinde sich diesbezüglich in der Lernphase, wie Wilhelmi ausführte. „Man muss zunächst herausfinden, welche Form der Mitarbeiterbefragung zum eigenen Unternehmen passt und bei welchen Themen wir genauer nachfragen müssen“, sagte Wilhelmi.
Wie wichtig eine individuell auf das Unternehmen zugeschnittene Befragungsvariante ist, zeige sich auch daran, dass verschiedene Arbeitgeber unterschiedliche Befragungsmethoden wählen. Beim Pharmaunternehmen Merck würden laut Roland Abel klassische Mitarbeiterbefragungen und Ad-hoc-Erhebungen mit Life-Cycle-Feedback kombiniert. Bosch messe die Employee Experience an 35 Touchpoints und führe damit Pulse-Checks anstelle von Mitarbeiterbefragungen durch. Bei Adidas werde die Employee Experience mit der Customer Experience zusammengebracht und so identifiziert, welche Treiber dafür sorgen, dass die Store-Mitarbeitenden eine bessere Performance liefern.
Jeden hören – auch den Betriebsrat
Bei Schaeffler hat sich das Team rund um Wilhelmi für eine große Umfrage entschieden: 2021 hat es erstmals eine globale Mitarbeiterbefragung durchgeführt – und zwar unter allen rund 84.000 Mitarbeitenden, inklusive denen aus der Produktion. Der Grund: „Viele Mitarbeitende haben uns gesagt, dass sie zu relevanten Themen nicht gefragt und generell nicht gehört werden“, sagte Wilhelmi.
Die Befragung war komplett IT-gestützt. In der Produktion hat HR QR-Codes ausgehängt, mit deren Hilfe die dortigen Mitarbeitenden Zugriff zu den 38 geschlossenen und den vier offenen Fragen erhielten. Bei der Erstellung der Befragung sei das Team von Wilhelmi auf die erste Herausforderung des Employee Experience Managements gestoßen: „Wir müssen jede Frage mit dem Betriebsrat abstimmen, der sichergehen möchte, dass die Anonymität der Mitarbeitenden gewährt bleibt“, erklärte Wilhelmi. Das sei an sich gut, benötige aber Zeit.
Zeit braucht HR auch, um die Befragungsdaten auszuwerten. Dr. Thomas Tita, Global Head of DE&I and Engagement Data bei Merck, der krankheitsbedingt nicht wie geplant beim Themenforum auf der Bühne stehen konnte, brachte im Vorgespräch mit Abel das Thema Kapazitätenknappheit auf. „Die Leute geben gern ihr Feedback. Es besteht nicht die Gefahr einer Befragungsmüdigkeit, sondern einer Folgeprozess-Müdigkeit“, zitierte Abel Tita. Wer die Befragung durchführe, habe eine Bringschuld den Teams gegenüber und müsse ihnen auch die Ergebnisse liefern und Taten folgen lassen. „Man muss die richtige Mischung aus häufigem Zuhören sowie dem Sammeln von Informationen und dem Stemmenkönnen der Auswertung finden.“
Zeit lassen, damit sich die Wirkung entfalten kann
Die Auswertungen sollten von Führungskräften und HR zum Anlass genommen werden, um etwas im Unternehmen zu verändern. „Wichtig ist, dass der Befragung und der Auswertung Maßnahmen folgen“, betonte Wilhelmi, und Abel fügte hinzu: „Mitarbeitende erwarten, dass ihr Feedback direkt in Reaktionen überführt wird.“ Damit die Aktionen ihre Wirkung entfalten können, brauche es je nach Thema Zeit. „Welche Ergebnisse aus der Befragung entstanden sind, das können wir nach einer gewissen Zeit mit einer zweiten Befragung evaluieren“, sagte Wilhelmi.
Ein Gamechanger bei der Employee Experience ist es folglich, auf Faktoren wie personelle Ressourcen, Wirkungszeit der abgeleiteten Aktionen, Einbezug des Betriebsrats und individuelle Themen im Unternehmen zu achten. Die Tools müssen Unternehmen dann mit Blick auf diese Faktoren auswählen und anwenden.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.