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Fachkräftemangel? Stellen Sie Ihr Unternehmen auf den Prüfstand!

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Unserer Erfahrung nach schöpfen viele Unternehmen die vielen Optionen, um den Fachkräftemangel abzumildern, nicht genügend aus. Der Umgang mit Fachkräftemangel sollte deshalb auf den Prüfstand gestellt werden. Schwächen müssen identifiziert werden, um Potenziale für die Fachkräftegewinnung und -bindung zu entfalten. Da es nicht eine Patentlösung gibt, müssen viele unterschiedliche Optionen geprüft und bewertet werden – gleichsam einem großen Puzzle mit vielen kleinen Teilchen.

Ohne Reputation ist alles nichts

Eine positive und ausgeprägte Reputation, starke Marken und ein gutes Image sind – unserer Erfahrung nach – ein zentraler Treiber, um Kunden für hochpreisige Leistungen zu gewinnen und zu binden. Analog wirken diese Faktoren auch auf dem Arbeitsmarkt und erleichtern die Personalbeschaffung und Retention. Nach außen müssen dafür Reputation, Marke und Image im Fachkräfte-Zielmarkt positiv, differenzierend, inspirierend und attraktiv wirken, um qualifizierte Fachkräfte anzuziehen. Nach innen geht es darum, dass eine starke Reputation, Marken und Image auf Mitarbeitende eine motivierende, Identität stiftende und langfristig bindende Wirkung entfalten. Unternehmen mit starken Werten für Reputation, Marken und gutem Image bekommen rund 40 bis 50 Prozent mehr qualifizierte Bewerbungen und sind bis zu zwei Mal schneller bei der Einstellung als solche ohne diese Faktoren.

Wenn sich (potenzielle) Mitarbeitende damit identifizieren, werden sie zu Vermittlern, die weitere anziehen. Der Aufbau dieser Pullfaktoren braucht Zeit, wenn die Alleinstellungsmerkmale im Arbeitsmarkt deutlich werden sollen. Wir wissen, dass unter anderem agile Werte, Lernkultur, flache, vernetzte und dynamische Organisationsstrukturen, laterale Führung und bedürfnisorientierte Benefits sowie innovative Leistungsangebote starke und positive Wirkungen haben. Auf diese blicken junge, potenzielle Mitarbeitende genauso wie auf monetäre Anreize. Fragen Sie sich daher folgendes:

  • Wie baut Ihr Unternehmen eine unverwechselbare, positive und starke Reputation und eine starke Marke mit Alleinstellungsmerkmalen auf und kommuniziert diese in der Zielgruppe?
  • In welcher Lebensphase kommuniziert Ihr Unternehmen zum ersten Mal mit der Zielgruppe?
  • Warum ist gerade Ihr Unternehmen der richtige Arbeitgeber? Was unterscheidet es von anderen?

Optionen zur Mitarbeiterbindung zusammenfügen

Wenn auch eine bestimmte Fluktuationsquote für die Erneuerung des Unternehmens gut ist, sollten Unternehmen bei dem angespannten Arbeitsmarkt alles dafür tun, um ihre Fachkräfte zu halten. Auf jede offene Stelle und Neueinstellung resultieren hohe Kosten. Wie wir wissen, führt hohe Mitarbeiterbindung unter bestimmten Voraussetzungen zu geringer Wechselbereitschaft und geht mit Motivation und Produktivität einher. Aus Untersuchungen zu Dienstleistungsberufen resultieren aus einer hohen Mitarbeiterloyalität sogar loyalere Kundenbeziehungen. Auch werden potenzielle Mitarbeitende über loyale angeregt, sich zu bewerben. Die Mitarbeiterbindung wird von einer Vielzahl beitragender Faktoren beeinflusst. Lassen Sie mich hierzu folgende Thesen aufstellen und Fragen stellen:

1. Ihr Unternehmen ist für eine zeitgemäße Führungskultur bekannt

  • Existiert eine inspirierende und zugleich am Markt differenzierende Vision? Wird ein positives Bild von der Zukunft des Unternehmens gestaltet und kommuniziert?
  • Sind Führungskräfte „Vor-Gesetzte“? Herrschen hierarchische Führung und Positionsmacht oder Kooperation und entwicklungsorientiertes Führen auf Augenhöhe vor?
  • Wird auf Sinn, Verstehbarkeit und Machbarkeit der Ziele und Arbeit geachtet? Wird Erfolg aus der Arbeit erlebbar, so dass dieser selbst motiviert?
  • Wird die Führungskultur kontinuierlich mit Feedbacksystemen weiterentwickelt?

2. Ihr Unternehmen gestaltet seine Organisation attraktiv

  • Hat Ihr Unternehmen organisatorische Rahmenbedingungen geschaffen, die die individuellen Bedürfnisse und Motive der Menschen für Innovation ansprechen?
  • Berücksichtigen Sie unterschiedliche Lebensphasen der Menschen bei der Arbeitsgestaltung?
  • Welchen Reifegrad hat der Onboardingprozess Ihres Unternehmens? Baut er tragfähige Human Relations zwischen neuen Mitarbeitenden und bestehenden Teams auf?
  • Werden Rollen hinterfragt und ausgerichtet? Besteht dabei Wahlfreiheit nach Stärken, damit die Potenzialentfaltung und ein selbstbestimmtes Arbeiten gewährleistet sind?
  • Baut Ihr Unternehmen internationale, hippe und günstige Standorte auf, damit interkulturelle, diverse, kreative Belegschaften dort entstehen, wo es Fachkräfte gibt und wo sie leben wollen?
  • Haben Sie virtuelle oder hybride Prozesse der Zusammenarbeit umgesetzt? Nutzen Sie virtuelle Kooperationsplattformen, um Ort und Zeit zu entkoppeln?

3. Ihr Personalmanagement hat ausgeprägte Business- und Digitalkompetenz

  • Wie sieht es in Ihrem Unternehmen mit beruflichen Perspektiven sowie Aufstiegs- und Karrierechancen aus?
  • Kennen sich die Personalerinnen und Personaler mit Digitalstrategien, dem eigentlichen Business und am Shopfloor wirklich aus? Haben sie Digitalkompetenzen bezüglich des Business und in eigener Sache? Wird HR in Businessentscheidungen gleichberechtigt eingebunden?
  • Stehen im Zentrum der Personalentwicklung die Kompetenzentwicklung und die zukünftige berufliche Handlungsfähigkeit der Mitarbeitenden, um in der Digitalisierung selbstwirksam zu werden?
  • Gibt es Initiativen zum Re- und Upskilling?
  • Zeigt sich Ihr Unternehmen offen für innovative Lernformate wie agiles Projektlernen?
  • Wie geht Ihr Unternehmen mit älteren, erfahrenen Mitarbeitenden um? Werden sie entwicklungsorientiert gefördert, auch, damit sie nicht kündigen?
  • Werden motivierte Quereinsteiger und Quereinsteigerinnen schnell fit gemacht?
  • Gibt es Pair-Working oder etwas ähnliches, um den Wissenstransfer zwischen erfahrenen Mitarbeitenden und solchen mit frischem Hochschulwissen zu gewährleisten und um voneinander „on the job“ zu lernen?

4. Ihr Unternehmen pflegt eine Innovations- und Lernkultur

  • Herrscht Misstrauens- und Absicherungsmentalität, oder besteht eine Lernkultur, die durch Wertschätzung, konstruktives Feedback, Reviews und Retrospektiven geprägt ist?
  • Welches Menschenbild herrscht vor? Heißt es in Ihrem Unternehmen „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“, oder gelten Menschen grundsätzlich als leistungsbereit und Sie vertrauen ihnen?
  • Welcher Aussage stimmen Sie zu: „Mensch als Mittel. Punkt.“ Oder: „Menschen im Mittelpunkt.“?

Info

Recruiting überdenken und neu ausrichten

Aufgrund des Arbeitskräftemangels haben Talente heute die Marktmacht. Unternehmen müssen sich bei Talenten bewerben – nicht umgekehrt. Häufig stammen aber Recruitingprozesse aus Zeiten, in denen die Arbeitgeber den Markt beherrschten.

Wer heute erfolgreich rekrutieren will, muss die Zielgruppe mit Ihren Einstellungen, Motiven, Bedürfnissen und Emotionen sowie Verhaltensweisen in den Mittelpunkt stellen. Dabei sind aus unserer Sicht folgende Fragen interessant:

  • Wie bekommt Ihr Unternehmen auf dem Zielmarkt die nötige Aufmerksamkeit? Wie entsteht bei potenziellen Mitarbeitenden der Wunsch, unbedingt bei Ihnen mitmachen zu wollen? Wie kommt es zum Vertragsschluss, der die Partner emotional und motivational sowie vertraglich wirklich bindet?
  • Ist der Recruitingprozess Ihres Unternehmens aus der Perspektive der potenziellen Mitarbeitenden gestaltet?
  • Wie zielgruppengerecht funktioniert die Kontaktanbahnung? Kommuniziert Ihr Unternehmen über alle relevanten Kanäle mit seiner Zielgruppe und erreicht diese wirklich? Stellt sich Ihr Unternehmen wirklich auf potenzielle Bewerber ein?
  • Wie innovativ und digital, aber auch gleichzeitig bedürfnisgerecht funktionieren Ihre Recruitingprozesse? Wie funktioniert der Bewerbungsprozess? Werden alle Gespräche Face-to-Face, rein virtuell oder hybrid gestaltet? Werden Beziehungen (Human Relations) gestaltet oder soll Personal (Human Resources) beschafft werden?

Organisationsgestaltung, um Fachkräftebedarf zu reduzieren

Innovative Organisation sowie Digitalisierung und Automatisierung sind Optionen zur Senkung des Personalbedarfs. Zunächst entstehen durch die Digitalisierung und Automatisierung neue Kompetenzbedarfe, die den Fachkräftemangel verschärfen. Aber mit Geschäftsmodell- oder Organisationsinnovation lassen sich völlig neue Prozesse gestalten, verschlanken, Redundanzen eliminieren, digitalisieren oder automatisieren. Das erfordert zunächst Investitionen, reduziert aber langfristig den Personalbedarf. IT, künstliche Intelligenz (KI) oder Automatisierungstechnik können zwar ausfallen, haben aber eine höhere Verfügbarkeit und keine Krankheitstage oder Fluktuation. Fragen Sie sich selbst:

  • Wie schafft es Ihr Unternehmen, rentable Leistungen mit deutlich weniger Personalbedarf anzubieten? Sind die bestehenden Prozesse noch zeitgemäß?
  • Kämen ein neues Geschäftsmodell, neue Geschäftsprozesse und Organisation mit deutlich weniger Personalbedarf aus? Werden dadurch neue Spielräume für lukrativere Tätigkeiten geschaffen?
  • Sind die Mitarbeitenden mit Mehrfachqualifikation ausgestattet, um ihre Einsatzflexibilität in mehreren Prozessen zu erhöhen?
  • Lässt sich Fachkräftebedarf mithilfe moderner Technologie reduzieren? Welche Potenziale haben dafür Digitalisierung, Automatisierung, Internet of Things, KI und ChatGPT?

Was hat Einfluss auf die Fachkräftegewinnung?

Viele Ansätze weisen Schnittmengen auf. Letztlich geht es darum, möglichst viele miteinander in geeigneter Weise zu kombinieren und umzusetzen, um sich von der angespannten Wettbewerbssituation auf dem Arbeitsmarkt so gut wie möglich unabhängig zu machen. Wichtig ist, dass Unternehmen sie so orchestrieren, dass sie tatsächlich auf die Fachkräftegewinnung und-bindung oder auf die Senkung des Personalbedarfs einzahlen.

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